Vergangenes Wochenende war ich auf Einladung des Automobilherstellers Smart auf dem Coachella-Festival in der kalifornischen Wüste und habe DJ Koze direkt nach seinem Gig auf der Yuma-Stage zum Interview getroffen. Wir sprachen darüber, warum er auf dem Coachella Entwicklungsarbeit leisten muss, welcher Künstler sein Favorit auf dem Festival ist und warum es ihn kalt lässt, wenn es vor der Bühne mal leerer wird. Außerdem ging es um seine Compilation, die kommenden Freitag in die Läden kommt: Wie er Jamie xx dazu gebracht hat, einen Track beizusteuern und wie er die Künstler zu Höchstleistungen animiert hat, lest ihr ebenfalls im Interview.
Du bist zum ersten Mal auf dem Coachella. Wie war dein Auftritt? So wie du ihn dir vorgestellt hattest?
Ich hatte tatsächlich vorher gar keine Vorstellung davon, wie das hier ablaufen würde. Was ich allerdings gemerkt habe: Ich muss an meinem Renommee arbeiten, damit es in Zukunft nicht mehr so wichtig ist, wer auf anderen Bühnen spielt. Denn: Es war alle zehn Minuten total voll und dann halb leer. Das ist immer ein Indikator dafür, dass viele Leute random-mäßig vorbeikommen.
Du bist der einzige deutsche Künstler auf dem Coachella. Ist das nicht Zeichen genug, dass dein Renommee durchaus vorhanden ist?
Ja, das war ja auch nur ein Gag. Eigentlich kennt man das ja, dass man auf solchen Durchlauf-Bühnen ist. Dann steht die Sonne im Zenit und die Leute wollen in die AC-Halle. Und dann spielt noch wasweißichwer auf der Bühne und dann sind sie wieder weg. Das ist einfach so. Das Problem wird Guns ’n‘ Roses allerdings nicht haben.
Vielleicht nicht. Aber ist es nicht trotzdem ein wenig besonders, hier auf dem Coachella zu sein?
Nein, es fühlt sich nicht viel anders als in Scheeßel oder auf dem Primavera in Spanien. Ehrlich gesagt: Wenn ich den Gig anders empfinde, dann tendenziell eher schlechter als in Europa. Einfach, weil die Amis total oberflächlich und zehn Jahre zurück sind mit ihrem Musikgeschmack im Vergleich zum „old Europe“.
Du meinst, weil sie auf Calvin Harris stehen und ihn als Headliner auf dem Coachella gebucht haben?
Ja, genau. Das heißt: Ich muss da Entwicklungsarbeit leisten. Zum Glück sind ja Festivals meist sehr international und man trifft immer wieder Leute, die man kennt. Es ist schon sehr nett, hier zu sein, alles super. Ich muss allerdings sagen, dass ich die Fahrt hierher und das Hotel tatsächlich spektakulärer fand, als das Coachella selbst. Das ist aber oft so: Wenn ich reise, finde ich das immer spektakulär und spannend. Aber das Ödeste ist dann immer der Club – der sieht nämlich überall gleich aus. Egal, ob es in Kiel ist oder in Tokio: Letztendlich ist es immer nur ein Club mit Leuten und ’ner Anlage. Und so ist es hier auch. Ich appreciate alles drumherum, außer eben die Bühnensituation.
Ist es auch so unwichtig, wo man auflegt, weil man nicht den Fokus gar nicht unbedingt aufs Publikum hat und darauf, wie es reagiert?
Doch, aber da kann man keine Konstante erkennen. Das sind so viele Faktoren, von denen abhängig ist, ob der Moment jetzt gerade special wird, oder nicht. Vor allem, wenn es so viele alternative Angebote gibt, wie hier. Es ist total random: 20 Prozent der Leute sind tatsächlich da, weil sie sich freuen und sich das im Plan markiert haben. 20 Prozent sind da, weil sie den ersten 20 Prozent hinterher sind, weil das Freunde von denen sind und die sich eine Airbnb-Wohnung teilen. Zehn Prozent haben einen tierischen Sonnenstich und haben das Gefühl, sie kollabieren. So setzt sich das zusammen auf einem Festival. Da darf man nicht so viel erwarten. Ein Festival ist kein Tempel der Deepness. Die Leute entscheiden sich nicht, ausschließlich zu dir zu gehen, wie das im Club der Fall wäre. Das ist aber auch angenehm, denn es befreit dann auch vom Druck. Man ist dann nicht alleine verantwortlich. Denn: Wenn man ablost, dann gibt es noch so viele andere Sachen, die wahrscheinlich überzeugend sind. Das finde ich immer ganz gut.
Welche Künstler willst du sehen auf dem Coachella?
Ich liebe Anderson Paak, den haben wir gehört, als wir zum Hotel gefahren sind. „Malibu“ heißt das Album. Erinnert an Kendrick Lamar aber mit weniger Rap und Consciousness. Fantastische Stimme, ist eigentlich ein Jazz – Schlagzeuger. Der ist morgen dran (d.h. Sonntag, auf dem Mojave-Stage, Anm. d. Red.). Da fahre ich allerdings schon wieder nach L.A.. Ich komme dann nächstes Wochenende wieder. Am Freitag spiele ich noch in San Francisco und fliege dann von dort wieder hierher für das zweite Coachella-Wochenende.
„Für die Compilation habe ich die Künstler gegeneinander ausgespielt.“
Kommenden Freitag erscheint mit „Pampa Vol. 1“ die Label-Compilation deines Labels Pampa Records. Die ist ja mit 19 Stücken ganz schön lang. Hattet ihr zu viel gutes Material zur Auswahl?
Wir wollten eine große Compilation machen, weil es uns als Label jetzt schon sieben Jahre gibt. Ich habe alle die Künstler, die auf unserem Label sind und Leute, die wir bewundern und deren Musik wir schätzen nach exklusiven Songs gefragt. Und zwar genau vor zwei Jahren mit der Ansage: „Sechs Wochen habt ihr Zeit.“
Mhhh, tja…
Deswegen ist es meiner Meinung nach so gut geworden: So diese „Slow-Food-Idea“. Weil man den Leuten Zeit gelassen hat. Normalerweise klingen Compilations nach „hab ich noch auf der Festplatte gefunden, aber fand ich nicht stark genug, um es so für sich rauszubringen.“ Und dem wollten wir entgegenwirken und haben regelrechte ISO-Standards angewendet: Jede Nummer muss ein Hit sein, was ganz Besonderes – eine Perle!
Wie habt ihr das hingekriegt?
Ich habe die Künstler gegeneinander ausgespielt.
Wie das?
Ich habe denen jeweils gesagt: „Ja, ist schon ganz gut. Aber hast du das von dem und dem schon gehört? Das ist der Knaller!“ Und dann meinten die so: „Ja, das ist ja noch besser als meins, da habe ich jetzt keinen Bock drauf.“ Da hat sich keiner lumpen lassen und ist dann noch mal ran an sein Stück. Und so hat sich das dann hochgeschaukelt.
A propos: Jamie xx hat ja auch einen Track beigesteuert. Wie kam es dazu?
Ich glaube bei Jamie ist es einfach so, dass er gute Musik diggt. Der hat einfach Bock da drauf, ist in unserem Verteiler – und hat einfach sofort zugesagt.
Wie kommt man denn an jemanden wie Jamie xx ran? Schreibt man dem einfach?
Ja, genau. Wir hatten per Mail und per Telefon Kontakt. Das alles ist eine ganz angenehme, anspruchsvolle Szene, die sich gegenseitig beflügelt.
Was schätzt du an ihm besonders?
Dass er nicht in Techno denkt. Das war auch das Tolle insgesamt: Dass viele der Künstler auf der Compilation überraschen können. Zum Beispiel auch Michel Cleis, den man vielleicht eher für seine Luciano/Ibiza-Overhits kennt hat für uns mit Sophie Hunger so fast schon Air-mäßige Nummer produziert. Ich bin immer daran interessiert, dass es nicht so engstirnig-techno-genremäßig wird. Mir ist das einfach zu öde. Wir alle appreciaten die befreiende Wirkung der graden Bassdrum, aber wissen auch, dass es noch so viel mehr gibt. Und so eben auch Jamie xx. Der weiß halt auch, was ein schöner Song ist.
„Hamburg hat seit eh und je eine subversive Haltung. Irgendwie politisch aufgeladen, auch. Da kommt das alles her. Bei uns, da fliegt der Schwindel sofort auf. In anderen Städten spielen Bands bei der Nike-Store-Eröffnung.“
Hast du selbst einen Favoriten von der Compilation?
Nein, ich nicht. Aber die größten Wellen schlägt „Nana“ („Nana“ von Acid Pauli, Anm. d. Red.). Da werden dann schon immer Schilder hochgehalten, wenn ich auflege: „Spiel‘ ‚Nana'“.
Wann gibt es denn wieder was Neues von dir selbst?
Ich habe schon 7 Prozent vom neuen Album. (grinst) Nein, also, ich habe schon vier, fünf Stücke. Eins habe ich auch hier gespielt. Das, was so klingt wie Daft Punk. Ernsthaft. Ich weiß auch nicht, das ist mir einfach so passiert in einer Nacht. Es ist zu lustig – es klingt einfach genau so. Wahnsinnig unoriginell! Und ich find’s total super. Man muss ja nicht immer das Rad neu erfinden.
Eine letzte Frage: Stichwort „Hamburg House City“ – welcher Stellenwert kommt Hamburg in der elektronischen Szene zu. International und national gesehen?
Also, Hamburg hat einen großen Stellenwert. Es ist eine sehr langweilige Stadt mit interessanten Leuten, die sehr fleißig sind. Seriously. Das ist immer ein gutes Zeichen. Die Leute sind unglaublich nett und es geht nicht viel. Das ist der beste Nährboden für Kreativität. Großstadt ist nie gut. Weil alle total vollgebombt werden mit Impulsen und kommen gar nicht auf die Idee, selber was Originäres zu machen. Wenn man Zeit hat und sich langweilt, ist das das beste für die Kreativität. Man hat nicht zu viel Input und nicht zu viel Ablenkung. Der große Unterschied zu anderen Städten ist, dass Hamburg seit eh und je eine subversive Haltung hat. Irgendwie politisch aufgeladen, auch. Da kommt das alles her. Bei uns, da fliegt der Schwindel sofort auf. In anderen Städten spielen Bands bei der Nike-Store-Eröffnung.
Könnte das nicht in Hamburg auch passieren?
Nicht wirklich. Nicht von den Protagonisten der Szene. Sei es Indie, Hiphop, House oder Techno. Niemals. Da gibt es irgendwie eine Ablehnung gegen das System und so was wie ’ne Haltung. Das ist eine Besonderheit in Hamburg.