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Antilopen Gang – Aversion (Kritik)

Obschon „Aversion“ das erste vollwertige, eigenständig produzierte Album der Antilopen Gang ist, fühlt es sich wenn überhaupt nur phasenweise wie ein Debüt an. Kein Wunder, die Crew hat bereits zahlreiche Vorläufer erlebt und Mixtapes sowie Alben gratis im Internet veröffentlicht, auf denen viele Eckpfeiler ihres musikalischen Schaffens vorab definiert wurden: der absurde Humor, die konkreten politischen Ansagen und eine generelle Haltung, dazu Musik zwischen Synthie-Massaker und Gitarrenmusik. Im Grunde lassen sich diese Grundkomponenten auch auf das offizielle Debüt übertragen.

Wenn also im ersten Song von der „neuen Antilopen Gang“ die Rede ist, darf man das als überzogene Ansage werten. Hier wird verdichtet, konkretisiert, verfeinert, aber nichts neu erfunden, was die Gang nicht vorher schon angedacht hätte. Viel mehr geht es in dem Song darum, die bisherige Karriere und den neusten Schritt zum namhaften Label JKP (auch bekannt als das Label der Toten Hosen) ironisch aufzuarbeiten. Schon in diesem Song wandeln Danger Dan, Panik Panzer und Kolljah mehrmals auf dem schmalen Grat zwischen Selbstironie und Selbstkritik. Man darf sich von Zeit zu Zeit fragen: meinen die das ernst oder reißen sie nur Sprüche? Genau diese Momente sind es, die „Aversion“ zu einem spannenden Album machen.

Doch natürlich widersteht man dem Reiz des Selbstreferentiellen und verlagert sich immer mal wieder ins Feld der Gesellschaftskritik. „Ikearegal“ räumt mit Gleichschaltung und Leistungsgesellschaft auf, „Anti Alles Aktion“ bekennt sich mit rumpelnden Gitarren zum Punk und „Beate Zschäpe hört U2“ ist nicht nur Anwärter auf den Songtitel des Jahres, sondern auch eine vielschichtige Betrachtung des alltäglichen Rassismus in Deutschland.

Leider schimmern nicht alle Stücke auf dem beinahe einstündigen Album so hell. Im Laufe des Albums fällt auf, dass das zwar alles ordentlich produziert ist, manchmal aber der ganz große Hit oder der wirklich überragende Beat fehlen. Im Bereich des Songwritings könnte man außerdem etwas mehr Abwechslung in den Aufbau der Tracks bringen, die sehr oft auf einen poppigen, manchmal etwas zu gefälligen Refrain hinauslaufen. Und einen Song wie das kalauernde „Ibiza“, dass sich nicht zwischen Weltuntergangsstimmung und Rave/Jan Delay Gedisse entscheiden kann, hätte man auch getrost unter den Tisch fallen lassen können.

Nichtsdestotrotz hat die Antilopen Gang das Potential viele Menschen abzuholen, die sich momentan im Mainstream des deutschen Hip Hop allein gelassen fühlen. Denn obwohl sie mit dem Pop flirten sind die drei Rapper eben nicht die nächste langweilige Mittelstandskombo, sondern „Trümmermänner“ und „Outlaws“, die in ihren Songs mehr liefern als stupide Posen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich nicht auf dem Schritt in die Selbstständigkeit ausruhen und stattdessen an ihren Fähigkeiten als Songwriter arbeiten. Dann könnte uns in den nächsten Jahren Großes bevorstehen.

„Aversion“ steht seit dem 7. November in den Läden. In den letzten Tagen haben wir euch bereits mit aktuellen Videos versorgt, hier deswegen noch mal der erste Vorbote „Der goldene Presslufthammer“.

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