Malte orakelt schon 20 Tipps für 2020 heraus, da haben wir am anderen Ende des Blogs den Kassensturz 2019 noch gar nicht durchgerechnet. Nun stehen sie aber fest: Zehn Alben, die die Redaktion in diesem Jahr beschäftigt, uns aus dem Nichts mit Thrash Metal überfallen, die Wartzeit mit einem Doppelalbum oder zumindest ausgefeilten Songs entschädigt, uns mit wirren Strukturen auf links gedreht oder einfach ziemlich gut unterhalten haben. Es ist in jedem Fall eine ziemlich subjektive Liste geworden, bei der einige Favoriten auf der Strecke geblieben sind und andere Höhepunkte komplett unter den Tisch gefallen sind (vollkommen zurecht hat Marc zwischendrin gefragt, was denn nun eigentlich mit Billie Eilish ist – ich weiß es auch nicht!). Um den zehn Alben dort unten nicht zu viel Ballast zuzumuten, haben wir uns gegen Platzierungen entschieden. Fleißige Leseratten können den ersten Platz zwar noch erschnuppern, insgesamt geht es uns dieses Mal aber nicht ums Ranking, sondern zu zeigen, welche Musik wir 2019 so mochten.
Black Midi – Schlagenheim
Manchmal ist es schön, Hypes zu erstmal verpassen, dann irgendwo was über das neue, revolutionäre Ding aufzuschnappen, gerade genug, um hellhörig zu werden, mit diffusen Erwartungen in das zugehörige Album zu stolpern und dann vollkommen übers Knie gelegt zu werden. Beeindruckend an Black Midi ist nämlich nicht nur, was sie alles können, sondern vor allem, wann sie es zeigen. Das Quartett kann nämlich einiges, wirren Gesang zwischen Neo-Soul-Funk und Wisper-Indie, Longtracks und kurze Abfahrten, nicht zuletzt auch zusammengeschustertes Drumming, aber es muss nicht immer alles ineinanerkrachen. Im Gegensatz zu (tollen, beeindruckenden!) Kollegen wie den Battles, an die man hier doch das ein oder andere Mal denken muss, machen es sich die Kollegen auch einfach mal bequem, bummeln ein bisschen, schauen was passiert, wenn man bei voller Fahrt anhält und mal den Kopf in die Bluemwiese packt. „Schlagenheim“ ist kein perfektes Album, aber eines, das durchweg Spaß macht, und neugierig auf das, was da beim nächsten Mal noch am Wegesrand liegen kann. (Sebastian)
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Dendemann – Da Nich Für!
Gerade nochmal nachgehört: Doch, Dendemann hat da schon was Gutes gebacken. Etwas Abstand von der vielbeklatschten Neo-Magazin-Royale-Renaissance, den Vergleichen und der blöden Erwartung, hier nun den Klassiker liefern zu müssen, tut „Da Nich Für!“ gut, einem Album, das definitiv mehr richtig als falsch macht. The Krauts waren eine angemessene Wahl für diesen Ansatz; sie schaffen den passenden Rahmen für Samples, Gäste und Lines, die vor allem auf Perfektion eines Handwerks ausgelegt sind. Am besten ist die Platte jedoch, wenn sie atmen kann, „Keine Parolen“ nach hinten durchknallt, „Da wo ich wech bin“ im Leerlauf Gas gibt, „Menschine“ stolz ein hart ergrabenes Sample präsentiert, Casper in „Alle Jubilare wieder“ seine Feierwut fortführen darf. Klar, am Ende wohl eine Art Platte für die Ewigkeit, macht aber mehr Spaß als Sammelsurium für den Moment. (Sebastian)
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Fatoni – Andorra
Während das Album „Andorra“ mit Jazztrompeten einsetzt, macht sich bei mir Gänsehaut breit. Zum Ende des Openers „Alles zieht vorbei“ spricht Dirk von Lowtzow und ich weiß: Da kommt was Gutes auf mich zu. Mit „Die Anderen“ und „Clint Eastwood“ kommen alle drei Single-Auskopplungen direkt am Anfang, ein kluger Schachzug von Fatoni und seinem Produzenten Dexter. Zwar nimmt danach die Qualität mit jedem Song ein Stück weit ab, aber am Ende ist „Andorra“ immer noch ein richtig gutes Album. Dennoch kommt es nicht an das Meisterwerk „Yo, Picasso“ von 2015 ran, doch eins ist sicher: Fatoni ist auf der nächsten Stufe angekommen. (Erik)
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King Gizzard & the Lizard Wizard – Infest the Rats‘ Nest
Ganz ehrlich: Wie gut sind bitte King Gizzard & The Lizard Wizard?! Dass ich alleine schon die Wahl treffen konnte welches ihrer zwei in sich geschlossenen genialen Alben von 2019 in unsere Top 10 erkoren gehört, spricht für sich. Am Ende gewinnt ihre Thrash Metal-Hommage „Infest The Rats‘ Nest“ – das 15. Album, das sie seit ihrem Bestehen 2010 auf den Markt gebracht haben. King Gizzard & The Lizard Wizard liefern Qualität UND Quantität. Das uneheliche Kind von Metallica, Slayer und Black Sabbath – wo die Vaterschaft nicht endgültig geklärt ist – kommt musikalisch extrem verdichtet daher. Die Leidenschaft der Australier für Konzeptalben geht auch bei diesem Werk auf. Zu den rabiaten Klängen, erzeugt durch ein konsequent wildes Schlagzeugspiel und aggressive Gitarren, kommt der Gesang des Frontmanns Stu Mackenzie, der vor purer Wut nur so strotzt. Bei „Planet B“ versucht er uns unbelehrbaren Dummköpfen begreiflich zu machen „Open your eyes and see there is no Planet B!“. Trotz und gerade aufgrund der Affinität der Psych-Rock-Band für dystopische Sci-Fi-Geschichten hört man diesem Album die Intention eines Weckrufs an, das mit verstörenden Botschaften gespickt ist wie auf „Self-Immolate“, wenn es im Refrain heißt: „I want to be set on fire“. Was King Gizzard & The Lizard Wizard definitiv on fire setzen, sind unsere Gehörgänge. (Helen)
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KUMMER – Kiox
“Ich mach´ Rap wieder traurig”
“KUMMER” – bisher bekannt unter dem Pseudonym “Felix Brummer” als Frontmann der Band “Kraftklub” oder seinem Alter Ego “Carsten Chemnitz” – hat in diesem Jahr unter seinem Nachnamen “Kummer” ein Album rausgehauen, das ebenso überraschend anders wie erfrischend ehrlich ist. “KUMMER” schafft es, einen wichtigen, tiefen Nerv zu treffen, der weit weg von “Modus Mio”, teuren Luxusmarken, Sexismus und Homophobie oder der ewigen Selbstbeweihräucherung im Deutschrap liegt. “KIOX” ist kein glattes, perfektes Produkt, das daherkommt wie eine gelackte Mercedes C-Klasse. Es wirkt eher wie der Kratzer oder die Beule auf der Motorhaube bei der man darüber nachdenkt, wie diese wohl dort hingekommen ist. Das macht dieses Album so gut; „KUMMER“ versucht gar nicht erst sich selbst zu beschönigen und nimmt sich trotzdem heraus Dinge anzuzweifeln und macht gesellschaftliche Missstände messerscharf intelligent deutlich. “KIOX” könnte durch seine Andersartigkeit im zum Großteil durchkommerzialisierten, homogenen Deutschrap auch für 2020 wegweisend sein. Er legt einen pointierten Balanceakt hin, in dem er zwischen Befindlichkeits-Rap und Gesellschaftskritik, sich selbst und das was um ihn herum passiert, kritisch reflektiert und gleichzeitig eines der lyrisch stärksten deutschsprachigen Alben auf die Beine gestellt hat. Ich bin gespannt auf mehr. (Henry)
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Toro Y Moi – Outer Peace
Und da haben wir ihn, unseren Gipfelstürmer – Toro y Moi mit Outer Peace. Wie er es auf die Eins geschafft hat? Wissen wir selbst nicht – nein, Spaß beiseite. Allein mit Ordinary Pleasure hat Mr. Moi und Band einen unglaublich funkigen Hit, wenn nicht sogar DEN Hit 2019 abgeliefert. Die Platte nur über diesen Song zu definieren ist natürlich großer Quatsch! Von Fading bis 50-50 wird gezeigt, dass die Zeiten des verkopften Elektro-Experimentals vorbei sind. Zumindest auf diesem Album. Über diese halbe Stunde kann sich selbst der überzeugteste Tanzmuffel nicht einem Kopfnicken verweigern. Also Frage an Euch: Was qualifiziert ein Nummer-Eins-Album mehr, als pure gute Laune und funky Beats? Wir wissen es nicht – oder um das Ganze mit einer noch nie dagewesen Phrase zu beenden: Funk yeah! (Tim)
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Trettmann – Trettmann
Die Erwartungshaltung auf das neue, zweite Album von Stefan Richter als Trettmann gemeinsam mit Kitschkrieg hätte nicht höher sein können. „#DIY“ war schließlich Trettmanns Masterpiece. Das Album wuchs in nur gut einem Jahr zum Deutschrap-Klassiker und holte alte und junge Rap-Fans wie auch die Fachpresse als auch das Feuilleton gleichermaßen ab. Aber anstatt zu enttäuschen, wurde mit „Trettmann“erneut abgeliefert. Die Erfolgesformel? Vielleicht ist es die Kombination aus den melancholischen, klugen Texten und minimalistisch, tanzbaren Dancehall-Rave Kitschkrieg Beats. Mit „Stolpersteine“ erinnert Trettmann an das Schicksal von deportierten Juden und Andersdenkenden im dritten Reich, so wie nur Tretti es kann. Das Stück Musik ist gesungene Erinnerungskultur, die sich auch für den Geschichtsunterricht eignet. Und Songs wie „Zeit steht“ (featuring Alli Neumann) oder „Intro“ sind nur ein paar der bemerkenswert guten Hits auf dem Album.
Lediglich das Gzuz Feature hätte er sich aus Gründen lieber sparen sollen. (Marc)
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Tyler, The Creator – Igor
Tyler, Wolf, Flower Boy … Igor? Ja, richtig! IGOR! Tyler, the Creator hat viele Gesichter, viele Alter Ego – aber keins war bisher zu tiefschürfend wie Igor. Auf dem namensgebenden oder -nehmenden Album, je nach Perspektive, zeigt sich Herr Okonma quasi nackt. Vollkommen zu Recht schreibt der Mann hier auf knapp 39 Minuten Geschichte. Seine ehrliche Reise vom sich Verlieben, über die Frustration des nichthaben Könnens, bis hin zur Akzeptanz, dass man manche Dinge eben nicht ändern kann, ist das erste Werk eines Solo-Rappers, dass in kompletter Eigenregie auf der 1 der Billboard 200 landete. Auch wenn Igor bei uns nicht auf der 1 gelandet ist: Tyler, the Creators aktuellstes Werk ist definitiv das Highlight seiner bisherigen Diskografie. (Tim)
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Vampire Weekend – Father Of The Bride
Sechs Jahre haben sich Vampire Weekend für ihr viertes Studioalbum genommen. Und das warten hat sich gelohnt. Über 18 Songs und eine knappe Stunde versprüht das Trio die gewohnt hohe Lebens- und Spielfreude. Charmant & elegant springen Ezra Koenig & Co. durch Country-Elemente, Surf-Gitarren, Hip-Hop-Passagen und Kaufhausmusik-Samples. Auch die Gäste Danielle Haim und Jenny Lewis tragen dazu bei, dass dieses Album in keiner Sekunde und keinem Akkord an Frische und Spritzigkeit verliert. „Father of the Bride“ ist sowohl eine Ode an die unzähligen Einflüsse der Pop-Geschichte, als auch eine Aufforderung, auch in Zukunft nicht aufzuhören, mit eben jenen zu experimentieren. Dieser Spagat zwischen komplexen Arrangements und Leichtfüßigkeit macht „Father of the Bride“ für mich persönlich zu einem der relevantesten Alben der vergangenen zwölf Monate. (Hendrik)
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Whitney – Forever Turned Around
Whitney knüpfen mit ihrem zweiten Album “Forever Turned Around” nahtlos am seichten Indie-Pop-Sound ihres viel gelobten Debütalbums „Light Upon The Lake“ an. Was anfangs wie das passende Album für den zu Ende gehenden Sommer klingt, entpuppt sich schnell als melancholischer Begleiter, der auch über die Jahreszeiten hinweg funktioniert. Am Ende groovt sich das Duo damit sogar sanft, leise und zurecht in unsere diesjährige Top Ten. (Malte)
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