Das Leben wird nicht einfacher, wenn man in einer allseits gefeierten Band spielt. Hat man erst mal ein Meisterwerk im Kasten, richtet die gesamte Popwelt den Blick argwöhnisch auf alles, was folgt. Man wird an sich selbst gemessen, und eigentlich kann man nur scheitern. Vielleicht liegt es daran, dass Animal Collective nach dem großen „Merriweather Post Pavilion“ deutlich Tempo aus ihrem Produktionsprozess genommen haben. Die großen Indie-Weird-Whatever-Psychedelic-Folk-Pop-Pioniere feuerten in den 00er Jahren eine Platte nach der anderen raus, doch nach dem großen Erfolg betätigten sich die Mitglieder vermehrt fluchtartig außerhalb des Mutterschiffs.
So vergingen nun zwischen „Painting With“ und dem kratzbürstigen „Centipede Hz“ beinahe vier Jahre, in denen sich Avey Tare und Panda Bear ihren Solokarrieren widmeten, Geologist Zeit mit seiner Familie verbrachte und Deakin sich gleich ins unbestimmte Aus verabschiedete. Die Vorzeichen für das zehnte Animal Collective Album standen also durchaus ungünstig, und man hätte es ihnen nicht wirklich verübelt, hätten sie wie zuletzt mies gelaunt auf ihrem LSD Streifen herumgekaut.
Stattdessen mietete sich das Trio in den Eastwest-Studios in Hollywood ein, inhalierte dort noch mehr Beach Boys, als ohnehin schon in ihnen steckt und prusteten die gesammelte gute Laune in ein quietschbuntes, knackiges Album. Schon die erste Single „FloriDada“ sprang dem Zuhörer im vergangenen Jahr so fröhlich ins Gesicht, dass man gerne das Scheißwetter vergessen und eine Runde im lokalen Tümpel drehen wollte. Animal Collective klingen damit vielleicht mehr denn je wie die Druffie-Cousins der braven Vampire Weekend, mit denen man bei Familienfeiern gerne mal am Strand abhängt, sich in Substanzen suhlt und Lieder aus Wolken schneidert.
Ziel dabei ist es ganz klar nicht, sich selbst zu toppen. „Painting With“ lenkt mit einem Kunststück von der Unmöglichkeit ab, wieder die spannendste Band der Welt zu werden: Das Album vollführt gekonnt den Spagat zwischen enormer Eingängigkeit und so vielen Ideen, Einflüssen und Ausfällen, dass der Zuhörer schneller zu platzen droht, als er mitdenken kann. Selten klang Überforderung so süß wie hier, woran auch die Gäste ihren bescheidenen Anteil haben. Im ohnehin schon dröhnenden „Hocus Pocus“ lärmt John Cale irgendwo im Hintergrund rum, während Colin Stetson sein Saxophon unter anderem durch das blubbernde „Lying On The Grass“ irrlichtern lässt.
Doch selbst in diesen wirren Kompositionen dringt immer wieder der Harmoniegesang der Band an die Oberfläche und lockt den Hörer sirenenartig in das bedrohliche Unterholz. Entsprechend dazu führen Animal Collective den Rezipienten aufs Glatteis, wenn sie von den Ramones und primitiv(istisch)er Kunst als Leitbilder für „Painting With“ sprechen. Die hier gespielte Musik ist, trotz ihrer Dichte, immer noch komplex und hat mit gradlinigem Punk höchstens assoziativ zu tun. Eine neue Dimension erkunden Animal Collective hier also nicht, aber die aktuelle Platte ist dabei so unterhaltsam und vital ausgefallen, dass man ihre Väter gerne im Kreis der arrivierten Bands willkommen heißen möchte.
8/10
„Painting With“ erscheint am 19.02. via Domino auf Platte, CD und digital.
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