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Die besten Alben 2020

2020 sind einige Alben aufgrund fehlender Tour-Möglichkeit weggeklappt, andere sind überhaupt nur deswegen entstanden; manche Hörer:innen zog der Lockdown tief in die eigene Sammlung, andere verloren sich im weitverzweigten Gegenwarts-Pop. Die Bandcamp-Freitage haben das sicher begünstigt, blüht der digitale Underground dort doch besonders wild in kleinsten Nischen. Wer die üblichen Jahreslisten gesichtet hat, ist dennoch auf klare, internationale Konsens-Alben gestoßen, obendrein hatte Vinyl ja letztens auch die beste Verkaufswoche seit Aufzeichnung dieser Verkäufe in den USA – und ganz grundsätzlich bestätigte sich der Eindruck eines guten Plattenjahres beim Sichten der Favoriten meiner Kolleg:innen hier bei Testspiel. Gewohnt weit gehen die Geschmäcker da auseinander, ein wenig Konsens konnte ich dennoch herauslesen – mal an durchaus erwartbaren Stellen, manchmal aber auch in Deutsch-Italo-Pop, frickeligem Rock aus Japan oder gar den aufgekratzten Rückmeldungen fast schon Abgeschriebener. All das ist sehr subjektiv, und genau deswegen haben wir auch in diesem Jahr wieder auf ein klares Ranking verzichtet. Stattdessen hier ein kleiner, persönlicher Einblick in zehn positive Hörerlebnisse – 2021 dann hoffentlich auch wieder live.

Crucchi Gang – Crucchi Gang

Elegant wurde der Rotwein aus der Kristallkaraffe auf den glänzend weißen Boden verschüttet. Das letzte Stück Pizza läuft Gefahr, verspeist zu werden. Im Hintergrund eine Retro Leuchtreklame vor grünen Rolläden: CRUCCHI GANG. Selten sieht ein Album-Cover exakt so aus wie die Songs klingen. „Crucchi“ – das ist eine Art italienisches Pendant zu der deutschen Beleidung „Spaghettifresser“. Ein klischeebehaftetes Fluchen unter Nachbarn wirkt nach diesem Corona-Jahr fast wie ein nostalgischer Traum. Umso schöner ist es, dass uns die „CRUCCHI GANG“ immerhin in musikalischer Form Dolce Vita und italienische Lockerheit in die Pandemie-Tristesse brachte. Die Idee zu dem Italo-Pop-Kollektiv entstand bei einem Bier im Nachklang eines Bob-Dylan-Konzerts. Francesco Wilking von Die Allerhöchste Eisenbahn, Sven Regener von Element of Crime und seine Frau und Managerin Charlotte Goltermann zogen das Ding dann 2020 endgültig durch. Lieder von Clueso, Sophie Hunger oder Thees Uhlmann erstrahlen nun in italienischer Liebe von Neuem. Von Wegen Lisbeths „Meine Kneipe“ wird zu „Al mio locale“. „Alles Grau“ von Isolation Berlin wird zu „Tutto Grigio“. Mit „Solo una parola“ haben die Crucchis nach ihrem ersten Album bereits nachgelegt. Wir bleiben gespannt auf 2021. Amore! (Henry)

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Deftones – Ohms

So ungewiss dieses Jahr auch gewesen sein mag, mit einem konnte man fest rechnen: Die Deftones werden abliefern. Nach vierjähriger Musik-Abstinenz ist „Ohms“ ein beeindruckendes Lebenszeichen der Kalifornier. Denn anders als der 2020er Festivalsommer beglücken uns Chino Moreno und Co. mit guter Musik. Mit „Ohms“ gehen die Deftones keine musikalische Revolution ein, sondern bleiben sich selbst treu. Die zehn Songs auf „Ohms“ reihen sich musikalisch nahtlos in die gewohnt harte Diskographie der Kalifornier ein. Und das ist, was wir besonders lieben: Gewohnte Qualität, Routine und keine Enttäuschungen. Die Deftones bleiben eine musikalische Instanz, auf die man auch in diesem Kackjahr setzen konnte. (Erik)

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Haim – Women in Music Pt. III

Ganz ehrlich: Ich hatte keinerlei Erwartungen an den Longplayer der drei Geschwister aus L.A. Die vergangenen beiden Platten waren netter Pop. Nicht mehr, nicht weniger. „Women In Music Pt. III“ ist nichts dagegen. Über 16 Stücke hinweg erzählen Haim kleine Geschichten von Nachdenklichkeit, Freundschaft & natürlich der Liebe. Geschichten, die man gerne hört. Besonders dann, wenn sie so unaufgeregt und nahezu meditativ eingesungen werden. Neben Ariel Rechtshaid hat sich das Trio auch Rostam Batmanglij (Ex-Vampire Weekend) mit ins Studio geholt. Die innovativen und ungehörten Stile der Beiden heben das musikalische Level der Stücke auf ein ganz anderes Niveau. Diese Kombi aus überraschenden Arrangements und in keinster Weise belanglosen Lyrics macht „Women In Music Pt. III“ für mich zu einem der Sommeralben des Jahres. (Hendrik)

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Idles – Ultra Mono

Als Punks würden sich Idles nicht bezeichnen und parieren gleichzeitig Vorwürfe ihrer Landsmänner von Sleaford Mods sich als Mittelschichtler der Working Class Mentalität zu bedienen. Was die Idles mit ihrer Musik ausdrücken ist Aufruhr, wozu sie aufrufen sind Antifaschismus und Empathie. Sie verschaffen sich ein Ventil, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen und das extrem unterhaltsam. Emotionen drücken sie auch auf ihrem dritten Album „Ultra Mono“ wie schon bei „Joy as an Act of Resistance“ in einem atemlosen hoch energetischem Energielevel auf aus. Die zwölf Songs gehen beinahe nahtlos ineinander über, ohne Platz zum Luftholen zu lassen. Um die erlösende Wirkung von Stressabbau durch Abreagieren wissen Idles nunmal nicht seit gestern. (Helen)

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King Krule – Man Alive!

Noch bevor uns gänzlich bewusst war, was für ein Jahr auf uns zukommt, erschien im Februar „Man Alive!“. Ein Album, das nicht nur auch durch eine persönliche Zeit des Umbruch geprägt ist. Wie auf den Vorgängern verarbeitet der Mittzwanziger seine Erfahrungen mit Depressionen und Drogen. Da King Krule mitten in der Arbeit am Album zum zweiten Mal Vater wurde, ist das Album sowohl in der Metropole London als auch auf dem Land aufgenommen worden. In dem Einstiegstrack „Cellular“ der Langspielplatte kann man die Aufbruchsstimmung nahezu spüren. Getrieben, atmosphärisch, klanglich vielschichtig. Weiche Gitarrenriffs, die auf brachiale Drumsounds treffen, roh wie im New Wave der 80er. Doch auch mit Jazz und Blues lässt sich King Krule (erneut) ein. Melancholisch erzählt er von Zuständen, die ihn hilflos zurücklassen, an die Grenzen des Ertragbaren führen. Ein Gefühl, das den Zeitgeist nicht treffender einfangen könnte. (Helen)

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Run The Jewels – RTJ4

Die Zeit spielt El-P und Killer Mike leider mal wieder in die Karten, doch auch ohne traurige Fügungen wäre „RTJ4“ nicht nur der vierte Geniestreich in Folge – sondern womöglich in der Tat das bislang beste Run-The-Jewels-Album, wobei derartige Vergleiche notwendigerweise hinken müssen. Der Witz ist ja, dass das Duo eigentlich formvollendet als frotzelndes Tag-Team auf der Bildfläche auftauchte, sich seitdem dennoch stetig entwickelt, was 2020 vor allem Verdichtung bedeutete. Elf Tracks, nicht um Kollaborationen verlegen, aber stets perfekt besetzt und auch in den experimentelleren Passagen auf den Punkt produziert. Zwischentöne in Lyrics und Beats gehen fast unter, weil alles hier so versiert ist und fast immer nach Hit schreit. Gag und Gesellschaftsanalyse, kruder Beat und eingängige Hook, Pharrell und de la Rocha – was manchmal kaum vereinbart scheint, bringen Run The Jewels scheinbar mühelos zusammen. (Sebastian)

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Die Sterne – Die Sterne

Frank Spilker schmeißt seine Kollegen raus, stellt einen Krisenstab auf und nennt das Ergebnis nicht nur als Band „Die Sterne“ – auch das Album trägt den Namen der Hamburger-Schule-Instanz im Titel. Was auf persönlicher Ebene womöglich unschön gewesen sein könnte, ist angesichts der band-(also, Spilker)-internen Transformationsbedürfnisse irgendwie konsequent und mit Blick auf „Die Sterne“ auch schlicht eine goldrichtige Entscheidung: Schwielende Disco, barocke Anwandlungen und krakeliger Funk kommen hier erschreckend schlüssig zusammen, in einem lockeren Sound, durch den sich Spilker als zugleich feinfühliger und mäßig beteiligter Beobachter schlägt. Während sich manche Zeitgenossen zunehmend restaurativen Tendenzen hingeben, gibt es hier frische Posen zu entdecken. (Sebastian)

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The Streets – None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive

Nach einer ausverkauften Clubtour 2019 war es nur eine Frage der Zeit, wann sich Mike Skinner mit einem „Comeback“-Album zurückmeldet. Und tatsächlich: 2020 setzte der neue Longplayer da an, wo 2011 mit „Computers & Blues“ aufgehört wurde. In typischer Manier verheiratet Skinner kleine Geschichten des Alltags mit Elementen aus Grimm und 2-Step. Trotz zahlreicher Gäste aus der weiten Welt des Pop, wie z.B. Jimothy Lacoste oder Tame Impala, bleibt der Sound von „None Of Us Are Getting Out of This Life Alive“ oft im Club. Selten klangen Wobble-Bässe und andere Elemente des Insel-Sound in den letzten Jahren so frisch. Wie gewohnt reißt Skinner dort Genre-Grenzen ein, wo andere sie aufbauen. (Hendrik)

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Tricot – Makkuro

Es ist immer so eine Sache, wenn für eine Band der Wechsel zum Major ansteht. Die japanische Math-Rock-Truppe tricot haben die Transition gewinnbringend genutzt. „真っ黒“ alias „Makkuro“ aka „Schwarz“ hat sich sogar gegen das später 2020 erschienene „10“ durchgesetzt. Popige Hooks, groovige Bassspuren und technisch lupenreines Gitarrengefrickel bringen dieses Album in unsere Liste. (Tim)

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Waxahatchee – Saint Cloud

„Saint Cloud“ von Waxahatchee hat sich gleich mit dem ersten Hören als einer meiner treuesten musikalischen Begleiter durch dieses seltsame Jahr etabliert. Nachdem mich der eher rifflastige Indie-Rock von Katie Crutchfields letzter Platte „Out in the Storm“ nie richtig packen konnte, war ich von den von Country und Americana beeinflussten Songs ihres fünften Studioalbum direkt sehr angetan. Waren es in der Vergangenheit eher einzelne hervorragende Songs, die aus Waxahatchees Veröffentlichungen herausragten, reiht sich auf „Saint Cloud“ ein wundervoller Song an den nächsten. Eine Songwritingqualität, die ich in dieser Dichte auf keinem anderen Album in 2020 gefunden habe. (Malte)

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