Knapp fünf Jahre nach ihrem zweiten Album „I Love You Dude“ sind Digitalism mit einem neuen Album zurück: Das 15 Tracks starke „Mirage“ erscheint morgen. Ich habe Jence und Isi zum Interview getroffen und mit Ihnen über Albumtitel, Lieblings-Tracks und ihre Erwartungen an die bevorstehenden Live-Gigs gesprochen. Außerdem haben Fotograf Björn und ich mit den beiden ein Interview ohne Worte geführt und sie darin einzelne Tracks pantomimisch darstellen lassen. Ein Heidenspaß! Zur Fotostrecke geht’s hier lang.
Ihr habt das Album in einer sehr intensiven kurzen Zeit runtergerockt. Jetzt ist die Schaffensphase erst mal vorbei. Wie fühlt ihr euch? Seid ihr froh, dass es vorbei ist oder traurig?
Isi: Also, eigentlich ist die Schaffensphase ja nie vorbei. Ich finde die Phase nach einer Albumveröffentlichung immer anstrengender, mit den ganzen Promo-Terminen, Live-Show-Vorbereitungen, dem Artwork, das gestaltet werden muss, die Remixes, Interviews… Die Zeit danach ist eine positive Zeit aber auch – für mich – anstrengender. Man muss viel mehr machen.
Jence: Es ist das selbe Arbeitsvolumen (lacht), aber einfach anders. Wenn wir den ganzen Tag im Studio sitzen, um Musik zu machen, ist das ja so, dass wir daran arbeiten, am Ende des Tages mit einem neuen Song nach Hause zu gehen. Und nach dem Release sitzen wir dann da und schreiben Mails und remixen und machen den Live-Show-Plan. Es ist einfach was anderes. Ich finde es gut, dass sich das abwechselt, damit man mal was anderes machen kann.
Aber gibt es denn nicht so etwas, wie eine gewisse Genugtuung, dass ihr jetzt was Neues im Gepäck habt, das ihr präsentieren könnt?
Jence: Ja! Das ist so, wie wenn man Gäste zum Dinner geladen hat, hat das ganze Essen vorbereitet – und jetzt kann man sich erst mal hinsetzen und das verzehren. Sagen wir mal so: Wir fühlen uns jetzt nicht gerade, als müssten wir jetzt zehn neue Songs machen diese Woche, da haben wir jetzt erst mal in Überlänge abgeliefert.
Wie würdet ihr euer Album mit nur einem Wort beschreiben?
Jence: Ich würde sagen: bunt
Isi: Das würde ich auch sagen.
Und warum?
Jence: Weil die 15 Songs, die da drauf sind, nicht alle gleich klingen. Und der Titel „Mirage“ hat auch was Fantastisches – und dementsprechend auch Buntes. Da sind sehr viele Farben mit drin.
Isi: Für mich ist es eine Zeitreise. Mit Farben zu den Elbbrücken. Weil viele Tracks – das klingt jetzt vielleicht arrogant – zeitlos sind. So ein Track wie „Utopia“ kann man sich bestimmt 100 Mal anhören, ohne dass es einem auf den … geht.
Oder weil er auch Referenzen in die Vergangenheit mitbringt?
Isi: Auch, im Unterbewussten.
„Mirage“ heißt übersetzt Trugbild/Fata Morgana. Wie seid ihr darauf gekommen, gleich zwei Stücke und dann noch das Album so zu nennen?
Jence: Der Albumname kam zuerst. Der kam, als wir rund 80 Prozent des Albums aufgenommen hatten. Als Idee, als Konzept. Das steht für etwas, was man nicht ganz greifen kann, was nicht wirklich da ist und was auch schnell wieder verschwinden kann. Und wo man dann zwei-/dreimal hingucken muss. Es steht also insgesamt für etwas sehr Flüchtiges. Ich will damit nicht sagen, dass unser Album flüchtig ist. Aber ich kann mir vorstellen, dass viele Leute das Album zehn Mal hören müssen oder wollen, weil es dann auch schon wieder vorbei ist. Weil man an ganz vielen Stellen vorbeikommt, die überraschend sind. Und man weiß auch gar nicht, was einen da erwartet. Es ist ein bisschen so, als ginge man ins Spiegelkabinett auf dem Hamburger Dom. Da kommt auch an jeder Ecke was Neues. Und dann hatten wir dieses Arpeggio-Thema (wenn die Töne eines Akkordes hintereinander gespielt werden), das in beiden Mirage-Tracks drinsteckt. Und wussten nicht genau, in welche Richtung wir damit gehen wollen. Und haben einfach zwei Tracks draus gemacht.
Isi: Man kann das auch so sehen: Das Material war einfach so gut, dass wir zwei Tracks draus gemacht haben.
Welcher Track ist euer Lieblingsstück?
Isi: Alle fünfzehn!
Jence: Also für mich ist das im Moment „Destination Breakdown“. In dem Track steckt so viel drin, damit ist schon vieles gesagt. Aber das wäre unfair den anderen Songs gegenüber, das wechselt auch täglich.
Für mich ist „Mirage“ ein recht poppiges Album geworden mit Beats, die nicht ganz so tief in die Magengrube gehen, wie man das von alten Tracks wie Miami Showdown kennt. Wie steht ihr dazu?
Jence: Dieses Mal haben nicht wir selbst das Album abgemischt sondern jemand, der mit Paul Epworth, dem Produzenten von Adele, zusammenarbeitet. Wir hatten nach den 15 Stücken einfach keine Lust mehr, das auch noch zu machen. Das dauert dann gut noch mal ein Jahr, bis das alles fertig ist. Wir wollten aber auch die Songs für sich sprechen lassen. Wir fanden: Egal, wie es gemischt ist – der Song ist der Song. Ob da jetzt der Bass noch lauter ist, das ist dann auch egal. Wenn er so nicht funktioniert, funktioniert er anders auch nicht. Es ging uns also dieses Mal nicht so sehr ums Sounddesign. Viele Songs sind auch in der selben Tonart. Oder wir haben die gleichen Drumsets genommen für bestimmte Songs. Einfach weil es nicht darum ging, drei Tage lang die perfekte Snare-Drum zu suchen. Sondern einfach darum, dass da eine Snare ist. Oder eine Kick-Drum. Es ging nicht darum, wie die genau klingen. Sondern dass sie saftig genug sind -und das war’s. Und auf der anderen Seite haben wir mehr Hooks in den Songs, diesmal. Wir haben seit dem letzten Album viel dazugelernt. Und uns einfach weiterentwickelt.
Aber es ist einfach ein anderer Style, als man das, was man von früher von euch kennt.
Isi: Das ist interessant, dass du das so siehst. Das, was wir mit „Mirage“ gemacht haben ist eigentlich eher zurück zu den Wurzeln, zurück zu „Idealism“. Es ist poppig, auf jeden Fall. Ich würde aber nicht sagen, dass wir da unsere Wurzeln verlassen haben und es was komplett anderes ist. Deshalb nennen wir das Album auch bunt, weil es so vielseitig ist. Einen Track wie „Arena“, den kann man auch im Club spielen. Der sich angleicht an Tracks wie „The Pulse“ oder an unsere French-House-Zeit, weil es sehr stampfig ist. Oder auch „Blink“ – das könnte auch „Blink“ sein. Es kommt einem vielleicht softer vor, oder einfach anders. Aber das Böse ist auch da. Wenn man die Tracks beispielsweise bei „Destination Breakdown“ anhört, – in dem Track sind ja eigentlich drei Songs enthalten – kommt nach dreineinhalb Minuten schon das Böse durch. Es ist da, es schwingt mit – zum Beispiel auch bei „Mirage II“. Es ist quasi immer ein Wechsel von Gut und Böse. Auch das leichte Kratzen bei „Utopia“ oder auch bei „The Ism“ – da ist es das fröhliche Böse, zum Beispiel, wenn das Sample einsetzt. Ich würde sagen: Das Böse ist da. Und das ist auch das Gute, dass man sagt, „ich hab da jetzt reingehört, ist halt nicht so wie sonst“, aber dass es trotzdem da ist.
Jence: Das ist ein gutes Stichwort. Selbst, wenn es manchmal nicht offensichtlich ist, lauert es gleich um die Ecke. Darauf kann man sich verlassen.
Isi: Ich würde sagen: Das Album ist vielleicht sehr melodisch. Aber es hat auch seine dreckigen Seiten.
Ihr werdet ab Mai zwei Gigs in Köln und Berlin spielen und dann auf einigen Festivals am Start sein und „Mirage“ im Gepäck haben. Was erhofft ihr euch von diesen Liveauftritten für Reaktionen im Publikum?
Isi: Ich erwarte erst Mal keine Reaktionen, ich stelle mich da hin und spiele.
Jence: Wäre schön, wenn das Publikum schön abgehen würde. Wir sind uns aber dessen bewusst, dass wir eigentlich erst mal wieder bei Null anfangen müssen. Wir waren ja einfach lange nicht da. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Die Leute müssen ja erst mal die Platte hören, und dann geht das ja schon los mit den Festivals.
Isi: Ich freue mich auch, live zu spielen. Das ist ja immer noch was anderes. Und wer uns kennt, weiß auch, dass wir live immer noch ganz anders klingen. Es wird nicht langweilig. Das kann ich nur dazu sagen.
Wer Digitalism live erleben möchte – hier sind die Dates:
06.05. Köln – Gebäude 9
13.05. Berlin – Ritter Butzke
24.06. Scheessel – Hurricane Festival
25.06. Neuhausen o.E. – Southside Festival
17.07. Gräfenhainichen – Melt! Festival
13.08. Saalburg – Sonne, Mond und Sterne Festival
26.08. CH-Zürich – Zürich Open Air