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„Es gibt keinen Weg zurück.“ – Haiyti im Interview

Haiyti (Foto: Tim Bruening)

Das Hiphop-Jahr fängt spannend an. Die Hamburger Künstlerin Haiyti hat heute auf dem Major Label Universal ihr Debütalbum„Montenegro Zero“ veröffentlicht. Anders als die vorangegangenen Mixtapes und EPs wurde  das Album ausschließlich vom Berliner Produzententeam Kitschkrieg produziert, die im letzten Jahr schon Trettmanns „#DIY“ zum verdienten Erfolg verhalfen.

Ob Haiyti nun von der Straße im Mainstream angelangt ist, ob die Kleine nun Kasse macht und ob sie damit am Ende des Tages auch damit klar kommt wird 2018 sicherlich zeigen. Einen Weg zurück gibt es nicht mehr, stellt sie selbst im Interview fest.

Eines steht jedoch heute schon fest: Deutschraps erste Frau auf dem Cover des JUICE-Magazins überhaupt (sic!), die Kunststudentin, die ihre Musikvideos selber schneidet, die Rapperin mit Feuilleton Reichweite, deren Altern unbekannt ist, polarisiert. Stimme, Person, Style, einfach alles. So richtig schlau aus ihr sind wir auch nicht geworden, aber was soll’s, vielleicht wird aus dem Montagsmodell nach dem nächsten Update ja ein Serienmodell?

Wir treffen Haiyti in der „Vinyl-Lounge“ eines hippen Boutique Hotels in der Hamburger HafenCity. Haiyti isst gerade einen Salat, als wir sie mit unseren Fragen stören.

Haiyti: Das ist ein Wunder, dass das heute geklappt hat.

Warum ist das ein Wunder?

Haiyti: Ich hab diesen ganzen Interviewtag einfach vergessen.

Gerne führst du Interviews ja auch nicht?

Haiyti: Nö!…Kommt drauf an. Heute hätte ich es jetzt nicht gemacht. Aber ich muss.

Das ist natürlich eine gute Ausgangsbasis“¦

Haiyti: Ja das sind wohl sieben Stück hintereinander. Dann konnte ich den Tag nicht mehr absagen. (lacht)

Dann hoffe ich, dass es nicht zu belastend wird und fange trotzdem an. Dir wird oft das Genre „Gangsta-Pop“ zugeschrieben. Generell wirst du als Newcomerin mit besonderem Stil von den Medien momentan in den Himmel gehoben. Was macht deine Musik so besonders?

Ich glaube viele Gangsterrapper versuchen etwas. Alle wollen irgendwie singen, so wie ich das beobachte. Ich glaube selbst Gucci Mane will eigentlich singen. Aber denen gelingt es nicht einen Popsong zu machen. Mir gelingt das.

Also machst du Pop?

Manche Songs sind mehr Straße, manche Songs sind mehr Pop. Manche liegen auch dazwischen. Ich glaube es hat einfach damit zu tun, dass ich Melodien machen kann.

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Im Song Haubi singst du vom Leben um den Hauptbahnhof. Herkommen tust du ganz woanders. Was hat dich auf den Song gebracht?

Irgendwie fragt mich jeder nach dem Song. Ich muss mal überlegen. Den Song habe ich geschrieben bevor ich in die Gegend gezogen bin. Der Song war eigentlich ganz anders gedacht. Genau weiss ich das aber nicht mehr. Ich beobachte halt immer. Ich finde es auch so gruselig wie alle vorm Drop Inn stehen so wie Vampire. [Anm.d.Red.: Das Drop Inn ist nach eigenen Worten „eine niedrigschwellige und akzeptierend arbeitende Kontakt- und Beratungsstelle mit integrierten Drogenkonsumräumen.“] Das ist eigentlich schlimmer als jeder Horrorfilm. Alle stehen dort wie Halbtote. Das ist schon gruselig. Und dann habe ich darüber einen Song geschrieben. Über die Junkies eigentlich. In so alten Spelunken sitzen öfter auch Zuhälter oder Prostituierte rum. Und wenn man mit denen ins Gespräch kommt, kann man eigentlich gar nicht fassen, dass man sich mit denen total versteht, obwohl die Sachen machen, die du nie machen würdest.

Was zum Beispiel?

Mich prostituieren. Und natürlich nimmt mich das auch mit aber man schreibt einen Song drüber. Das machen Künstler so. (lacht)

Entstehen deine Songs immer aus solchen Beobachtungen?

Ja. Voll.

Du arbeitest oft mit ganz verschiedenen Stilen, was auch durch eine Vielzahl an Produzenten entsteht. Wie ist das bei „Montenegro Zero“

Es war am Anfang so angepriesen, dass ich meine Hauptproduzenten habe. So wie ich das bei den anderen beiden Mixtapes auch gemacht habe. Da war Asadjohn mein Hauptproduzent. Aber er hatte auch nichts dagegen, dass ich mal einen Beat von Drunken Masters mit reinnehme. Und bei Kitschkrieg war auch die Idee, dass die meine Hauptproduzenten sind aber ich gerne zwei drei andere Fremdbeats mit reinnehme. Aber dann waren die Beats von der Qualität nicht gut genug, sodass ich dann ein komplettes Album mit denen gemacht habe.

Du bist schon in die Schweiz gefahren um Songs zu schreiben oder dir sind Texte zu Popsongs in Bars eingefallen. Wie leicht oder schwer viel dir das Schreiben dieses Mal?

Ich habe Urlaub gemacht. Ich hatte meinen Laptop mit und konnte mit der ganzen Idylle überhaupt nichts anfangen. Mein schweren 2011er Laptop habe ich mit in die Gondel genommen, Videos gemacht und so. Ich kann auch gar kein Ski fahren. Dann saß ich oben im Restaurant auf dem kleinen Matterhorn und habe Texte geschrieben.

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In deinem Song Serienmodell singst du „Ich bin ganz anders und speziell, ich bin ein Serienmodell“. Inwiefern ist es mittlerweile Mainstream individuell sein zu wollen?

Das ist ein komplizierteres Thema. (lacht) Also bei mir ist das so, dass ich schon als Kind darauf geachtet habe, dass nicht jeder die selben Klamotten trägt wie ich. Ich war immer anders. Und das wollte ich auch unbedingt. Wenn wir uns damals im Sport in eine Reihe aufstellen mussten und ich es nicht geschafft habe ganz vorne zu stehen, dann habe ich mich nach ganz hinten gestellt. Dieses Mittlere, da muss man einen Psychologen fragen, das konnte ich einfach nicht. Das war für mich schlimm. In der Jugend, und wenn man sich verknallt hat, denkt man von sich immer, dass man das Ultimatum ist. Nicht das Ultimatum, das stimmt gar nicht. Man denkt man ist besonders und speziell oder auch was besseres. So ein Egokünstler. Aber die Typen haben sich eigentlich immer in die „Normcore-Bitches“ verliebt. Und da hat sich vielleicht auch so ein Hass entwickelt.

Hass auf die Typen oder Hass auf die „Normcore-Bitches“?

Ne auf diese normalen Frauen. Die dann mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als ich, weil sie angepasst waren und keine Angriffsflächen hatten. Und dann habe ich irgendwann, vielleicht auch viel zu spät diesen Song geschrieben. Und habs so ein bisschen verarscht: Das ich das Serienmodell bin. So ein bisschen hopsgenommen.

Du hast noch gar nicht so viel Tourerfahrung. Gibt es etwas was du dir für deine kommende Tour vornimmst?

Eine Tour hatte ich bisher. Ich habe ja erstmal die Tour gekürzt. Ich sollte ja viel mehr spielen. Jetzt ist das ja ne Mini-Tour mit 11 Gigs. Wenn das gut läuft hänge ich noch ne Tour dran. Aber diesmal vielleicht mit einem Mann fürs Licht. Einen eigenen. (lacht)

Früher war Rap eigentlich nur durch Männer geprägt. Viele Frauen starten im Rap gerade durch. Sookee, SXTN. Findest du das wichtig?

Mit Nura von SXTN verstehe ich mich und die machen da komplett ihr Ding. Aber das sind nicht meine Themen oder Dinge für die ich mich interessiere. Die Sachen für die ich mich interessiere, verarbeite ich in meinen Songs. Und für alles andere interessiere ich mich nicht.

Die Taz hat dir quasi ein „Punkerdasein“ attestiert. Nicht im Sinne einer politischen Rebelligkeit sondern vielmehr so, dass du der Leistungsgesellschaft den Mittelfinger zeigst. Ist das so?

Ja die sagen Punk, weil sie dafür kein anderes Wort finden. Die Gedanken sind Punk. Die Bewegung ist Punk. Aber das heisst ja nicht, dass ich wie ein Punk auftrete. Dabei bin ich jetzt auch „Leistungssportler“ in diesem Sinne. (lacht) Aber wie gesagt, ob ich der Leistungsgesellschaft den Mittelfinger zeige oder so, dass sind überhaupt keine Sachen über die ich mir Gedanken mache. Kann sein, dass das unterbewusst so ist. Aber ich denke nicht darüber nach, weil ich nie in der normalen Gesellschaft zu Hause war. Ich hatte ne andere Erziehung, durfte schon immer machen was ich wollte, war auf einer Gesamtschule wo 80% nur Ausländer waren. Dann hatte ich Freunde, die immer in der Roten Flora abgegammelt haben. Ich ja auch als Jugendliche. Aber es war halt nie so, dass ich nach Hause gekommen bin und mich wieder benehmen musste. Mir stand nichts im Weg um mich frei zu entwickeln.

Du bist damals von Langenhorn in die Schanze gekommen, um das echte Leben mitzubekommen. Hast den Wandel eines Szeneviertels mitbekommen? Wie gerne hälst du dich noch an den In-Orten Hamburgs auf?

Also ich kann da gar nicht mehr sein. Das ist richtig gestorben für mich. Jetzt ist der Punkt gekommen wo ich eigentlich wegziehen müsste. Aber diesen Schritt gehe ich nicht. Du kannst ja nur nach Berlin ziehen als Musiker. Mein Management und alles ist da und ich hätte auf jeden Fall ein gutes Leben. Ich gehe nicht mehr an die Orte zurück wo ich früher immer war. Ich mein in der Flora war ich als ich 16 war. Jeder Teenie hat halt so seine Zeit.

Also war die Flora für dich nur ein Ort wo du dich als Jugendlicher sozialisiert hast oder war es auch ein politischer Ort für dich?

Ne. Da waren einfach nur die Freaks. Und in Langenhorn waren keine Freaks. Da waren irgendwie die lustigen Leute aus der Neustadt. Die gabs ja in Langenhorn nicht, diese coolen Leute.

Gibt es den andere Orte in Hamburg die sich zu coolen Punkten entwickeln?

Man muss dazu sagen, dass ich gar keine Freizeit mehr habe um irgendwo hinzugehen. Das fragen mich Leute und ich kann das gar nicht beantworten. Ich ghe nirgendwo hin. (lacht) Ich war jetzt zweimal essen bei dem neuen Japaner in der Clemenz-Schulz-Straße. Ich probiere auf jeden Fall immer neue Restaurants aus. Gestern habe Bonez MC getroffen. Den treffe ich irgendwie immer letzter Zeit. Der war gestern auch beim gleichen Vietnamesen wie ich.

Bonez MC und die 187 Straßenbande haben auf ähnlichen Ecken rumgehangen wie du. Ihr seid beide mit modernen Rap erfolgreich“¦

Aus der Schanze haben es eigentlich nur 187ers und ich geschafft. Also ich weiss nicht, ob ichs geschafft habe aber die haben es geschafft. Und das waren die, die früher an denselben Orten rumgehangen haben wie ich. Deswegen ist das für mich auch so komisch. Man kennt sich.

Wie ist es, wenn Leute dich auf der Straße erkennen. Fühlt sich das immer gut an?

Ich sage: „Freut mich“. Aber ich komme da eigentlich gar nicht drauf klar. Ich freue mich natürlich wenn mir jemand was cooles sagt, dafür macht man das ja auch ein bisschen. Wäre ja auch komisch wenn man sagt: „Ich tu es nur für mich“. Sage ich vielleicht auch manchmal in Interviews. Aber wenn ich jetzt auf einer Austellung bin oder so, komme ich darauf ehrlich gesagt nicht klar bekannt zu sein. Es ist schlimm wenn ich in einem geschlossenen Raum bin und die Leute gucken. Die kommen ja nicht auf einen zu, sondern gucken nur. Das kann ich nicht ab.

Mit dem neuen Album wird das ja nicht unbedingt besser“¦

(lacht) Ja ich weiss, es gibt keinen Weg zurück. Ich weiss auch nicht so richtig was ich jetzt machen soll. Ich arbeite das einfach ganz dumm ab und dann mal gucken. Mal gucken wie lange sich die Leute interessieren. Das ist wie mit einem Computer: Einer interessiert sich für dich, dann interessieren sich auf einmal alle für dich. Und dann interessiert sich keiner mehr für dich. Davor wurde ich schon gewarnt. Auch wenn man jetzt keinen Bock hat die Emails zu lesen die reinkommen, weil es kommen viele Emails rein. Es wäre trotzdem ein Entzug wenn es nicht mehr so ist.

Warum kommt das Album komplett ohne Featureparts aus?

Weil Udo Lindenberg abgesagt hat.

Ist das denn noch in Planung?

Wir werden sehen.

„Montenegro Zero“ Albumcover

Dein Albumcover habe ich nicht verstanden. Vielleicht liegt es auch an der Auflösung die das Bild hatte, dass mir zugeschickt wurde. Was hälst du in der Hand. Oder möchtest du die Deutungshoheit bei sich lassen?

Da habe ich ne Tasche in der Hand.

Und was hat es damit auf sich?

Das ist ganz komisch. Da ist wieder alles schief gelaufen. (lacht) Erst hiess es: Ich mach auf ladylike mit dickem Auto und so. Dann meinte ich: „Nö ich will kein Auto, ich will einen Katamaran“. Und dann haben wir ein Fotoshooting auf einem Katamaran gemacht.

Haiyti Die Kleine macht jetzt Kasse Tour 2018

23.02.2018 – Frankfurt, Zoom
24.02.2018 – Münster, Skaters Palace
25.02.2018 – Hannover, Faust
02.03.2018 – Köln, CBE
03.03.2018 – Zürich, Exil
04.03.2018 – Stuttgart, Im Wizemann
09.03.2018 – München, Hansa
10.03.2018 – Wien, Grelle Forelle
11.03.2018 – Leipzig, Täubchenthal
16.03.2018 – Berlin, So36
18.03.2018 – Hamburg, Mojo