StartInterviews65daysofstatic im Interview: Ausflug in die Gaming-Branche

65daysofstatic im Interview: Ausflug in die Gaming-Branche

65daysofstatic. Testspiel traf sich mit Paul Wolinski (2.v.r.). Foto: Danny Payne

Zwar gab es schon mehrere Bands, die neben Studioalben und Konzerten andere Projekte verfolgt haben. So etwa Explosions in the Sky, die mehrere Soundtracks zu Filmen komponierten. Doch was 65daysofstatic gemacht haben, ist ziemlich unüblich in der Branche: Sie haben den Soundtrack zum Computerspiel No Man’s Sky geschrieben, ein Open World Spiel im Weltall mit knapp 18 Trilliarden (!) Planeten, die sich theoretisch alle einzeln besichtigen lassen. Kein Wunder, dass um dieses Spiel ein riesiger Hype entstanden ist. Der Soundtrack zum Spiel ist gleichzeitig das neue Album der vier Engländer: „No Man’s Sky: Music for an infinite universe“. Im Hamburger Uebel & Gefährlich treffen wir uns mit Gitarrist Paul Wolinksi zum Interview, um über das neue Album, die Arbeit an einem Spielsoundtrack und den Hype drumherum zu reden. Mit einem Glas Rotwein in der Hand begrüßt er mich. Er wirkt müde, nicht verwunderlich, schließlich touren die vier Jungs aus Sheffield schon seit ein paar Wochen durch Europa.

No Man’s Sky war eines der am meisten gehypten und langerwarteten Spiele in 2016. Der erste Trailer kam bereits 2013 heraus, in dem einer Eurer Songs genutzt wurde. Konntet Ihr zu dem Zeitpunkt ahnen, dass mal so ein Hype um das Spiel ausbrechen würde?

Paul: Nein. Als sie mit uns Kontakt aufnahmen um den Song für den Trailer verwenden zu können, zeigten sie uns Screenshots und kurze Trailer. Das sah schon sehr interessant aus. Wir haben nicht sofort darüber geredet, auch den Soundtrack dafür zu machen. Aber wir haben den Hype gar nicht erwartet, schließlich besteht das Team von Hello Games [die Macher des Spiels, Anm. d. Red.] nur aus 15 oder 20 Leuten. Niemand von denen hatte erwartet, dass so ein großes Ding daraus gemacht wird. Uns mit einberechnet.

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Inwiefern hat auch 65Daysofstatic vom Hype profitiert?

Paul: Ich denke nicht, dass er uns großartig geholfen hat. Es ist zumindest schwer auszumachen. Wir sind mit dem Soundtrack auf Tour, es wird für uns immer das neue 65dos-Album sein. Wir spielen nicht in Arenen, sondern immer noch in den kleineren Locations. Ein paar mehr Leute kommen vielleicht im Durchschnitt. Aber das hätte auch einfach durch uns erreicht werden können, weil wir schon seit Jahren ständig auf Tour sind und neue Sachen rausbringen. Das ging langsam aber sicher in die richtige Richtung. Ein normaler Vorgang. Millionen Menschen haben das Spiel gekauft, auch wenn es irgendwann komischerweise so viele schlechte Rezensionen bekommen hat. Das heißt auch, dass Millionen von Menschen unsere Musik gehört haben. Und das ist ein sehr cooles Gefühl. Vielleicht achten in Zukunft mehr Leute darauf, ob wir was Neues rausbringen. Sowas zu planen, ist natürlich unmöglich.

Klar, aber auf Euch wurde eine neue und sehr große Zielgruppe aufmerksam. Viele Gamer haben noch nie von Euch gehört, manche haben sogar nach dem ersten Trailer bei Twitter geschrieben: „Who the fuck is 65daysofstatic?“

Paul: Klar, viele von denen haben noch nie von uns gehört. Das ist ein unglaubliches Feeling. Aber es hat nichts spürbar verändert.

Welche Rolle hat das Entwicklerstudio Hello Games beim Komponieren gespielt?

Paul: Als wir uns das erste Mal mit ihnen zusammengesetzt haben, sagte der Sounddesigner Paul Weir: „Schreibt einfach ein neues Album. Macht Euch keinerlei Gedanken über technische Details. Macht was Ihr macht und wir machen den Rest.“ Das war sehr erleichternd und schmeichelhaft für uns, weil sie einfach unsere Musik als Band haben wollten. Es stand da noch gar nicht fest, ob wir den Soundtrack machen durften und ob wir das überhaupt wollten. Aber nach der Aussage wollten wir es unbedingt. Das Sounddesign für das ganze Spiel ist natürlich viel mehr als nur unsere Musik. Paul war der Boss, er hatte sein eigenes System, wir hatten unseres entwickelt, das irgendwie seinem ähnelte. Dabei hatten wir gar keinen Zugang zum Spiel. Wir kreierten unsere eigene Logik und Algorithmen, um die Soundflächen-Snippets zu bauen und sie in den Songs, die wir schon fertig hatten, unterzubringen. Wir standen oft im Austausch mit Paul, aber er hat uns nur ein paar nette Vorschläge am Ende mitgegeben, wir hatten die totale Freiheit. Er meinte dann zu bestimmten Parts: „Oh ja, wir packen das da hin“ anstatt daran zu nörgeln.

Mit dieser totalen Freiheit: War es ein anderes Songwriting?

Paul: Ja. Was uns wirklich geholfen hat, alles miteinander harmonisch verbinden zu können, war, uns nicht  auf das Format zu konzentrieren. Wir wollten das Album erst im Kasten haben, denn es gibt auch Leute, die das Spiel nicht haben oder kennen und einfach ein 65dos-Album hören wollen. Aber das wollten wir nicht einfach den Entwicklern hinwerfen, damit sie daraus eine Art Remix machen und die Songs anders arrangieren. Sie haben ja gar keine Ahnung vom Umfeld, den Instrumenten und der Arbeitsweise, wie das Album entstanden ist.  Wir hatten so viele Melodien, Loops und Geräusche als Bibliothek angelegt, mit denen wir dann die Soundflächen rund um das Album bauen konnten.

Soundtrack und Studioalbum in einem: Music for an infinite universe

Was lernt Ihr daraus für Euer zukünftiges Songwriting?

Paul: Gute Frage [überlegt] Ich weiß es irgendwie nicht. Videospiele und deren Sounddesign sind ein sehr interessantes Feld, in dem viel Potenzial steckt. [überlegt] Ein Song hat eine relativ feste Struktur, in gewisser Weise auch Grenzen. Durch die Kompaktheit ist es  trotzdem ein guter Weg, um Gefühle auszudrücken. In Games ist viel mehr möglich, weil Songs eigentlich eher eine altmodische Art sind, wenn es um Musik geht. Das kommt von einer alten kaputten Musikindustrie, die Kataloge anhäuft. Da gibt es keine Zukunft. Ich will damit nicht sagen, dass Songs nutzlos oder langweilig sind. Es fühlt sich einfach so an, dass es eine Welt gibt, n der mit Musik noch viel mehr möglich ist. Für uns als Band ist es natürlich sehr interessant, auch in dieser Welt stattzufinden. Das kann man einem Plattenlabel nur schwer erklären (lacht)

Explosions in the Sky haben genau wie ihr schon Soundtracks zu Filmen geschrieben, vielleicht ist das eine ernsthafte Alternative für Bands in der Zukunft.

Paul: Ja auf jeden Fall, Filmsoundtracks machen auch sehr viel Spaß. Es sind zwei verschiedene Welten. Das schafft nicht jede Band. Aber es freut mich zu sehen, dass viele Bands mehr machen als „nur“ Musik und Konzerte. Bands sollten noch mehr machen, es sind gerade spannende Zeiten für so etwas.

Zurück zum Hype des Spiels: Er entstand nicht plötzlich, sondern wuchs langsam an. Das habt Ihr bestimmt auch mitbekommen. Stieg dadurch der Druck auf Euch?

Paul: Nicht wirklich. Keiner von uns ist ein großartiger Gamer, deswegen tauchen wir auch nicht so oft in diese Welt ein oder verfolgen Neuigkeiten in der Branche. Es ist faszinierend zu sehen, wie das Spiel langsam immer konkretere Formen annahm, aber wir sind nicht für das Spiel verantwortlich. Wir machen schon lange Musik und wollten uns dieser neuen Herausforderung stellen, haben die Songs schnell geschrieben. Das war hart, weil es eine enge Deadline gab. Aber es hat geklappt, obwohl es so viel zu tun gab. Wir sahen das Spiel auch erst, als es fast fertig war und der Sound dran kam.

In einem Interview mit metro UK [wird unterbrochen]

Paul: schreckliche Zeitung! (lacht) Sie schreiben so viel Mist.

Warum hast Du Ihnen dann ein Interview gegeben?

Paul: Noch eine gute Frage (lacht) Ich hab nicht so darauf geachtet. Wir wollten ein Album promoten und jeder hat sein Bestes dafür getan. Aber ich habe ein großes Problem mit allen englischen Mainstream-Medien und wenn ich eins davon explizit nennen müsste, dann wäre es metro. Aber wir hatten auch keine Lust, große Diskussionen mit dem Label usw. zu führen.

War es wenigstens ein gutes Interview?

Paul: Keine Ahnung (lacht) Ich hab gefühlt 50.000 Interviews gegeben. (lacht)

In diesem Interview hast Du gesagt, dass Ihr nie eine Playstation hattet und nie das Spiel gespielt habt, außer wenn Ihr euch mit Paul im Soundstudio getroffen habt.

Paul: Ich hab es inzwischen ungefähr fünf Stunden lang gespielt. Aber keiner aus der Band hat mittlerweile eine Playstation. Das Spiel wirkt cool und ich glaube ich kann sehen, warum manche Menschen es nicht mögen. Weil es ein sehr spezielles Spiel ist. Wenn Du dich auf etwas wie „GTA“ einstellst, wirst Du enttäuscht werden. Ich kann den Großteil der Kritik aber nicht verstehen. Ich hab Mitleid mit dem Gamestudio, weil es nur 15 Leute sind und trotzdem so etwas Großes geschaffen haben. Sie hätten den Preis für das Spiel senken sollen, aber Sony ist mit eingestiegen und hat ein großes Blockbuster-Ding draus gemacht, was die Erwartungen natürlich gesteigert hat.

Ich konnte das Spiel noch nicht spielen, habe mich aber mit dem Hype beschäftigt. Viele Gamer haben es schlecht geredet, die Erwartungen wurden nicht erfüllt, die die Entwickler angeblich geschürt haben. Aber es ist ein Spiel, das konstant durch Patches und Bugfixes weiterentwickelt wird, auch wenn es schon länger auf dem Markt ist. Vielleicht ist das auch die Zukunft von Computerspielen: Sie werden veröffentlicht und dann permanent weiterentwickelt und optimiert. In ein oder zwei Jahren wird es dann doch das Spiel sein, was viele erwartet haben.

Paul: Vielleicht, ja. So wie ich das verstehe, passiert das öfters bei neuen Spielen. Der sogenannte Early Access für Fans, damit die Entwickler es mit ihrem Feedback noch verbessern können. Aber auch, damit die Entwickler Geld erhalten, um weiter am Spiel arbeiten zu können. No Man“™s Sky kann auf jeden Fall das Spiel werden, das sich viele erhofft haben. Aber allgemein geht etwas noch viel Interessanteres, etwas Einzigartiges: Man hat etwas, dass sich permanent verändern und optimieren lässt. Mit einem Musikalbum, Film oder Buch kann man das nicht machen, oder nur eingeschränkt. Daraus ergeben sich viele Chancen.

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