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Alben des Monats: Dendemann, James Blake, Sharon van Etten, Lost Under Heaven, Maggie Rogers, Döll

Dendemann „da nich für!“

Ganz ehrlich, das Dendemann Album ist schon richtig geil“, schreibt mir Marc nach rund einwöchiger Korrespondenz darüber, wie „Da nich für!“ denn nun einzuschätzen sei. Druck ist aller Orten zu spüren, im Promotext, in Reviews und auch auf der Platte selbst: Das hier soll in seiner Gesamtheit nicht weniger als ein definitives Statement sein, die doch eher neun als acht Jahre Wartezeit zurückzahlen und Dende letztgültig als Legende legitimieren. Und eben dieser Druck ist neben den Beginnern wohl das einzig wirkliche Problem, mit dem Dende sich hier herumplagen muss, immer dann, wenn die wenn die Stücke sich nicht recht zwischen simplem Hit und Anspruch entscheiden wollen, Metaphern unter ihrem Gewicht bröckeln und bei aller Spezialisierung doch für jeden was dabei sein soll.

Über die ersten vier Tracks dieser Platte muss man kaum sprechen: In „Keine Parolen“ gehen textliche Karikatur und Studiobastelei voll auf, „Müde“ dreht den Spieß um und schlägt das Lager näher bei uns und Byung-Chul Han als den neuen, weicheren Feindbildern Dendes auf, „Ich dende also bin ich“ ist angenehm fragende Rückmeldung und „Alle Jubilare wieder“ kritisiert Hedonismus, mit einem Casper, der seine „Lang lebe der Tod“ Agenda fortsetzen darf. Dann öffnet sich die Platte, liebäugelt mit Kitsch (diskutabel in „Menschine“, ziemlich gut in „Zauberland“), der eigenen Geschichte (perfekt ereignislos-angespannt in „Da wo ich wech bin“, je nach Gusto angenehm trashig mit den Beginnern in „BGSTRNG“) und schlichteren Narrativen („Drauf und Dran“ mit perfektem Mieze-Sample, „Zeitumstellung“ mit mäßiger Teutilla-Hook). All das weiß zu überzeugen, gut hätte es aber doch getan, in gewissen Teilen weniger sicher zu agieren. Die Krauts, die hier maßgeblich produziert haben, sind zwar noch immer gute Handwerker, aber eben auch ein Symptom geworden – hier will jemand nichts falsch machen, was in Konzeption und Produktion teils zu unnötigen Verkrampfungen führt. Wer, und das ist vielleicht die große Gerechtigkeit dieser Platte, am Ende unbeschadet rausgeht, ist Dendemann, der sich keinen Ausfall erlaubt und damit wohl der einzige noch aktive 90er MC ist, über den sich sowas sagen lässt. Jan Delay und Denyo erfüllen zumindest die Aufgabe, dies indirekt zu bezeugen. (VÖ: 25.01.2019, via Vertigo)

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James Blake „Assume Form

James Blake ist sicher auch so einer, der immer Druck hat. Verdächtig war er schon vor seiner ersten Platte, als Klavierstreber, der sich irgendwie in Londoner Clubs verirrt hatte und dann natürlich nicht nur tanzen, sondern selbst an diesen Sounds weiterstricken wollte. Das damals angebrochene Jahrzehnt verbrachte Blake damit, bloß nicht anzukommen und, ironischerweise, bei allem Druck eben gerade keine Form anzunehmen, immer neue Einflüsse zu integrieren, auf aktuelle Impulse zu reagieren und am eigenen Songwriting zu schrauben. Zuletzt führte das zum uferlosen, 76-minütigen „The Colour In Everything“, das auch die Option eröffnete, dass der Musterknabe einfach seinen Verstand und sich im mediokren Pop verloren hat. „Assume Form“ ist nun programmatisch betitelte Besinnung, die weiterhin eher formlose Waberei („Lullaby For My Insomniac“) und Stilerweiterungen (Trap) zulässt, seine Ideen jedoch konzentrierter verfolgt als der Vorgänger. Ermöglicht wird das auch über Kollaborationen: Metro Boomin, der in „Mile High“ und „Tell Them“ BeatBoote für düstere, schlüssige Exkursionen in die Gegenwart montiert, Rosalía, die auf dem klackernden „Barefoot In The Park“ eine unbeschreibliche, tänzelnde Hook liefert, und natürlich André 3000, dessen Erscheinen per se ein Spektakel ist, der im angespannten „Where’s The Catch“ jedoch einfach auch erneut eine sehr gute, kühle Figur macht und damit als Gegenpart eine der bislang besten Gesangsdarbietungen Blakes ermöglicht. Generell geht der Brite nicht als Gast auf der eigenen Platte unter, manifestiert seine Präsenz durch starke Songs wie das besinnunglose „Can’t Believe The Way We Flow“ ebenso wie den kruden, aber spürbaren Spannungsbogen. In seiner relativen Ausgeglichenheit vielleicht seine bislang beste Platte. (VÖ: 18.01.2019, via Polydor)

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Sharon van Etten „Remind Me Tomorrow“

Gar nicht so leicht, angemessen über das neue Sharon van Etten Album zu sprechen, unter anderem, weil man irgendwie schon wieder so viel vergessen hat. Ihre Platten waren selten Blockbuster, eher kleine Schätze, die man sich unter der Hand zugeschoben hat, die man in der Bestenliste irgendwie vergessen hat, aber doch auch eigentlich noch ziemlich gut fand am Ende des Jahres – zudem hat sich die Musikerin nach einem Lauf zu Beginn der Dekade erstmal fünf Jahre anderen Projekte gewidmet, so dass man sich beim ersten Durchlauf von „Remind Me Tomorrow“ schon fragen kann, ob die Synthesizer schon immer da, die Songs allerdings nicht mal handfester waren, ob John Congleton hier nun viel Einfluss hatte und wo man diese Musik und die Künstlerin dahinter nun generell in der aktuellen Landschaft einordnen würde. Fragen, die mit mehrmaligem Hören zunehmend egaler werden, denn irgendwie hat das Vergessen auch eine befreiende Wirkung: Es erzeugt einen Moment der Irritation, der dazu führt, dass diese Songs nicht einfach als weitere Platte einer guten Künstlerin wahrgenommen werden, sondern als bemerkenswert exzellente Songsammlung, egal, ob es sich nun um das zwielichtige „Comeback Kid“, das krautig-jammige „Jupiter 4“, den orgeligen Rocksong „You Shadow“ oder das glitzernd-laszive „No One’s Easy To Love“ dreht. Vielseitig, dennoch schlüssig und in den Details faszinierend. (VÖ: 18.01.2019, via Jagjaguwar)

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Lost Under Heaven „Love Hates What You Become“

Ellery Roberts ist ein Typ, den man ziemlich leicht scheiße finden kann. Erst spielte er bei WU LYF, eine der letzten ernstzunehmenden Indierockbands des Planeten, deren Musik auch genau so klang und deren Image betont unsympathisch war, dann suchte er zunächst alleine, schließlich mit Partnerin sowie Künstlerin Ebony Hoorn und unter der Ägide von The Haxan Cloak als LUH nach maximalistischem Ausdruck für existenzialistisch-emotionale Fragestellungen. Das Projekt besteht noch immer, mittlerweile ist aber nicht nur der Name ausbuchstabiert in Lost Under Heaven, sondern auch die Songs sind ein wenig aufgeräumter als zuletzt. Auch hier darf die Frage erlaubt sein, wie viel John Congleton (neben Thor Harris Produzent der Platte) damit zu tun hat, vor allem finden sich jedoch neue Kontexte für Roberts Lungenentzündungsstimme und mehr Raum für Hoorns sphärisch-klares Raunen. In Gänze kommt das nicht an „Spiritual Songs For Lovers To Sing“ ran, das ich noch immer für eine der wichtigsten Pop-Platten der laufenden Dekade halte, doch mit dem schleppenden „Savage Messiah“, der kompakten Rock-Tanzflächen-Karikatur „Come“ und dem auf erlösende Selbstvernichtung ausgerichteten Closer „For The Wild“ gibt es wichtige, richtige Entwicklungen und zudem genügend Material, um Hater wie Lover am Laufen zu halten. (VÖ: 18.01.2019, via Mute)

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Maggie Rogers „Heard It In A Past Life“

Eine Platte für alle hingegen hat Maggie Rogers aufgenommen. Vor zwölf Jahren hätte man „Heard It In A Past Life“ wohl Indiepop genannt, es dem öffentlich rechtlichen Radio ebenso wie dem Karrera Klub DJ ans Herz gelegt und damit Gitarrenjungs ein Alibi gegeben, auch mal die ollen Rockismen beiseite zu legen, ohne gleich die ganze Identität fallen zu lassen. Heute liegen solche Kategorien natürlich längst am Boden, weswegen es die paradoxe Krücke „Indiepop“ eher als historische Kategorie braucht, um den eher unaufgeregt produzierten, vielseitigen, aber glatten Pop zu bezeichnen, den Maggie Rogers hier aufführt. Ob nun Gitarre, programmierter Beat oder dusleliger Synthie diesen anführen, ist wenig entscheidend, die Strukturen gleichen sich massiv – es geht hier um zwölf Songs, die zu Tränen rühren, jede Jahrzeit untermalen, unterhalten, melancholisch aus dem Fenster blicken und nicht zuletzt eine Stimme etablieren sollen. Irgendwie geht dieser Plan schon auf, doch wenn der Loop mal ein bisschen hakt, wie im bereits seit Längerem bekannten „On+Off“, wünscht man sich, dieses Songwriting-Talent würde sein Kraft vielleicht in der Zukunft doch in aufregendere Formate als diese formal angestaubte Hitsuche zu stecken. (VÖ: 18.01.2019, via Debay Sounds)

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Döll „Nie oder jetzt“

Wem es übrigens zu Beginn noch nicht aufgefallen ist: Es liegt etwas in der Luft im Januar 2019. Drei Rapper, die (in verschiedenen Graden) innerhalb der Szene einen guten Ruf genießen, jetzt aber nie einen wirklichen, massiven kommerziellen Peak erlebt haben, veröffentlichten im Wochentakt lang erwartete Alben. Alle teilen sich ihren Fokus in Sachen Spielzeit, alle tragen irgendwo hörbar den Anspruch mit sich herum, mehr als „nur“ ein Album unter vielen zu sein. Über Dendemann haben wir bereits gesprochen, „Ypsilon“ von Yassin habe ich in der Juice für seine teils kühnen Entscheidungen, eine intime Atmosphäre sowie ein Geschick in Sachen Storytelling gelobt, doch das Beste aus dem Rudel ist möglicherweise ausgerechnet jenes, das am wenigsten Blockbuster, am wenigsten Überwältigung sein will: „Nie oder jetzt“, Dölls Debüt-Album.

Die Atmosphäre ist dicht, aber unaufgeregt, produziert in eben jenem ausbalancierten, aber schwer zu erzielenden Verhältnis zwischen Realkeeper-Beats und Pop-Appeal, der Inhalt kreist um den Rapper selbst in einer unaufgeregten Stoik, die angenehm antiquiert wirkt. Dass manche Begriffe und das ausdauernde Schießen gegen die Ex ebenfalls, aber etwas weniger wohltuend in diesen Bereich fallen, sollte nicht unerwähnt bleiben, tut dem Vibe aber keinen Abbruch, zumal diese Platte maximal um sich selbst kreist und eben daher gesellschaftliche Ansprüche in der Regel ausblendet. „Nie oder jetzt“ berichtet von den Leiden zweier Brüder („Ich bleib“), der Spielsucht („Waldemar“), dem Durchhalten („Héctor Lavoe“) und natürlich Rap (fast jeder Track). Die Beats, immerhin von neun Produzenten stammend, fließen genauso ineinander wie die Themen, und auch das trägt zum Gelingen bei – es scheint so gar kein Konzept zu geben, vieles intuitiv zu passieren. So eine Platte macht man sicher nur ein Mal. Aber auch das muss man erstmal schaffen. (VÖ: 11.01.2019, via Döll)

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