Wieso schreibe ich hier über Dagobert? Habe ich nichts Besseres zu tun? Fasziniert mich seine Geschichte? Will ich hip sein? Oder interessiert mich tatsächlich die Musik? Wenn ja, warum bespreche ich dann nicht irgendein anderes Schlageralbum, sondern Dagobert? Die Fragen rund um den Ex-Schweizer-Jetzt-Berliner haben sich in den zwei Jahren seit seinem Langspieldebüt kaum geändert, ebenso wenig wie Dagoberts Musik. Der sogenannte „Indie-Schlager“ ist nach wie vor steril ausproduziert von Markus Ganter und folgt tendenziell der alten Schule, file under Chanson und Schmachtfetzen. Finger im Po, Mexiko und grelle Synthesizer sind nicht das Metier Dagoberts, stattdessen dominieren seichte Gitarren, schunkelnde Drums und sehnsüchtige Texte über Frauen. Vorgetragen werden sie von Dagoberts leicht angeschwizerdütschter Stimme mit bereits bekanntem Hang zum Croonertum, die man durchaus als Stärke verzeichnen kann. Der Rest deutet verschämt in Richtung Guilty Pleasure.
Es ist natürlich der Kontext, in dem Dagobert stattfindet, der ihn aus der peinlichen Ecke rausboxt: Vertrag bei Buback, produziert von dem Mann hinter Sizarr und „Hinterland“, fünf Jahre lang nur von Reis ernährt, Mille von Kreator zu Gast für ein kleines Gniedelsolo. Das ändert aber nichts daran, dass Dagobert den alten Schlager nicht umkrempeln möchte. Thematisch bleibt er sich selbst auf „Afrika“ treu, es geht um Frauen und seine Probleme mit ihnen. Sie wollen ihn nicht, er will sie, manchmal aber auch nicht, also ab nach Afrika und mit den Affen „Uah, uah – Ah“ machen. Dagoberts Texte pendeln zwischen Dadaismus, charmanter Naivität und kindlichen Reimen, offenbaren oft aber auch ein zweifelhaftes Frauenbild; man höre da nur „Zehn Jahre“ – wenn das keine Objektivierung voller Zweckreime ist! Aber dann kommt Dagobert mit großen Augen angeschlurft, über einem billigen Beat, mit unbeholfenem Geklimper und einer irgendwie aufrichtigen Trauer und Schwermut. Nicht immer trifft er den richtigen Ton, langweilt auch mal oder versucht sich an deplatziertem Retro-Futurismus („Am Natronsee“), aber es gibt eben doch diese Momente!
Sie liefern etwas, das dann am Ende doch vielen Schlagermenschen abgeht: Fehlende Komplexität nicht mit Austauschbarkeit zu verwechseln. Damit erwischte mich Dagobert tatsächlich schon einmal, als ich mir kopfschüttelnd „Hochzeit“ zu Gemüte führen wollte, das ironische Lächeln schon auf die Backen getackert. Eiskalt erwischte mich da ein nüchternes, direktes, altmodisches Liebesbekenntnis. Ironie und Ernst trafen aufeinander, und damals wie heute weiß ich nicht genau, was das jetzt eigentlich sein soll. Kann ich das wirklich gut finden, frei von irgendwelchen ästhetischen Grundfragen, sondern ganz persönlich auf mich bezogen? „Afrika“ liefert keine neuen Antworten auf diese Frage, bleibt mit seinen Schwächen trotz ergreifender Momente aber am Ende abseits aller Probleme doch nur obskurer Durchschnitt.