Es gibt diese Menschen, die sind für das Musikmachen geboren. Es geht dabei nicht darum, dass sie ein Instrument so gut beherrschen oder die Stimme so auf den Punkt getroffen ist, dass es schade wäre, die Kunst nicht zum Beruf zu machen. Nein – es gibt diese Menschen, die müssen Musik machen, fernab von Erwartungen, Plänen für das Leben oder der Verwertungslogik einer Gesellschaft, weil einfach dieses komisch vertraute Gefühl da ist, das Richtige zu machen. Wer Emily-Mae Lewis einmal gesehen hat – egal ob auf einem Straßenfest an einem verregneten Sonntag, der großen Festivalbühne oder einem Hinterbalkon zu den letzten Sonnenstrahlen eines Sommerabends – der will sie nie wieder von dieser “Bühne” gehen sehen. Höchstens um sie in den Arm zu nehmen. Emily-Mae Lewis schafft es, eine Stimmung einzufangen und auf eine wundervolle Weise in ihrer Musik zu subsumieren. Hört sie einmal auf zu spielen, dann wiegt man sich noch einen Moment im Nachklang ihrer Stimme und stellt verdutzt fest, dass man bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht wusste, wie sehr einem Melancholie fehlen kann.
Dennoch ist es auch dieser Bruch, der die junge Hamburgerin ausmacht. Das fängt schon bei den unterschiedlichen Sockenpaaren an, die zum Vorschein kommen, wenn sie ihre Schuhe auszieht (was sie jedes Mal auf der Bühne tut.). Es ist aber auch dieses Gefühl von Wohnzimmer und wohliger Nähe, das Emily-Mae Lewis erzeugt und dann durch ihre Ernsthaftigkeit wieder bricht. Dieses Gefühl von Wohnzimmer hält sie nicht davon ab, das Ganze mit einer psychodelischen Note zu untermalen. Der Bruch wird jedoch in keinster Weise zu einem störenden Element. Vielmehr ist es ein authentischer Ausdruck ihrer Selbst. Emily macht die Musik, die sie machen will. Niemals die Musik, die von ihr erwartet wird. Generell hat sie es nicht so mit Erwartungen, was ihr, egal auf welcher Bühne sie gerade steht, eine Authentizität gibt, um die sie so mancher Popstar beneiden müsste. So wie sie es schafft, einen traurigen melancholischen Song mit der vernünftigen Portion Wut oder Verzweiflung aufzurütteln, schafft sie es auch, eine angespannte Situation mit einem Lachen und guter Laune zu erfrischen. Emotionen zeigen, dass wir am Leben sind. Das lässt uns Emily-Mae Lewis mit ihrer Musik spüren. Fühlen wir eine Traurigkeit beim Hören ihrer Songs, so ist es immer noch eine lebensbejahende Traurigkeit.
Im April erschien ihre erste Single “Fish”. Und wie es bekanntlich so ist, versucht man junge KünstlerInnen in eine Genre-Schublade zu stopfen. Emily-Mae Lewis lässt sich aber in keine Schublade stecken. Weder beim Genre, noch beim Outfit und erst recht nicht in ihrer Sexualität. Versucht man ihre Musik dennoch irgendwo zu verorten, würde man wohl bei etwas wie Indie-Folk landen. Die Socken werden früher oder später als ihr Markenzeichen interpretiert werden und die LGBT-Popculture wird auch in Zukunft ein Einfluss für die Hamburgerin sein. Haben ihre Songs ein Geschlecht? Sie denkt lange nach und sagt: „Nein, ein Geschlecht nicht. Aber ein Gesicht. Meine Songs betrachte ich wie Bilder. Mein ursprünglicher Plan war Bildende Kunst zu studieren und Musik zum Hobby zu machen. Das hab ich jetzt umgedreht.“
Die beiden Stadtteile Ottensen und St.Pauli, in denen Emily – Mae Lewis aufgewachsen ist, stellen zwei Pole in ihrem Leben und somit in ihrer Musik dar. „Meine Mutter hatte eine Kulturkneipe, in der regelmäßig Slams und Konzerte stattfanden. Ich war acht Jahre alt, mittendrin, und hab mitgespielt, wo ich nur konnte,“ sagt die gerade mal Zwanzig Jährige selbst. Seit 2017 ist Emily – Mae Lewis alleine mit der Gitarre unterwegs, spielt in Kneipen und Wohnzimmern, bei Mixed Shows und Festivals, von „Melt!“ über Grünspan bis zum Reeperbahnfestival. „Meine ehrlichsten Lieder sind beim Nachts-zu-Fuß-Spazieren entstanden. Die verkopftesten Lieder abends am Computer beim Gedichte-Schreiben. Die freiesten Lieder auf Reisen, in fast vollen Notizbüchern. Und die lautesten Lieder entstehen beim Jammen im Proberaum.“ Mittlerweile hat sich Emily – Mae Lewis in bester Gesellschaft wiedergefunden mit dem Mannheimer Bassisten Timo Zell und den Hannoveraner Drummer John Winston-Berta. All das, was Emily – Mae Lewis beim Nachts-zu-Fuß-Spazieren, Reisen und jammen angefangen hat, findet sich nun in einer Band geballt und konzentriert zu einem Gesamtkunstwerk zusammen.
Heute spielt die Newcomerin im legendären Jazzclub Birdland (Einlass 19:30, Beginn 21:00). Hier geht’s zum Facebook Event. Emily-Mae Lewis auf Facebook