Bevor wir zu den regulären Besprechungen kommen, möchte ich einen freundlichen Gruß in Richtung Sea Shepherd und Uncle M schicken: Die gute Meeresschutzorganisation und das freundliche Indie-Label haben nämlich zum dritten Mal eine Kompilation gebacken, auf der kompetente Musiker wie Shoreline, Spanish Love Songs oder die Satanic Surfers Songs von Iron Maiden, Phoebe Bridgers oder Robbie Williams covern. Da der Erlös gespendet wird, sollte man das ruhig mal auf Vinyl kaufen. Sonst aber auch gerne streamen. Danke und danke!
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Und wo wir gerade ohnehin von der üblichen Ordnung abweichen und ja sowieso im April von alten Märzplatten erzählen, können wir einen Moment in der nahen Zukunft verweilen und uns das dritte Album von Pup vornehmen. Der Vorgänger „The Dream Is Over“ münzte Band-Probleme in röchelnde Indie-Pop-Punk-Hits um, „Morbid Stuff“ setzt das Projekt fort, blickt jedoch weiter in die Welt und changiert zwischen Blödelei und Trübsinn. Der kompositorische Fokus liegt noch immer auf Hits, die besonders griffig zu Beginn des Albums („Kids“!) kommen, bevor „Scorpion Hill“ kurz das Lagerfeuer aufdreht und die Stimmung herunterfährt. Dramaturgisch nicht verkehrt, weil Pup in der zweiten Hälfte zwar nach wie vor Riff und Melodie verpflichtet bleiben, aber vermehrt nach klanglichen Verbündeten für ihren anschlussfreudigen Sound suchen. „Sibling Rivalry“ täuscht das Thrash-Riff zu Beginn nur an, „Full Blown Meltdown“ wagt dann wirklichen Stoner-Metal-Wahnsinn, bevor „City“ brauchbare Harmonien vor den Augen aller in Verzerrung aufbrechen lässt. Schön, dass diese Band so gut weitermacht! (VÖ: 05.04.2019, via Rise Records)
Wer in den vergangenen Jahren ein bis zwei Ohren offen hatte für deutschsprachigen Rap, hatte wohl auch Ebow auf dem Zettel, vielleicht aber nicht, dass „K4L“ nun wirklich ernst machen würde – in allen Belangen. Wer hier unbedarft reinlugt, wundert sich vielleicht über diesen dreiminütigen (!) Skit (!!), der das Album beginnt (!!!), erlebt sich dahinter aber auch schnell durch Songs kugelnd, die keine Grenze kennen wollen, deren Strukturen brach liegen und so zu einer frischen Sprache finden. Irgendwie synthetische Beats ruckeln nahezu unbespielbar, während Ebow einfach Betonungen, Erwartungen und Inhalte biegt, um nach und nach eine radikale Agenda zu entwickeln. „K4L“ erzählt von Migration und ihren Schatten in mehreren Generationen, von Liebe und Eifersucht, von Drogen, Drogen und vielen Drogen, von Körpern und falschem Begehren und platziert all das so gekonnt, dass sich das Publikum früher oder später in dem ein oder anderen Widerspruch verheddern muss. Wer widerständige Musik sucht, die Skill und den Schneid hat, an den richtigen Stellen mit ihm zu brechen, die Statements bringt, sich aber nicht darauf abonnieren lässt, findet hier ein 2019 definierendes Release. Alle anderen aber eigentlich auch. (VÖ: 29.03.2019, via Problembär)
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Bleiben wir noch einen Moment im Bereich deutschsprachigen Raps, reisen aber zurück in den Januar und sichten dort den Lauf von Alben, mit denen sich die Rapper Dendemann, Yassin und Döll je so viel Zeit gelassen hatten, dass ein quasi-feuilletonistisches Publikum schon ganz zittrig vor lauter Aufregung geworden war. Viel wurde in dieser Zeit von Meisterwerken geschrieben, und als in dieser Rubrik in besagtem Januar die Punkte zwischen diesen unter dem Druck der Großtat stehenden Musiken verbunden wurden, dann geschah das im Gedanken daran, dass die daraus entstehende Konstellation im März als Einleitung fungieren darf, um über das dritte Album des Rappers Tua zu sprechen. Dessen Vorgänger „Grau“ fiel vor zehn Jahren, also ganz knapp vor Casper und Marteria, so gekonnt aus dem Rahmen, dass sich kurz darauf Kenner wissend in die Augen blickten, wenn Tua inmitten von Orsons-Hits im Radio oder auf Festivalbühnen Absagen an was auch immer erteilte – dieses ständige, produktiv-verhindernde Unzufriedensein war der Modus, in dem die Leute ihren Tua brauchten.
Hat man als Musiker nun selbst den Anspruch, die Regeln des eigenen Genres nicht nur zu verbiegen, sondern schlicht hinter sich zu lassen, und erhält diese Art von Beifall, macht es die Sache vermutlich nicht einfacher. Tua vergnügte sich mit EPs und den besagten Orsons, doch als die alle auch mal wieder eigenes Material machen wollten, war spätestens der Zugzwang da. Tua kompilierte erstmal seine Vergangenheit, und weil diese Kompilation nicht den eigenen Namen annahm, füllt diese Lücke nun eben „Tua“. Ähnlich wie „Grau“ ist es verzweigt und vertrackt, möchte aber mehr erzählen und setzt daher weniger auf Intensität. Die Geschichte kreist um Tua selbst, der seine Stimme manipuliert, sich über Parts hinweg adressiert, sowieso musikalisch Querverbindungen zieht, auch über das Album hinaus, bis sich da ein Bild abzeichnet: Da war ich, das wurde ich, das bin ich. Wie es sich gehört, verkrampft die Musik bisweilen, gerade weil Avantgarde und Mainstream hier zusammengehen sollen, in punktgenauen Produktionen, ohne überflüssiges, sich nicht fügendes Material. Wenn dieser Plan aufgeht, wie in „Bruder II“ oder „Gloria“, macht Tua keiner was vor. Zwischenzeitlich halten die Songs dem Druck aber nicht so recht stand, ähnlich wie man es zumindest zwei der drei oben genannten Kandidaten attestieren kann. Vielleicht doch allgemein mal wieder stärker auf lockere Projekte setzen? (VÖ: 22.03.2019, via Chimperator)
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Vielleicht nicht der schlechteste Zeitpunkt, um mal wieder bei Sun Kil Moon reinzuhören, der nun seit einigen Jahren das Gegenteil von sorgfältigem Songwriting und Selektion betreibt. „I Also Want To Die In New Orleans“ ist das vierte Album seit „Benji“, jenem unverhofften Durchbruch, als Mark Kozelek alles egal war und er in seinem Folk einfach die Gitarre hängen ließ und drauflos erzählte. Seitdem hat er seine Haltung radikalisiert, die Songs gestreckt, die Anzahl der Akkorde minimiert und führt akribisch Tagebuch in öffentlicher Form. Das alles hat den Anschein, vor allem Leute loswerden zu wollen, mit allen (teils auch wirklich ekelhaften) Mitteln, was nun aber die Musik nicht zwingend schlechter oder zumindest weniger spannend macht. Nach einem turbulenten 2017 fühlten sich die beiden Alben, die er letztes Jahr veröffentlichte, interessant kraftlos an – ein Eindruck, der sich auf „I Also Want To Die In New Orleans“ fortsetzt. Mit Donny McCaslin und Jim White sind zwar prominente Gäste dabei, von denen vor allem Ersterer am Saxophon wichtige Akzente setzt, doch das gedämpfte Spiel in „L-48“ und der beschwingte Einsatz im Refrain zu „Cows“ bleiben Nuancen in Kozeleks schamanischer Beschwörung des Alltäglichen, in die sich der unpointierte Titel und das betont beiläufige Artwork nahtlos einreihen Wie man es dreht und wendet: Diese unendliche Geschichte, an der hier gerade geschraubt wird, bleibt beispiellos. (VÖ: 01.03.2019, via Caldo Verde)
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Vorwarnung: Wer die Klasse von „Sasami“ erkennen möchte, muss drei Songs lang durchhalten – nicht weil sie so brutal, verstörend oder schlicht schlecht sind, sondern weil sie so nett die Hand reichen, dass man sie einfach durchwinken mag: Ja, gutes Album, freundlicher Indierock, aber eben auch schon dutzendfach gehört, zu sehr an schönen Melodien interessiert, um hier noch wirklich was zu reißen. Doch dann, am Ende von „Morning Come“, öffnet sich eine Wall Of Sound, hinter kruden Pfeifen, und bevor eine Form von Explosion einsetzt, zieht diese Krachwolke einfach hinüber in den nächsten Song, „Free“, wo sich unter dem Unheil eine sanfte Gitarre abzeichnet, auf die wir zugehen müssen, und wenn wir das geschafft haben, ist die Platte nicht mehr dieselbe – auch die Songs, die wir bisher gehört haben, klingen im Rückblick irgendwie verrutscht. Sasami hat genau studiert, wie diese Form von kontemporären Indierocks funktioniert, weswegen sie deren Muster auf ihrem Debüt nach Herzenslust sabotieren und zelebrieren kann. Unter harmlosen Oberflächen lauern noisige Gitarren, hinter Lo-Fi-Beats große Gesten, zwischen folkiger Sanftmut strenge Blicke. Ein im besten Wortsinn souveränes Rock-Album. (VÖ: 08.03.2019, via Domino)
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Und wer bei jenem Stichwort dieser Tage nicht an Little Simz denkt, hat vermutlich „Grey Area“ noch nicht gehört. Wie das daherkommt, wirkt erstmal ernüchternd – zehn Tracks, kein konzeptueller Überbau, eine gradlinige, fast unspektakuläre Inszenierung, was auch auf die Beats zutrifft. „Stillness in Wonderland“, der Vorgänger, toppte das Debüt ja noch in Sachen Eklektizismus und Metaphorik und machte Simz endgültig zur versponnen Indie-Rapperin – eine, die in ungefähr gleichem Maße gut ist, wie sie über ihre losen Fäden stolpert. Doch was vorher wirr rumlag, ist nun gekappt: „Grey Area“ ist fokussiert, klingt nach den besten Preset-Beats, die je gebaut wurden, und ist ganz auf Little Simz ausgerichtet. Die lässt im Gegenzug keine Fragen zu, die Art, wie sie rappt, wie hier Bassläufe oder kleinere Riffs in den Mittelpunkt rücken und all das zugleich fett und beiläufig klingt, erweist sich nach ein paar Tracks als roter Faden dieses Albums, das davon profitiert, keine allzu großen Narrative zu spannen. Hier liegt ein hochkonzentriertes Rap-Album vor, von einer Künstlerin, der man eben das irgendwie nicht zugetraut hätte. (VÖ: 08.03.2019, via Age 101 Music)
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