StartInterviewsEF im Interview: "Liebe kennt keine Grenzen"

EF im Interview: „Liebe kennt keine Grenzen“

EF melden sich mit neuem Video und EP zurück. Foto: EF

Herzensangelegenheit Nummer Zwei beim Reeperbahnfestival 2016 in Hamburg: Nach meinem Interview mit Tiger Lou standen mir mit EF die zweite – mich musikalisch extrem prägende Band – Rede und Antwort. Wie so oft war alles ein bisschen knapp und spontan: Nach dem Konzert von Tiger Lou im Uebel & Gefährlich sind wir fix zum Grünen Jäger, um das Konzert der fünf Schweden zu sehen. Drinnen war es wie immer, wenn man in den Grünen Jäger geht: Heiß und voll. Wir warteten draußen, als sich plötzlich Pontus von Tiger Lou meldete und wir zum Interview zum Terrace Hill. Dadurch haben wir leider nur noch die letzten Takte von EF mitbekommen, waren aber umso froher, dass sie nach dem kurzen Zusammenpacken der Instrumente direkt nach dem Interview gefragt haben. Mit bester Laune standen Bassist Emanuel, Sänger und Gitarrist Tomas sowie Gitarrist und Sänger Daniel bereit. Wir sprachen über das Reeperbahnfestival, worüber die Jungs durch Facebook und Co. mit ihren Fans quatschen und Pläne für ein neues Album, obwohl gerade erst die Split-EP Vayu mit Tiny Fingers erschienen ist. Außerdem im Fokus: Das neue Musikvideo Hireath. Tomas feierte an diesem Abend seinen Geburtstag und gab zwei Flaschen Prosecco aus. Dementsprechend torkelte ich nach dem Interview, mit drei Gläsern Prosecco im Magen und der neuen EP in der Hand, wieder aus dem Grünen Jäger Richtung Nacht.

Wie sind Eure Erinnerungen an Hamburg?

Tomas: Vor acht Jahren haben wir im Knust gespielt, aber auch mehrmals in ein paar anderen Klubs in Hamburg, insgesamt bestimmt sieben Konzerte und es war immer cool. Wir spielen schon so lange zusammen, dass wir die ganzen Aftershowpartys gar nicht mehr vergleichen können.

Emanuel: Aber Hamburg ist einfach eine besondere Stadt.

Tomas: Hamburg, die Stadt die niemals schläft (lacht)

Emanuel: Wir versuchen schon seit Jahren auf dem Reeperbahnfestival zu spielen, vor allem seit wir unser eigenes Label haben. Hier kann man gut mit Leuten aus der Branche zusammenkommen.

Wie habt Ihr Euch das Festival vorgestellt?

Tomas: Wir haben erstmal gedacht, dass wir in einem größeren Club spielen. Wir waren schon etwas überrascht, als wir vom Grünen Jäger erfahren haben. Wir haben hier vor acht Jahren schon gespielt und hatten den Raum als sehr klein in Erinnerung. Aber nach dem Konzert muss ich sagen: Wir haben hier schon gut reingepasst. Manche Leute mussten wieder gehen, weil es zu voll war. Das ist sehr schade. Das RBF genießt ein ziemlich hohes Ansehen. Es ist eine Ehre für uns, hier spielen zu dürfen. Aber das Festival an sich kann ich noch nicht genau beurteilen, weil wir hier nur ein paar Stunden waren. Ich habe Tiger Lou gesehen, das war super.

Emanuel: Selbst mein Frisör kennt das Festival (lacht) Es ist also groß!

Auf Facebook habt Ihr vor dem Konzert einen Aufruf gestartet, mit dem Ihr Eure Fans nach Tipps oder Schlafmöglichkeiten in Hamburg gefragt habt. Was waren die Ergebnisse?

Emanuel: Es gab leider keine. (lachen) Wir haben einfach versucht, unsere Freunde zu erreichen weil wir in Deutschland viele kennen. Wir wollten Geld sparen, aber jetzt schlafen wir in einem Hotel irgendwo außerhalb der Stadt. Das ist ok.

Ihr versucht oft, mit Euren Fans via Social Media in Kontakt zu treten. Ich erinnere mich, als ich Euch bei Facebook, oder sogar noch Myspace damals geaddet habe, kam eine persönliche Nachricht von Euch. Wie wichtig sind Euch die sozialen Medien?

Emanuel: Facebook ist uns sehr wichtig. So ziemlich jeder ist dort präsent und kann angeschrieben werden. Viele Leute schreiben uns und wir versuchen schnell und möglichst persönlich zu antworten. Wir sind ja eher eine kleine Band, da geht das noch. Außerdem ist es einfacher, Shows zu promoten. Vor acht Jahren gab es Flyer und Poster. Hat die keiner bemerkt, kam auch niemand. Heute sieht man kaum noch Poster, aber 300 Leute zeigen auf Facebook Interesse an Deiner Show.

Tomas: Es ehrt uns, wenn sich Menschen die Zeit nehmen, uns zu schreiben. Vor allem Myspace war für uns eine sehr wichtige Seite, als wir mit der Band angefangen haben. Niklas und Daniel sind sehr erpicht darauf, alle Nachrichten zu beantworten.

Daniel: Manchmal erfahren wir dadurch von umwerfenden Geschichten. Manche hatten eine schwere Zeit, wollten Selbstmord begehen und durch unsere Musik wurden sie umgestimmt. Jemand anderes hat über unsere Musik seine Frau kennengelernt und wir sollten bei seiner Hochzeit spielen. Haben wir nie gemacht. (lacht) Zumindest noch nicht. Es war noch nicht möglich. Es ist einfach schön, die Lebensgeschichten unserer Fans zu hören.

Tomas: Wir haben mal in China gespielt, ein Typ kam nervös auf mich zu und sagte ganz schüchtern: „Ihr habt mein Leben gerettet.“ Dann ging er einfach. Ich hatte Gänsehaut. Ich meine, irgendein Typ in China in einer Stadt, von der ich noch nie gehört habe und wir haben sein Leben gerettet? Deswegen machen wir jedes Jahr weiter Musik. Um Leben zu retten! (lachen)

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Gibt es auch negative Beispiele?

Daniel: Wir bekommen kaum negative Kommentare, außer bei unserem neuen Video Hireath, weil es ein männliches Liebespaar zeigt. Manche fanden es zu anstößig, manch einer drohte uns sogar. Für uns war es kein großes Ding, wir standen immer hinter Schwulen- und Menschenrechten!
Emanuel: Das Video ist ja auch gar nichts Revolutionäres. Zumindest nicht da, wo wir herkommen.

Habt Ihr mit solchen Reaktionen gerechnet?

Alle: Ja.

Daniel: In Schweden gab es so gut wie keine negativen Reaktionen, aber Menschen in China oder Russland fühlten sich angegriffen und wollten es bei Facebook und YouTube melden. Das war das erste Mal, dass wir unsere Ideen und Vorstellungen von Politik und Menschenrechten, einfach ernstere Themen, in unsere Kunst haben einfließen lassen.

Tomas: Das war auch das einzige Mal, dass wir negativen Gegenwind gespürt haben. Ansonsten gab es überwiegend positive Kommentare. Wir hatten auch so einen verrückten Typ: Er wollte, dass wir auf seiner Beerdigung spielen. Wir sagten ihm, dass wir lieber auf seiner Hochzeit spielen wollen. (lacht) Wir haben nie wieder von ihm gehört. Aber 99,99% sind positiv und darauf konzentrieren wir uns lieber. Wir bemitleiden die, die so etwas wie Menschenrechte nicht verstehen.

Heute erschien Eure Split-EP mit Tiny Fingers. Erzählt mir davon!

Daniel: Es fühlt sich einerseits ein bisschen komisch an, dass heute erst der Release ist, weil wir die Platte schon länger auf Tour verkauft haben. Andererseits fühlt sich der Release großartig an.

Tomas: Wir haben uns nie politisch positioniert, wir wollten neutral sein und uns auf die Musik konzentrieren. Das Thema in Hireath ist auch kaum politisch, sondern etwas Alltägliches.

Daniel: Hey Tomas, wir haben eine neue Frage, es geht um den Release. (lacht)

Tomas: Jaja, der Release ist großartig. (lacht) Aber ich rege mich immer noch über solche Menschen auf. Zwar gab es 99,99% positive Reaktionen, aber irgendwie muss man ja auch die 0,01% diskutieren, oder? Es ist interessant zu sehen, welche Reaktionen ein Musikvideo auslösen kann.

Wir können gerne zurück auf das Video zu sprechen kommen. Warum habt Ihr Euch für so ein Thema entschieden?

Daniel: Wir wurden vom Regisseur Eric Ivar Persson kontaktiert. Er schickte uns ein Skript, wir mochten es. Es war nicht dieses typische Post-Rock-Video, wo jemand im Wald herumrennt oder so. Es war mehr eine Liebesgeschichte. Wir schlugen ein männliches Paar vor, eins mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund. Einfach um zu zeigen, dass es total egal ist, es geht um Liebe und die kennt keine Grenzen.

Für die Menschen, die kein Schwedisch können: Was wird in der Mitte des Videos im Telefonat gesagt?

Emanuel: Einer der beiden sagt, dass er so nicht weitermachen kann.

Daniel: Sie trennen sich. Einer der beiden sagte etwas sehr schlimmes. (lachen) Der andere konnte damit nicht leben.

Tomas: Wir hatten diskutiert, ob wir Untertitel hinzufügen, aber wir wollten mysteriös bleiben. (lacht)

Daniel: Mist, wir hätten es nicht verraten dürfen. (lachen)

Emanuel: Genau, lernt lieber Schwedisch!

Gut gelaunt nach dem Gig: EF im Grünen Jäger. Foto: Mareike Reuter

Eines an Hireath fiel mir sofort auf: Es wird fast durchgehend gesungen. Schlägt EF einen neuen Weg ein?

Emanuel: Tomas hat eine sehr schöne Stimme! (Tomas lacht) Das ist die einzige Erklärung dafür.

Daniel: Wir haben oft von Fans gehört, dass wir mehr singen sollten und uns ist aufgefallen, dass die Lieblingssongs vieler Fans die mit Gesang sind.

Emanuel: Sehe ich genauso. Ich spiele sehr gerne die Songs, in denen Text enthalten ist.

Daniel: Mein Herz wird jedes Mal erwärmt, wenn ich singe. Viele Emotionen kommen hoch, wenn ich Tomas beim Singen zuhöre.

Emanuel: Heute auch bei Delusions of Grandeur: Ich habe Dich noch nie so gut singen hören.
Tomas: Danke! Weil ich heute Geburtstag habe. (lachen)

Emanuel: Was wir auf unseren Instrumenten spielen, klingt eigentlich jedes Mal gleich. Aber die Stimme ist lebendiger, dynamischer. Dadurch entsteht jedes Mal eine andere Atmosphäre.

Kann man Gesang in Euren Songs zukünftig öfter erwarten? Zum Beispiel auf einem neuen Album?

Daniel: Das wissen wir noch nicht. Es passiert einfach.

Tomas: Ich denke schon. Daniel singt ja auch oft und hat eine schöne Stimme. Ich persönlich mag den Gesang in unseren Stücken sehr. Aber ob es jetzt viel öfter vorkommt, kann ich nicht sagen. Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, ein rein instrumentales Album zu machen.

Daniel: Heutzutage schreiben wir Musik anders als früher. Damals haben wir viel gejammt und die Stücke zusammengesetzt. Jetzt haben wir unser eigenes Studio, können mehr experimentieren, mal Beats einfügen. Eventuell wachsen dadurch Songs schon im Studio. Wir nehmen es auf, nehmen es mit nach Hause und machen da weiter.

In Hireath kommen auch ziemlich viele Streicher vor. Ist das grundsätzlich ein neues Element?

Daniel: Wir haben schon immer Streicher genutzt.

Ja, aber damit meistens nur kleine Akzente gesetzt. Ich wollte wissen, ob es ein festes Element werden kann.

Daniel: [überlegt]

Emanuel: Wir sind froh, Daniel in der Band zu haben, weil er Musik arrangieren kann und alles noch besser in Szene setzt. Wir schreiben etwas Neues und er kommt sofort mit einem festen Bild im Kopf zu uns und weiß, was noch fehlt.

Daniel: Deswegen mag ich auch die Arbeit im Studio. Wenn wir Zeitdruck haben, werden wir noch kreativer und Dinge gehen einfacher von der Hand. Die Aufnahmen zu Ceremonies waren sehr intensiv. Mitten in einer Nacht gingen wir nach 20 Stunden Studioarbeit direkt in eine Kneipe und mir kam eine Melodie, die ich in mein Handy sang. So entstehen dann Stücke. (lacht) Manche Ideen kommen einfach, man kann sich darauf gar nicht vorbereiten.

Tomas: In unseren Anfängen hatten wir oft einen Cellisten mit an Bord. Er hat leider die Band verlassen. Meist halten uns finanzielle Gründe davon ab, Streicher mit in die Live-Shows einzubauen.

Emanuel: Das ist sowas wie ein feuchter Traum von uns. Wir hatten schon Pläne, eine große Show mit Orchester in Berlin oder so zu spielen.

Nochmal zur EP: Tiny Fingers kommen aus Israel. Wie kam die Split-EP zustande?

Daniel: Wir haben keine Verbindungen zu ihnen, das ging alles über das Label. Es gab verschiedene Bands zur Auswahl und Niklas kannte die Musik von Tiny Fingers. Niklas ist sowieso der Netzwerker in unserer Band und macht alles klar. Fast schon wie unser Manager (lacht)

Tomas: Ohne Niklas würden wir hier nicht mit Dir zusammensitzen.

Total. Er antwortete mir schon nach zehn Minuten.

Tomas: Wahrscheinlich tippte er schon die Antwort, bevor Du deine Frage abgeschickt hast. (lachen)

Emanuel: Genau: „Also Du hattest vor, mir eine Mail zu schreiben, ich antworte Dir schon mal darauf“ (lachen)
Gibt es konkrete Pläne für ein neues Album?

Tomas: Konkret noch nicht, aber es gibt immer Pläne. Offensichtlich können wir uns nicht auflösen. (lacht) Wir sind jetzt schon über zehn Jahre als Band unterwegs, es würde mich nicht überraschen, wenn wir in zehn Jahren wieder hier sitzen, an meinem Geburtstag. (lachen) Wir lieben es einfach.

Daniel: Wenn wir nicht auf Tour sind, gehen wir dem normalen Leben nach und entwickeln Ideen. Als Band haben wir unglaublich viel Spaß zusammen.

Emanuel: Tage wie heute erinnern uns daran, dass wir verdammt noch mal weiter machen sollten mit der Musik!