Dieses Jahr ist ein Jahr zum feiern. Oder sagen wir auf jeden Fall für die Anhänger des Sichtexotheismus. Das Mainzer Label feiert 2021 nämlich 10-jähriges Jubiläum! Da haben schon einige früher das Handtuch geworfen – und das mit sehr viel größerem Mainstream-Appeal. Denn eine Sache muss man bei Sichtexot hervorheben: Das Label steht für Liebhaber-Musik. Für Kunst und Unkonventionalität – jedenfalls für mich. Und das ist auch gut so!
Zum Label-Geburtstag habe ich mich mal ein paar der Kapeiken auf den Zahn gefühlt. Unter anderem auch Label-Mitbegründer Anton aka Anthony Drawn.
10 Jahre Sichtexot: Das Kind kommt jetzt langsam aber sicher auf die weiterführende Schule – wohin geht’s?
Gute Frage! Um bei der Schul-Metapher zu bleiben: Als Elternteil hat man natürlich Einfluss aber letztlich entwickeln die Kids sich ja doch meistens selbst. Ich glaube man kann guten Gewissens behaupten, dass sich unser Baby ganz gut entwickelt hat. Konnte sich von den zwielichtigen Ecken des Schulhofs fernhalten, wenig Schlagabtausch mit Mitschülern, weder Problemkind noch brav einen auf Streber gemacht.
Ein immer wiederkehrendes Thema ist der Sichtexotheismus – auf was lässt sich ein werdender Jünger ein und was wird ihm abverlangt?
Hier gehts letztlich um den Gedanken des Kollektivs. Gäng Gäng. Independent arbeiten, den eigenen Shit machen. Die Ironie des Namens ist vielleicht, dass sich der Sichtexotheismus ja klar gegen „ismen“ ausspricht – also sozusagen die Sekte gegen Sekten, die Religion gegen Religionen. Am wichtigsten ist die Attitüde, es wird nichts geglättet, es wird sich nicht verbogen – es wird kompromisslos an der eigenen Kunst und am Geschmack festgehalten. In welche musikalische Richtung es dann geht, ist vollkommen offen – der Mindstate bleibt Hip Hop.
Das Label vereint viele unkonventionellere Künstler. Ich denke da an den Täubling, Sir Search oder Wun Two. Acts, die man nicht unbedingt aufgrund ihrer Radiotauglichkeit in ein Label holen würde: Was vereint das SXT-Lineup?
Ja unser Künstler-Stamm ist sehr divers. Das liegt vornehmlich daran, dass wir nicht wirklich an einer Subgrenze halt machen, was unsere Hip Hop-Definition betrifft. Wir sehen uns da eher als Plattform mit Brückenfunktion. Den Hörer*Innen vielleicht auch mal eine gewagtere Version dessen zu eröffnen, was man vielleicht im Alltag gewohnt ist und nur so nebenbei konsumiert.
Korrigier mich gerne, aber eine Herzens-Reihe ist vermutlich die Sichtexotica. Erzähl mal bitte ein wenig was zum Konzept.
Herzens-Reihe ja vor allem deshalb, weil eben der eigene Name auch die Reihe betitelt. Sichtexotica ist eine instrumental-Serie mit exquisitem Anspruch. Instrumental Platten sind ja oft eine reine Ansammlung an Beats, ohne das negativ behaften zu wollen. Wir bringen ja auch straightere Beat-Platten raus und lieben genau das.
Sichtexotica Releases sind auch instrumental, sollen aber mehr den Charakter eines Gesamtwerks haben. Weniger Loops, weniger 1.30 Min. Beats, mehr ausarrangierte Songs, mehr Abwechslung, mehr „Wagnis“ und Experiment. Klar bewerte ich mit rosaroter Brille, aber allein die letzten beiden (Vol. IV, Melodiesinfonie und Vol. V, Hubert Daviz) sind für mich echt Meisterwerke!
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Auf die letzten 10 Jahre Label gedacht: Was würdest du heute anders machen?
Tatsächlich wenig bis nix 🙂
Vinyl ist bei Sichtexot ein wohl etablierter Standard, gleichzeitig gibt es immer wieder Releases, die einfach nicht mehr gepresst zu bekommen sind: Was spielt das Medium für eine Rolle für euch?
Naja ich könnte jetzt was von Haptik und Klangwärme, Handlebarkeit als DJ, Hip Hop Historie etc. erzählen aber am Ende ist Vinyl halt das mit Abstand schönste Tonträger-Medium und das war es dann auch schon. Ist relativ simpel.
Mit einem eigenen Label habt ihr euch schon sehr von der Industrie unabhängig gemacht – was würdest du trotzdem gerne an der Musik-Maschine ändern, wenn du könntest?
Wir sehen das nicht so eng! Ab und bei spielen wir mit, mal stehen wir mit weinendem Auge an der Seitenlinie, öfter mal mit einem breiten Grinsen. Meistens aber gucken wir gar nicht erst zu… Die Ambition irgendwas zu ändern sehe ich aktuell nicht.
Passend zum Label-Geburtstag gibt es auch dieses Jahr wieder viele fette Releases. Den Startschuss machen der virtuose Eloquent zusammen mit dem legendären Hulk Hodn. „Fahrstuhl zum Schafott“ bietet das beste aus beiden Welten ab dem 19.02.21.
Mit dem Duo bestehend aus Nepumuk und Retrogott geht es am 26.03.21 mit „Metamusik“ dann direkt weiter. Dazu dann aber später mehr!
Ich wünsche Sichtexot für die nächsten 10 Jahre mindestens genauso geile Releases, Artists und vor allem viel Spaß – beim Hören hat man die nämlich jedes Mal!