Die Echo-Vergabe an Kollegah und Farid Bang für ihr Album „Jung, Brutal, Gutaussehend 3“ ist nun zu einem echten Skandal geworden (wir berichteten): Nachdem das Notos Quartett bereits seinen Preis zurückgeben hat, gibt nun auch der für sein Lebenswerk geehrte Klaus Voormann seinen Echo zurück. „Er sieht sich hinters Licht geführt“, berichtet Spiegel Online.
Er habe sich mit der Entscheidung ganz bewusst Zeit gelassen, habe die Texte des umstrittenen Albums von Farid Bang und Kollegah gelesen, um sich so eine fundierte Meinung bilden zu können. Mit der Rückgabe des Preises wolle er „sein Unverständnis ausdrücken gegenüber der Verantwortungs- und Geschmacklosigkeit aller verantwortlichen Beteiligten, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig Konsequenzen zu ziehen.“
Update (18.04.2018): Auch Marius Müller-Westerhangen gibt seine Echos zurück. Er schreibt:
[…] Künstler haben eine besondere gesellschaftliche Verantwortung. Sich hinter künstlerischer Freiheit zu verstecken oder kalkulierte Geschmacklosigkeiten als Stilmittel zu verteidigen, ist lächerlich. Provokation um der Provokation willen ist substanzlos und dumm. Und eine Industrie, die ohne moralische und ethische Bedenken Menschen mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Positionen nicht nur toleriert, sondern unter Vertrag nimmt und auch noch auszeichnet, ist skrupellos und korrupt.
Ich bin nicht der Meinung, dass die mit dem ECHO ausgezeichneten Rapper Antisemiten sind. Sie sind einfach erschreckend ignorant. Money makes the world go round. Aufgrund seiner inhaltlichen Fehlkonstruktion war der ECHO in der kulturellen Welt nie relevant. Aber hier geht es nicht um das Kalkül der profitmaximierenden Musikindustrie und ihrer Mechanismen. Es geht im Kern um den Zerfall einer kultivierten Gesellschaft, der zunehmend der innere moralische Kompass abhanden kommt, und dem sehen wir schon viel zu lange zu, ohne genügend Widerstand zu bieten. […]
Wer weiß, vielleicht gibt nun auch eine Helene Fischer, Deutschlands Superstar mit Echo-Abo und Migrationshintergrund, ihren neuen Echo zurück. Das wäre ein Move! Sie hat ja noch 16. Bei der Verleihung hat sie, wie eigentlich alle anderen Künstler auch, aber nur schön ihre Klappe gehalten, gelächelt, sich artig beim Team bedankt und nichts zur deshalb auch leider nicht vorhandenen Debatte gesagt. Ausgerechnet „Punk ist tot“-Campino musste den Job machen. Die vom Echo hatten schon vor der Verleihung mit der Entscheidung der „Ethikkommission“ kläglich versagt und rundeten ihr Versagen mit der Performance von Kollegah und Farid Bang am Ende der Veranstaltung noch ab. Gleiches gilt für die Moderation.
Künstler wie die Antilopen Gang, die sich dem Echo im letzten Jahr verweigert haben, haben sich in der Zwischenzeit aber zu Wort gemeldet. Hier sind die Statements der Gang, Retrogott und Sophie Hunger.
Sophie Hunger bringt es auf den Punk. Es geht hier nicht um Deutsch/Battlerap oder nur um Kollegah und Farid Bang. Es geht vielmehr darum, dass der selbsternannte „wichtigste deutsche Musikpreis“ nicht an Künstler verliehen werden kann, die den Holocaust in ihren Texten verhöhnen. Das geht nicht. Punkt.
Echo bitte geh‘ bitte zurück auf Null und erfinde dich und deinen Preis neu. Die Chance war nie besser. Oder schaff dich ab, wie es Thomas Schreiber, ARD-Koordinator für Unterhaltung, in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Welt“ fordert.
Lesenswert: Wer sich ernsthaft näher mit dem Werk von Kollegah intensiver auseinandersetzen möchte, dem sei der Artikel „Schmocktransformation“ bei der Freitag von Leon Dische Becker ans Herz gelegt. Ich halte es wie Olli Schulz wie dieser mit den Böhsen Onkelz: „Das ist egal, ob die rechts waren oder nicht , das ist einfach scheiße! Das ist eine dumme Art von Musik!“
Hörenswert: Olli Schulz und Jan Böhmermann haben die Echo-Verleihung übrigens bei der Aufzeichnung ihres „Fest & Flauschig“-Podcasts live verfolgt und ebenso treffend formuliert.