Am 1. Juni, an seinem 35. Geburtstag hat Danger Dan von der Antilopen Gang sein Soloalbum „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ veröffentlicht. Wir haben ihn ein paar Tage nach der Veröffentlichung und dem Rock am Ring/Rock im Park Festival Wochenende in Hamburg getroffen und haben uns mit ihm über sein neues Album unterhalten.
Danger Dan (Foto: Jaro Suffner)Alles Gute nachträglich zu deinem Geburtstag. Ihr habt ein hammermäßiges Wochenende hinter euch. Wie war es und wie geht es dir?
Es geht mir ganz ok. Den Umständen entsprechend. Ich habe natürlich einen Kater. Aber ich bin total euphorisch. Es war ein super Wochenende. Das fing ja schon Donnerstag an mit der Releaseparty in meinen Geburtstag und den Release hinein. Sebastian Krumbiegel und ich haben ein Duett zusammen gesungen, es kam ein sehr gut aussehender Polizist, der sich als Stripper entpuppte. Er tanzte mit mir und hat mich durch die Luft gewirbelt. Alles eskalierte komplett und ich dachte eigentlich mein Endorphinhaushalt wäre komplett aufgebraucht. Aber dann am nächsten Tag waren bei Rock am Ring tausende Leute, irgendwelche Dorftölpel mit Schlammschuhen haben Happy Birthday gesungen. Rock im Park haben wir komplett abgerissen. Das war auch ein super Konzert. Ich hatte demnach ein richtig geiles Wochenende. Ich würde sagen, es war der geilste Geburtstag meines Lebens.
Und du hast zum ersten Mal deine neuen Songs live gespielt?
Also wir haben „Eine aufs Maul“ gespielt, weil dieses Festivalpublikum auch eine aufs Maul verdient hat.
Warum?
Diese Barbaren, die da im Schlamm zelten und sich von Dosen ernähren, die ganze Zeit „Allee Allee Allee Allee Allee, eine Straße, viele Bäume, ja das ist eine Allee“ grölen, die haben einfach eine aufs Maul verdient.
Danger Dan – Eine aufs Maul (Video)
Macht es dir mehr Spaß vor kleinerem Publikum zu spielen?
Kann ich so nicht sagen, weil auch kleinere Festivals scheiße sein können. Ich mag wenn das LineUp cool ist und auch befreundete Bands spielen. Zum Beispiel wenn wir mit Juse (Ju), (Fa)Toni, Feine Sahne Fischfilet und Sookee an einem Ort spielen. Es gab letztes Jahr mal sowas beim Irie Révoltés Festival in Hannover. Da war für mich von vorne herein einfach klar, das wird richtig geil. Sowas sind natürlich meine Lieblingsfestivals. Und dann gibt es natürlich Festivals bei denen ich spiele, wo ich selber gar nicht weiß, ob ich da privat hingehen würde. Das kann dann trotzdem total Bock machen. Aber man weiß das vorher nicht, sage ich mal ganz diplomatisch.
Entstanden ist dein neues Album „Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ weil du dich in Therapie begeben hast, da du nach dem Tod deines Freundes und Bandmitglieds NMZS, Schwierigkeiten hattest mit depressiven Menschen umzugehen. Insbesondere das Aufzählen der biografischen Eckpunkte in der Anamnese war ein Ausgangspunkt für dein Soloalbum. Für viele Menschen ist eine Therapie etwas sehr privates über das sie in der Öffentlichkeit nicht ansatzweise sprechen möchten. Wie kommst du damit klar, dich so zu öffnen?
Um ehrlich zu sein, wüsste ich nicht, ob ich überhaupt noch jemanden in meinem Umfeld kenne, der bisher keine therapeutischen Erfahrungen gesammelt hat. Und ich glaube, dass die meisten Menschen in ihrem Leben an einen Punkt kommen, wo sie drüber nachdenken sollten. Gleichzeitig weiß ich auch, dass dieses Thema für viele mit Angst behaftet ist, weil die meisten Leute glauben, dass sie funktionieren müssen. Das ist auch das, was allen suggeriert wird in dieser Welt. Bei einer Krankenkasse und in einer Therapie geht es ja eigentlich auch darum, dass aus den Menschen wieder arbeitsfähige Leute gemacht werden. Ob es denen gut geht oder schlecht, ob sie sich selbst verwirklicht haben, spielt ja gar keine Rolle. Sich intensiver mit sich selbst auseinanderzusetzen, wird absurderweise oft als Schwäche gesehen. Ich glaube aber, dass es das Schwierigste ist, was man machen kann in seinem Leben. Es war für mich daher auch eine bewusste Entscheidung, gegen diesen Trend an, es dennoch zu machen. Ich kann offen sagen, dass es mir nicht immer gut geht und ich nicht immer funktioniere, aber ich bin stark genug mich mit mir auseinanderzusetzen.
Beim Durchhören des Albums ist mir aufgefallen, dass du deutlich weniger Ironie benutzt als sonst. Vor allem der Song „Wir lachen uns tot“ steht dem dauerhaft ironischen Sein kritisch gegenüber. Oft heißt es, dass Ironie ein Schutz ist. Bei dir und der Antilopen Gang habe ich es aber immer eher als etwas künstlerisches aufgefasst. Was ist Ironie für dich?
Das ist eine richtig gute Frage! Gerade in der HipHop Szene wird sich immer viel damit rausgeredet, dass gesagt wird, etwas sei Ironie. Da, wo das aufgeführt wird, findet Ironie oft gar nicht statt. Ironie ist, wenn ich das Gegenteil davon sage, was ich meine und das so codiere, dass bei meinem Empfänger auch das ankommt, was ich meine. Wenn Rapper jetzt also sagen, die Vergewaltigungsfantasie an deine Mutter ist ironisch gemeint, müsste die eigentliche Botschaft ja sein, Sexismus, Misogynie und sexualisierte Gewalt sind schrecklich. Aber das ist nicht wirklich die Botschaft, die ankommt, wenn auf einem Festival alle singen „Deine Mutter wird gefickt, solang bis sie erstickt“. Da findet die Ironie gar nicht statt. Von daher bin ich mir auch gar nicht so sicher wie ironisch viele Antilopen Songs eigentlich sind und ob Leute das verstehen. Ein Beispiel ist „Fick die Uni“, das mal so und mal so gelesen wird, und sich Leute auch darüber aufregen. Am Ende ist es dann doch einfach nur ein aus der Laune heraus entstandener Quatsch, der ein bisschen provozieren sollte.
Wie war es für dich nach den erfolgreichen Alben mit der Antilopen Gang etwas alleine zu produzieren. Was für Erwartungen hattest du an das Album und dich selbst?
Den Anspruch an mich selbst habe ich tatsächlich nicht erfüllt. Keiner hat auf ein Danger Dan Album gewartet und es war auch nicht groß angekündigt. Ich dachte mir, dass es die Gelegenheit ist, all das zu machen, was ich auf einem Antilopen Gang Album halt nicht machen kann, weil es ein zu großer Kompromiss wäre. Am Ende ist das Album aber auch mit dem selben Stift geschrieben, mit dem wir auch Antilopen Gang Alben schreiben. Ich finde da gibt es eine Stringenz und man muss anerkennen, dass ich wohl genau diese Musik mache. Ich hatte die Erwartung an mich, dass ich so ganz freigeistig, atonale, A-Rhythmische Musik machen würde. Aber das ist leider nicht passiert. (Lacht)
Kojah und Panik Panzer haben bei diesem Album aber auch, über den gemeinsamen Song hinaus, mitgewirkt?
Ich habe in Panik Panzer und Koljah vor allem sehr gute Kritiker. Die sagen nicht, dass alles gut ist. Die sagen dann zum Beispiel: „Das ist kein Beat sondern eine totale Skizze, das ist totaler Müll“. Somit sind die beiden für mich das beste Korrektiv. Mit Panik Panzer mache ich schon so lange Musik. Ich glaube, ich habe noch kein Lied fertig geschrieben, ohne dass er seine Finger im Spiel hatte. Und am Ende muss ich zugeben, dass ich auch auf ihn und seine Kritik angewiesen bin. Und bei Koljah ist es genauso. Seine Kritik ist eher inhaltlicher Natur. Er sagt dann eher: „Was erzählst du denn da schon wieder für einen nicht belegbaren Scheiß. Denk da nochmal drüber nach.“ Also er beschimpft mich dann auch gerne mal und ist ein sehr destruktiver Kritiker aber ich kann mittlerweile ganz gut damit umgehen und weiß was er meint. (Lacht)
Danger Dan – Sand in die Augen (Video)
Der Song „Sand in die Augen“ greift das Gender-Thema kritisch auf. Dinge, die in der Gesellschaft als normal und ästhetisch aufgefasst sind, werden von dir in deinem Song als widerlich sexistisch und absurd enttarnt. Der Song regt zum Nachdenken an. Gerade weil du dich in deinem Musikvideo derselben sexistischen Stereotypen bedienst, wie es generell für Deutschrap oder auch Musikvideos typisch ist. Immer wieder wurde dir aber eine Reproduktion von Sexismus vorgeworfen. Hättest du im Nachhinein lieber auf diesen ironischen Kniff verzichtet und wärst bei einer schonungslos ehrlichen Linie geblieben?
Also ich nehme mir das schon zu Herzen. Vielleicht ist es auch ein Beispiel, wo Ironie gar nicht funktioniert und deswegen auch nicht stattfindet. Wenn Ironie als Konzept nicht aufgeht und nicht alle peilen, was da gemacht wird, dann muss ich das so anerkennen. Ich selber frage mich , was man dann eigentlich erwartet. Es wird ja oft gesagt, der Text ist total gut aber das Video schlecht, weil es so böse ist. Das habe widerliche Bilder. Und ich denke immer „Naja, der Text ist mindestens genauso widerlich“. Es gibt in dem Text keine einzige Zeile, die eine Alternative aufzeigt oder eine Kehrtwendung hat. Ich erzähle eigentlich nur die schreckliche, misogyne, frauenverachtende Realität: „Jede Frau wird im Laufe des Lebens sexuell belästigt“. Es gibt eine Textstelle, wo ich sage: „Ich empfehle eine Krav Maga-Handkante“. Das kommt aber auch eher aus Verzweiflung und Ohnmacht. Ich bin natürlich gegen Prügelstrafe. Das fände ich schrecklich, wenn es in Deutschland sowas gäbe. Aber ich verstehe nicht, warum die Leute es im Text schaffen und beim Video nicht sehen, dass ich genau dasselbe mache: Aufzeige wie widerlich und sexistisch dieses Standard Deutschrap Video mit dem Auto und den objektifizierten Frauen eigentlich ist. Was ich wollte, ist Abscheu erzeugen. Und das hat anscheinend funktioniert. Wenn es dann aber tatsächlich so ist, dass die Leute nicht die Intention verstehen, dann bin ich missverstanden und es gibt ein Kommunikationsproblem. Und dann muss ich auch darüber nachdenken, ob ich das mit verursacht habe. Ob man da vielleicht noch direkter hätte werden können. Oder noch krasser. Hätte man das Video dem Text entsprechend bebildert , wäre das ein skandalöses, krasses, richtig ekelhaftes Video geworden. Vielleicht wäre das offensichtlicher gewesen. Aber ich muss sagen, dafür bin ich zu feige. Sowas will ich dann wieder nicht sehen. Von daher verstehe ich gut, dass es einfach verschiedene Grenzen gibt, was wer mit Bildern kann und was nicht. Meine Grenze war hier noch nicht erreicht.
Du erzählst in dem Song aber auch erstmals, dass du Vater wirst. Viele Männer werden erst zu vermeintlichen Feministen, wenn sie eine Tochter bekommen. Du hast Rollenbilder in der Gesellschaft aber schon früh kritisiert. Wie kann man deiner Meinung nach eine Gesellschaft für das Thema Sexismus schon sensibilisieren bevor ein einzelnes Individuum selbst mit der Thematik konfrontiert wird?
Ich weiß nicht, ob ich als Vater zusätzlich sensibilisiert bin. Das hätte so die Umkehrung, dass Elternschaft einem zu einem besseren Feministen machen würde. Das ist totaler Unsinn. Ich glaube, auch Vollidioten bekommen Kinder und bleiben Vollidioten. Es gibt unglaublich viel Entwicklung. Gerade was feministische Themen betrifft. In den letzten 100 Jahren gab es viel mehr Fortschritte als Rückschritte, auch wenn noch viel Arbeit auf uns zukommen wird. Dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar ist, ist erst Mitte der 90er entschieden worden. Aktuell gibt es Kampanien wie „MeToo“ oder „Pinkstinks“, die gesellschaftliche Debatten auslösen, die auch zu einer Sensibilisierung beitragen können. Und das finde ich gut. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass auch im HipHop solche Themen irgendwann mal ankommen werden.
Hat „MeToo“ denn wirklich etwas nachhaltig an der Gesellschaft verändert?
Auf jeden Fall. Also in dem Moment, wo ich einen Anlass finde, Überlebenden sexualisierter Gewalt die Chance oder den Hashtag gebe sich zu Wort zu melden, sodass diejenigen fühlen, dass sie mit dem Problem, was uns alle betrifft, nicht alleine sind hat das schon unglaublich viel bewirkt. Ob sich Sexualstraftäter davon abhalten lassen andere sexuell zu belästigen, steht nochmal auf einer ganz anderen Karte. Es ist vor allem erstmal Solidarität, die hier total wertvoll ist.
Und wie siehst du die Entwicklung in der Musik diesbezüglich? Wenn ich mir das Album oder auch frühere Alben durchhöre, habe ich das Gefühl, dass du dem eher pessimistisch gegenüber stehst? Vor allem im Deutschrap gehst du bewusst in eine Außenseiterrolle. Hat sich da gar nichts getan in den Jahren?
Wir haben mal so eine Gangsterrap-Persiflage gemacht. Wenn man die jetzt nochmal so machen würde, würde die gar nicht mehr als Persiflage auffallen. Gangsterrap ist noch krasser geworden, als wir das damals schwarzmalerisch erzählt haben. Damals war das total übertrieben. Mittlerweile ist der Gangsterrap genauso humorlos und bescheuert geworden, wie wir das damals persifliert haben. Gleichzeitig gibt es eine ganz große Bandbreite an Alternativen dazu. Du findest mittlerweile Queer-Feministischen Rap und Neonazis die rappen und alles dazwischen. Es gibt auf jeden Fall eine Entwicklung.
In einem Interview hast du mal gesagt: „Früher gab es keinen guten linken Rap“. Hat sich denn daran etwas geändert?
Ich weiss es nicht (Lacht). Ich bin kein gutes Beispiel. Ich bin kein guter Rapper. Ich mache das mit Charme wieder gut, was mir technisch fehlt. Da habe ich ja vor Allem von einer Zeit um die Jahrtausendwende gesprochen. Wir sind damals in autonome Jugendzentren gereist und waren so der erste HipHop Act, der dort je gespielt hat. Da standen Punker und wussten überhaupt nicht, wie sie sich dazu bewegen sollen. Die haben uns eingeladen, weil sie die Inhalte interessant fanden aber die Musik fanden sie komplett scheisse. Mittlerweile gibt es da drumherum auf jeden Fall eine Subkultur. Es gibt kein autonomes Zentrum in dem noch kein Antifa Rapper aufgetreten ist. Da hat sich auf jeden Fall etwas entwickelt, was ich auch begrüße. Ich selber höre mittlerweile einfach andere Musik. Ich will nicht schlecht über Zecken-Rapper reden, aber ich höre Zuhause andere Musik. Im Moment höre ich gerne Die Nerven.
Bei dem Song „Eine aufs Maul“ dachte ich erst, dass es sich um eine Rachefantasie handelt. Aber zuletzt glaube ich, stellst du dir vor wie du dir selber aufs Maul haust. Welchen Teil von dir möchtest du hier verprügeln?
Ich glaube, dass du das richtig interpretiert hast. Es geht um einen Innenkampf. Ich habe die einfachste und plumpste Metapher gewählt, um einen Innenkampf zu beschreiben, nämlich die Prügelei. Ein Anteil in mir will einen anderen Anteil von mir verprügeln. Es ist aber ganz schwer zu lokalisieren welcher Teil das ist. Wer war das noch mit „Zwei Herzen wohnen in meiner Brust“? Ganz ehrlich, da bin ich ja total eifersüchtig drauf. Wären das nur zwei Herzen… Bei mir sind das tausende. (Lacht).Und wenn die sich alle prügeln würden, wäre das wahrscheinlich eher so eine unübersichtliche Massenkeilerei. Ich kann es nicht genau sagen, wer da wem aufs Maul hauen will.
In „Die Prinzentragödie“ besingst du zusammen mit Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel deine frühere Liebe zu ihm und den Prinzen . Zwei Sachen passen hier für mich nicht zusammen. Erstens: Krumbiegel hat den Reichsbürger nahen Xavier Naidoo im Shitstorm öffentlich in Schutz genommen. Die Antilopen Gang verachtet Xavier aber und du hast dich in der Vergangenheit als „Baron Totschild“ über das verschwörungstheoretische und antisemitische Weltbild lustig gemacht. Zweitens: Du erzählst oft, dass du eine harte Jugend hattest oder ein typischer „HipHop Atze warst“. Wie passt es dann, dass du mit 14 Die Prinzen gehört hast und Sebastian Krumbiegel liebst?
Also da hat auch Koljah mich im Nachhinein korrigiert und hat gesagt, „du warst nicht 14, du musst viel jünger gewesen sein.“ Ich bin jetzt 35 geworden Freitag. Ich war wahrscheinlich nicht 14.(lacht) Aber in dem Alter ist es vielleicht noch homoerotischer. Das ist so ein sexualisiertes Alter. Es wird zwar immer wieder totgeschwiegen, aber auch 14 Jährige haben Sexuaität. Auch wenn man nicht so gerne, nicht so oft drüber redet. Und wo du Recht hast ist, dass Sebastian und ich uns rein ideologisch erstmal gegenüberstehen müssten. Ich habe auch viele Gespräche mit Sebastian darüber geführt. Die wenigsten wissen, dass er gleichzeitig ganz aktiv ist im Bündnis „Dresden Nazifrei“ und Hasstiraden auf Dresden loslässt. Er hat mir auch mal erzählt, er könne es sehr gut verstehen, dass da ein paar Kampfbomber ihren Saft abgelassen haben. Wir sind politisch nicht einer Meinung, aber er ist kein verblendeter Ideologe. Ich glaube für ihn war das erstmal sehr komplex, die Problematik an Xavier Naidoo zu erkennen. Auf den ersten Blick ist es halt der sehr gut singende, gut aussehende junge Mann von Brothers Keepers, der sich gegen Rassismus stark macht. Um dahinter zu steigen, was für ein homophobes Arschloch der Typ ist muss man sich da ganz schön reindenken. Um schwulenfeindliche Aussagen von ihm zu erkennen und zu finden muss man mal genau hinhören. Und das machen die wenigsten bei ihm. Er hat bis vor kurzer Zeit noch den Echo moderiert. Und da gab es keinen großen Aufschrei. Dabei hast du da wirklich einen Verschwörungsideologen, der Wahnsinn erzählt. Ich habe als „Baron Totschild“ mal ein Lied gemacht, wo ich einfach nur Songzeilen von ihm aneinander gehängt habe, um die Absurdität aufzuzeigen. Der glaubt zum Beispiel, dass das Auto von Gott erfunden wurde, weil in der Bibel irgendwann das Auto erwähnt worden wäre. Der hat wirklich einen zu viel geraucht. So ein lupenreiner Demokrat, wie es Sebastian ist, steckt nicht in irgendwelchen Antifa-Strukturen und setzt sich mit der Problematik und Xavier Naidoo in der Intensität auseinander. Das heißt aber nicht, dass wenn es hart auf hart kommt, Sebastian Krumbiegel und ich nicht auf derselben Seite der Barrikade stehen. Sebastian ist durch und durch Antifaschist und meint das auch ernst.Und dennoch sind wir uns nach wie vor in ganz vielen Dingen nicht einig. Also ich würde nie SPD wählen.(lacht)
Du hast den Echo schon angesprochen. Auch im Echo-Skandal ist euer Statement mehr oder weniger viral gegangen. Der Echo ist jetzt eingestellt und Campino für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Hat sich etwas verändert?
Es macht überhaupt keinen Unterschied. Es wird sich nichts durch den Echo verändern. Die Problematiken, die da waren, wurden überhaupt nicht angesprochen oder behandelt. Der Blick auf Gangster Rap hat oft rassistische Obertöne, weil man das den Leuten irgendwie nicht durchgehen lassen will. Aber gleichzeitig laden sie Xavier als Moderator ein. Das ist total absurd. Eine tatsächliche Debatte über reaktionäre Inhalte, ob sexistisch, homophob oder antisemitisch, in der deutschen Musikindustrie, hat überhaupt nicht stattgefunden. Um ehrlich zu sein, weiß ich auch gar nicht, ob ich das will, dass sie stattfindet. Weil ich mir dann die ganze Zeit nur an den Kopf greifen und abkotzen würde. Es wäre wünschenswert, wenn sie richtig stattfinden würde. Trotzdem bin ich Team Campi! Immer!
Verdientes Bundesverdienstkreuz?
Ein goldenes Bundesverdienstkreuz mit Strass-Steinen. Wer Campi nicht liebt, hat die Welt nicht verstanden. Man muss sich immer an Campi orientieren. (Lacht)
„Wenn du nicht ausbrechen kannst, dann piss in den Käfig“. Der Song „Piss in den Käfig“ ist fast schon eine romantische Hommage an destruktive Zerstörungswut. Mir ist sofort eine Szene aus dem Film „Wildes Herz“ in den Kopf geschossen, in dem Sänger Monchi seinen Vater fragt, ob er mal eine Mülltonne geworfen hat und davon erzählt, wie frei er sich selbst dabei gefühlt hat. Wie geht es dir, wenn du Bilder krasser Zerstörungswut siehst wie beispielsweise am Rande des G20 Gipfels?
Da schlagen auch zwei Herzen in meiner Brust. Wenn Monchi das Polizeiauto anzündet, bin ich nicht derjenige der rumheult. (Lacht) Ich weiß nicht, ob das politisch Sinn macht. Ich weiß auch nicht, ob es sinn macht, wenn sich der komische deutsche Volkszorn entlädt, und damit meine ich nicht den G20 Gipfel. (lacht) Jetzt werde ich wieder von irgendwelchen Festivals ausgeladen. Grundsätzlich finde ich das immer gruselig, wenn sich so Mobs bilden und Dinge anzünden. Das geht hier und da einfach in die Hose. Ich verstehe das aber. Was ich viel spannender fand in dem G20-Fall – darauf geht das Lied auch ein – ist, dass im Nachhinein hier in Hamburg die Bürger aus dem Haus gekommen sind und die Fassaden der armen Bank zu putzen, weil sie vollgeschmiert wurde. Die haben dann angefangen, die Parolen darunter zu putzen. Das ist eigentlich die Perversion. (Lacht) Irgendwann kommt der Streetart Artist und übermalt die Graffitis und alles wird vereinnahmt. Damit wollte ich mich in dem Lied auch auseinandersetzen. Und ja ich habe auch schon mal eine Mülltonne geschmissen und ja es ist geil. Ob das jetzt einen politischen Mehrwert hat. Vermutlich nicht. Vielleicht macht es die Sache auch nur noch schlimmer. Also eine politische Debatte funktioniert anders.
Was hättest du den Leuten gesagt, die dir nach dem G20 Gipfel mit Eimer, Handfeger und Spachtel entgegen gekommen wären?
Geht nach Hause. Ihr müsst keine Bankfiliale putzen. Die können das selber machen. (Lacht)
Der Song „Mingvase“ beginnt mit dem Zerbrechen einer Vase und endet mit dem Zerplatzen des Universums. Ein Elefant, der im Porzellanladen lebt, schwingt den Aluminium-Baseballschläger. Wie kam dir die Idee zu diesem Song?
Keine Ahnung (lacht). Das ist ein Eldorado für einen guten Psychoanalytiker. Ich glaube, da sind unzufriedene Momente und Umbruchsituationen in meinem Leben. Und ich merke, dass dieses Lebensmodell „Aschenbecherjunge“ nicht zu dem jungen Familienvater passt, der Termine hat und pünktlich kommen muss, weil das ganze Team Antilopengang am Arsch ist, wenn er nicht aufsteht. (Lacht) Wir waren am Wochenende 15 Leute im Bus. Der „Aschenbecherjunge“ passt da nicht mehr rein, ist aber trotzdem noch da. Ich glaube, das ist ein Gefühl von Umbruch, das sich in solchen Texten entlädt. Es muss einen neuen Danger Dan geben, den lieben guten Dangie (Lacht) Der liebe gute Dangie ist ein korrekter Typ.
Der liebe gute Dangie schmeißt keine Mülltonne mehr?
Weiß ich nicht. Aber wenn, dann ohne Fingerabdrücke und vermummt. Und er gibt es auf keinen Fall öffentlich zu.
Der Song „Mein Heroin“ ist durchzogen von einer Drogen-Liebe Metapher. Du singst davon kein Methadon mehr zu wollen, sondern Heroin. Es geht um eine kritische Auseinandersetzung damit, dass man sich auch selbst etwas vormacht um emotionale Bestätigung zu bekommen. Ähnlich wie bei Drogen. Glaubst du, dass unsere Gesellschaft oft einen falschen pseudo-romantischen oder narzisstischen Anspruch an die Liebe hat?
Ja, das glaube ich. Also deine Interpretation trifft es noch besser, als ich es formulieren könnte. Also ich glaube, das was ich mit Heroin meine, ist so etwas wie Begegnung. Eine, so abgewimmelt dieses Wort auch ist, authentische Begegnung, eine ehrliche Begegnung in der Begegnung. Die Begegnung mit sich selber in der Begegnung mit anderen und umgekehrt. Die Idee von Liebe, wie sie stattfindet und propagiert wird, ist unglaublich lange schon überholt. Und auch die Idee von Beziehung und Familie, die daran geknüpft ist: Du müsstest jemanden finden um vollkommen zu sein. Das ist Unsinn. Ich halte das für ein Versprechen, das sich nicht einlöst. Und es wird der Liebe auch eigentlich nicht gerecht. Ich bin mir schon sehr sicher, dass es Liebe gibt.
„Reflexionen aus dem beschönigten Leben“ Albumstream
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