An diesem diesen Dienstag-Abend haben mehrere Menschen die weite Reise in das Berliner Funkhaus angetreten, um sich um Alt-J zu versammeln. Die drei Musiknerds aus dem englischen Leeds haben dort zum exklusiven Deutschland-Konzert geladen – präsentiert von Testspiel.
Einst kamen Menschenmassen in Kirchen zusammen, um Gott zu huldigen. Heute stehen sie erhoben auf Stufen, um Alt-J zu huldigen. Das Funkhaus bietet mit einer riesigen Orgel im Hintergrund und der Band in einem Graben in der Mitte des Raumes eine beeindruckende Kulisse – die perfekte Kirche für eine Messe einer der bis dato beeindruckensten Erfolgsgeschichten im Pop.
Im Bühnebild verzichtet Alt-J, wie das aktuelle Album „Relaxer“, vollständig auf dekorative Elemente. Erst ein paar Tage ist die dritte Platte von Joe Newman, Gus Unger-Hamilton und Thom Green auf dem Markt und trotz der mäßig ausfallenden Kritiken ist das Publikum, das den Jüngern gleicht, bereit, die Songs der Band, wie die frohe Botschaft, in empfang zu nehmen.
Gleich dem dritten Werkes wird auch der Abend mit der Single „3WW“ eröffnet und sofort spürt man mit einem etwas schmerzenden Gefühl in der Magengegend, was man beim reinen Hören vermutet hat: Die einstige Hoffnung der Indie-Pop-Welt droht sich in der Belanglosigkeit hübscher Melodien zu verlieren.
Während des Sets von rund 15 Liedern, von denen am Ende des Abends zu wenige hängen bleiben, offenbart sich diese Langeweile, die die neuen Songs im Kern ausmacht.
Und auch die Engländer verlieren sich manches Mal in ihrer Erhabenheit, obwohl sich das Konzept einfacher Gitarrenmelodien untermalt mit Streichern und manchmal einem Hauch Percussion doch perfekt in diese Location fügt. Die Stimme von Sänger Joe Newman wird bei stimmungsvollen Parts ohnmächtig. Ganz und gar nicht ohnmächtig hingegen ist das Publikum. Das tanzt, singt mit und huldigt dem alten Glanz der ersten beiden Alben.
Das Publikum, von der schweren Wärme im Saal betäubt, zelebriert das Dahinplätschern dennoch messenähnlich. Bei Klassikern, wie „Taro“, „Löst Frau“ oder „Left Hand Free“ huldigen sie den Musikern. Erst als diese merken, dass die Zuschauer ihnen wohlwollend und treu gesinnt sind, beginnt sich die Verkrampfung in Entspannung zu wandeln. Ansagen gibt es nicht. Ab und an wird ein „Danke“ genuschelt.
Nach ziemlich genau 90 Minuten beenden Alt-J eine gute Show, und lassen Berlin etwas wehmütig zurück. Eine Location, die wirkt, als wäre sie 1951 nur für dieses eine Konzert gebaut worden, und ein Publikum voller Gläubigen – es hätte ein denkwürdiger Abend werden können. Stattdessen war es ein ungeschicktes, aber aufrichtiges Wiedersehen, das von der Erinnerung lebt.