StartKritikenDenyo - Derbe (Kritik)

Denyo – Derbe (Kritik)

Überall kommen sie wieder hervor, die abtrünnig gewordenen MCs der 90er Jahre. Denyo hatte es in der Zeit seit dem Ende der Beginner unter anderem mit einem Singer/Songwriter Album und der Moderation einer Hip Hop Show bei Vox versucht, „Derbe“ markiert die Rückkehr des Solokünstlers Denyo abseits des Comebacks seiner Crew zum Rap. Nun gibt es natürlich bereits diverse Muster, wie eine solche Rückkehr aussehen kann, unter anderem bleiben die Inszenierung als Grandsegnieur, als gereifter Künstler oder das krampfhafte Ringen um den Zeitgeist. „Derbe“ hätte mit Blick auf den Hashtag, den man dem Albumtitel für die erste Single verpasst hatte, leicht als Letzteres abgestempelt werden können, doch tatsächlich fühlen sich große Teile des Albums sehr unverkrampft zeitgemäß an. Die Beats sind durchweg geprägt von modernen Strömungen wie Trap oder Postdubstep, die Stimme ist häufig mit Autotune bearbeitet. Denyos reduzierter, leicht nöliger Flow passt wunderbar zu diesem Stil und so funktionieren Songs wie eben „#Derbe“ besser, als sie eigentlich sollten.

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Passend dazu versetzt sich Denyo textlich in die Rolle des Feiernden, der sich seines Alltags und seines Lebens als Enddreißigers dennoch bewusst ist. Zwischen diesen beiden Polen spielt sich das Album ab, zeigt Denyo zugleich als Vater in Erklärungsnot und als juvenilen Prominenten. Das ist nicht übermäßig kreativ, oft aber äußerst unterhaltsam, etwa im knackigen „WrkHrd“, das mit weiblichen Vocals aufwartet. Immer wenn Stimme und Beat harmonieren, funktionieren die Tracks auch abseits übertriebener textlicher Raffinesse. Wenn das Gleichgewicht jedoch kippt, wie im diffusen „Wunderschöne Frauen“, in dem Denyo unter dem Instrumental vergraben wird, oder im allzu pathetischen „Gegenwind“, schleichen sich verzichtbare Tracks ein. Ein Paradebeispiel für die Harmonie zwischen Text und Musik ist hingegen „Kein Bock“, auf dem Denyo gemeinsam mit Jan Delay und Sido in die Rolle des genervten Prominenten schlüpft. Auch hier findet keine Innovation statt, alleine das Personal garantiert jedoch kombiniert mit dem harten Beat beste Unterhaltung, spätestens wenn im letzten Teil des Songs der angesprochene, lästige Fanboy karikiert wird.

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Das einzige andere Feature des Albums liefert mit Torch ein weiterer renommierter Deutschrapper, der gekonnt die Hook des Songs „Papa“ übernimmt. Auch hier bewegt sich Denyo auf sicherem Terrain, das Erklären des Lebensstils, gerade einem Kind gegenüber ist wohl bekannt, wird jedoch perfekt in Szene gesetzt. Man hätte bei allem Wohlwollen nicht erwartet, dass „Derbe“ über weite Strecken so angenehm frisch und ungestüm daherkommt, wie es in den besten Momenten der Fall ist. Zunächst hatte Denyo übrigens mit seinen aktuellen Songs das EP-Format angestrebt; hätte er es dabei belassen, hätte es sich hierbei um eine rundum gelungenes Release handeln können. Immerhin ist es packender und relevanter als alles, was sein deutlich prominenterer Kollege in den letzten Jahren abgeliefert hat.

7/10

„Derbe“ erscheint heute. Wenn ihr euch von den Qualitäten des Werkes überzeugen wollt, dürft ihr gerne bei Spotify reinhören. Ein anschließender Gang in den Plattenladen eures Vertrauens wird empfohlen, wenn euch das Gehörte gefallen hat.

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