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Album der Woche: Xiu Xiu – Forget (Kritik)

Stillstand ist im Pop eine Todsünde, weswegen sich viele Bands im Lauf ihrer Karriere mindestens einmal grundlegend ändern. Ist dieser Schritt jedoch gemacht, so lehrt die Geschichte jedenfalls, versinken nicht wenige Bands in selbstzufriedener endloser Wiederholung etablierter Schemata. Bereits recht früh in ihrer Karriere haben Xiu Xiu Strategien entwickelt, dieser Lähmung nicht ebenfalls anheimzufallen. Pausenlos pendeln sie zwischen Extremen, sowohl was die Gestaltung ihrer Songs als auch ihrer Alben angeht. Für jeden Wohlklang gibt es ein entstelltes Krächzen, für jeden harschen Lärmangriff ein tröstendes Kunstlied. Beinahe zwingend logisch scheint also, dass auf den kompromisslos reduzierten Vorgänger „Angel Guts: Red Classroom“ mit „Forget“ ein Album folgt, dass wieder vermehrt Interesse an konventionellen Songstrukturen zeigt.

Die hermetischen Räume öffnen sich also und lassen die Gegenwart hinein, ohne dabei Jamie Stewarts gespenstischen Gesang oder die allgegenwärtigen Störgeräusche zu vertreiben. Vielmehr versucht sich das Kollektiv daran neue Wege zu finden, den alten Affen Noise mit neuer Energie weiterhin tragbar zu machen. Bereits im Opener „The Call“ verdichten Xiu Xiu hierzu anrüchige Pseudo-Rap-Samples, dröhnende Gitarren und nervöse Synthesizer zu einem minimalistischen Tanzstück, dessen Aufforderung „Clap Bitches“ gleichermaßen bedrohlich wie motivierend wirkt.

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Die hier gelegte Fährte wird im Laufe der Platte immer weiter verfolgt, lässt sogar Raum für eine lässige Gitarrennummer wie „Get Up“, die man sich auch gut von einer dieser mäßig ambitionierten 90er-Slacker-Bands vorstellen könnte, wäre Stewart eben nicht Stewart und würde ab und zu doch die Beherrschung verlieren, die Etablierung dudeliger Synthsounds inklusive. Dass die Ruhe hier ohnehin mehr mit morbider Melancholie denn tatsächlicher Entspannung zu tun hat, das zeigt auch die einfühlsam inszenierte Ballade „Petite“. Der Tod ist textlicher Fixpunkt auf „Forget“, schwebt als absurde Fantasie und ernsthafte Bedrohung über allen Stücken.

Das titelgebende Vergessen bleibt damit auch ein gescheitertes Unterfangen, obwohl es sich ja gerade dabei um das große Versprechen der Popmusik, insbesondere ihrer hedonistichen Auslegung handelt. Xiu Xiu bedienen sich hier mehrmals an Clubmusik, gerade im Titeltrack, der mit einem sturen Beat nach vorne peitscht, letzten Endes jedoch an Glitches scheitert. Stewart wiederholt dazu im Hintergrund immer wieder die Maxime „Forget, forget, forget“ in dem ihm eigenen weinerlichen Tonfall, der für sich genommen bereits nahelegt, dass hier eben gar nichts vergeben und vergessen ist. Auch musikalisch exemplifiziert „Forget“ diesen Umstand immer wieder, etwa in der desolaten Industrial-Variation „Jenny GoGo“, die die Tristesse des Vorgängers wieder sehr deutlich greifbar macht.

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Am Ende, wenn der Closer „Faith, Torn Apart“ einsetzt, hängt dann auch tatsächlich alles wieder in den Seilen. Ähnlich wie im Falle ihrer letztjährigen Adaption des Twin Peaks Soundtracks plustern sich Xiu Xiu nochmal voll auf, servieren klirrende Sounds und ein von Vaginal Davis vorgetragenes Gedicht, das sich mit explizit queeren Problemen auseinandersetzt. Am Ende steht jedoch eine allgemeingültige Erkenntnis: „I was born dead/And I was born to die“. Es ist diese letzte Gewissheit, die sich auch durch einen Song wie „Get Up“ schlängelt, in dem Stewart davon berichtet, von einem herabfallenden Piano getroffen und getötet zu werden.

Er selbst ist es letzten Endes auch, der das Drama unweigerlich in die Musik der Band bringt. Der erhabene Goth-Pop in „Queen Of Losers“, das eingängige, sogar mit einem richtigen Refrain aufwartende „Wondering“, allesamt werden sie von Stewart nicht gesungen, sondern vielmehr heimgesucht, und eben daraus ergibt sich das Spannungsverhältnis, welches auch Xiu Xius 13. Studioalbum zu einem gleichermaßen schönen wie schmerzlichen Vergnügen macht.

„Forget“ erscheint am 24.02. via Altin Village & Mine auf Platte, CD und digital.