Fettes Brot hatten vor Erscheinen ihres neuen Album „3 is ne Party“ zu einer Prelistening Session samt Interview in ein Café im Hamburger Schanzenviertel geladen. Leicht gehetzt und etwas genervt von Problemen mit meinem Drahtesel hatte ich es gerade noch rechtzeitig mit einem Taxi zu der Session geschafft.
13 neue Fette Brot Songs später war die gute Laune jedoch zurück und ich war bereit für das Gespräch mit Martin Vandreier, Björn Warns und Boris Lauterbach aka Dokter Renz, Björn Beton und König Boris aka Fettes Brot.
Wie würdet ihr „den Mix“ des neuen Albums beschreiben?
Björn: Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass das Album nach wie vor eine Hip-Hop Platte ist, mit all dem was Hip-Hop 2013 benötigt, ist. Als Motto gilt da für mich persönlich immer: „Lets Push Things Forward“ wie Mike Skinner von The Streets mal so schön gesagt hat. Die Grenzen weiter auszutesten, weiter etwas voranzubringen, sowohl vom Rap als auch vom Inhalt her. Musikalisch neue Wege zu gehen.
Ich habe heute im Laufe des Interview-Tages festgestellt, dass mich eigentlich jeder Song auf der Platte in irgendeiner Weise auch überrascht hat. Nach dieser Pause, als wir angefangen hatten mit der Platte, war vieles noch unklar, wie das neue Album sein würde. Tatsächlich ist aber nun jeder Song für mich eine Überraschung.
Boris: Man hört auf dem Album auch das komplette Fettes Brot Musikspektrum in dem wir uns bewegen. Von Ingo Ingsterburg mit „Ich liebte ein Mädchen…“, bei dem wir uns bedient haben, über eine Janet Jackson, die drin auftaucht.
Renz: Als Zitat bzw. musikalische Querverweise.
Boris: Über ein Biggie Smalls Zitat oder ein Wu-Tang Clan Zitat. Ich glaube was sowohl textliche als auch popkulturelle Querverweise angeht, steckt das auch so in der Musik. Wir hören ja nicht nur Rap, sondern wir hören auch viel anderes Zeug. Ich glaube, alles findet seinen Wiederhall auf der Platte.
Renz: Obwohl die Platte sehr viele unterschiedliche musikalische Einflüsse genossen hat, haben wir trotzdem das Gefühl, dass der Sound doch sehr stringent geworden ist. Wir haben sehr intuitiv und sehr direkt an dem neuen Album gearbeitet und damit, so glaube ich, den Flavor, der von Anfang an da war, bis zum Ende der Produktion bewahrt. Durch die Pause sind wir auch sehr energiegeladen an die Sache rangegangen und haben von Anfang an auf Sieg gespielt. (Alle lachen.)
Mein Höreindruck ist noch recht frisch. „Crazy World“, „Mehr Gefühl“ und „Klaus und Klaus und Klaus“ sind nach dem ersten Durchgang meine Lieblingstracks, weil die Songs alle sehr funky sind. Meiner Meinung nach werden heutzutage kaum noch deutschsprachige und funkige Hip-Hop-Tracks veröffentlicht.
Boris: Das zeigt, dass wir mal wieder ein neues Album machen mussten.
Genau, aber…
Renz: Zu den gleichen Stücken hat unser Interviewpartner im letzen Interview gesagt, dass sie ihn an French House Afterwork Club Party erinnern.
Ich habe 1994 angefangen, euch zu hören. Die erste CD die „Definition von Fett“ Maxi von meinem jüngeren Bruder. Damals hatte der Hip-Hop im Allgemeinen mehr Funk-Referenzen.
Björn: Das ist ein ganz interessanter Punkt und damit kann ich auch etwas anfangen, denn natürlich hat der Hip-Hop, auch der amerikanische, über die Jahre hinweg sich so ein wenig vom Sould & Funk verabschiedet. Gleichzeitig gibt es aber auch immer wieder positive Gegenbeispiele. Ob das nun die Golden Age of Hip-Hop Veranstaltungen in Hamburg sind oder das Album von Kendrick Lamar, welches eine ganz interessante Mischung zwischen einem gewissen Golden Age of Hip-Hop Jazz Sample kombiniert mit dem Drumcomputer des modernen Hip-Hops schafft. So etwas gibt es in Deutschland ja erstmal nicht. Es gibt sehr viele neue und kreative Ansätze von Hip-Hop Musik. Angefangen von Casper über zu Cro. Von Indie-Rock oder -Pop.
Renz: Das ist aber ein weiter Weg von Indie-Rock oder -Pop.
Björn: Ich meinte jetzt eher Indie-Rock wie ihn Casper macht und Indie-Pop ist jetzt eher so „Whatever“ von Cro. Diese Referezen meinte ich.
Boris: Ich habe aber schon das Gefühl, dass wir ein klassisches Fettes Brot Album gemacht haben. So ein bisschen back to the roots aber ohne dabei selbstzitierend oder nostalgisch zu werden, sondern wir haben das was uns ausmacht in eine moderne Form gegossen. (Zustimmung bei Renz und Björn.) Ich glaube, was die Raps, den Wortwitz und die Themen Hamburg, Liebe und Party, das sind ja so drei Dinger die auf Fettes Brot Platten immer stattfinden, angeht….
Renz: Und auch ein bisschen diese „gib mir mal das Mikro, ich hab auch noch was zu sagen“ Geste. Ich finde man hört, dass wir mit einem Mikro aufgenommen haben. Jeder hatte Zeit für seine Strophe. Es gab kein Gedrängel.
Boris: Doch manchmal schon.
Renz: Aber so von der Dringlichkeit der Vortrags ist es schon so,
Boris: dass man dem anderen gern das Mikro aus der Hand genommen hätte.
Das habe ich nicht gehört. Ich hatte erwartet, dass mich ein Album im Stil von „Kuss Kuss Kuss“ oder „Dynamit und Farben“ erwartet. Also Abriss und eher nur Party.
Björn: Aber so war es nicht?
Nein, so war es nicht. Ich hatte, wie Boris es gerade geschildert hatte, den Eindruck, dass es
ein klassisches Fettes Brot Album mit ebenfalls schönen funkigen Tracks ist, deshalb bin ich
auch sehr positiv überrascht.
Boris: Ich glaube, da sind wir auch selber zu vielseitig, dass es uns passieren könnte, dass wir eine Platte machen, die uns keinerlei Spielraum oben, unten, links und rechts bietet.
Als ich auf eurem Konzert in der Großen Freiheit 36 vor ein paar Wochen war, meine ich zwei Beobachtungen gemacht zu haben.
- Obwohl ihr schon seit über 20 Jahren auf der Bühne steht, zieht ihr immer noch recht junges Publikum an.
- Der deutsche Hip-Hop ist heute schneller als vor 20 Jahren. Ihr geht das Tempo insbesondere auch live mit.
Macht ihr euch Gedanken über eure Zielgruppe? Beeinflusst euch das in irgendeiner Art und
Weise?
Renz: Hip-Hop Einströme beeinflussen uns definitiv. Auch hören wir sehr aufmerksam neue Musik und spielen uns diese auch gegenseitig vor. Das nimmt dann natürlich schon Einfluss auf unserer eigene Musik. Es wäre ja auch schade, wenn wir uns nicht befruchten lassen würden, aber so ganz konkret wie z.B. „checken das unsere Fans“ gehen wir natürlich nicht an unsere Musik ran. Wir haben im Laufe der Jahre relativ schnell gemerkt, dass man sich selbst vertrauen muss. Unser Motto für diese Platte war: Wenn wir über die Texte lachen können, können die anderen auch darüber lachen. Und das gilt auch für die Musik: Wenn wir zur Musik tanzen können, können die anderen es höchstwahrscheinlich auch.
Boris: Man hat ja nicht viele Sachen an denen man sich orientieren kann. Man hat sich selber. Wir haben zum Glück noch ein paar Personen, die auch mal reinhören was wir so machen, und uns behilflich sind, aber ansonsten denken wir während des Machens eigentlich nicht über Verwertbarkeit nach.
Humor spielt bei eurer Musik also eine wichtige Rolle?
Björn: Ja, selbst bei den Liedern die so ganz, ganz ernst gemeint sind.
Wie bei „Crazy World“?
Björn: Wie bei „Crazy World“ oder bei „Echo“. Selbst da versuchen wir trotzdem unterhaltsam zu sein und den ein oder anderen Witz einzubauen, sei es nur, „ein Hochhaus, das so groß ist wie ein Hochhaus“, was ja irgendwie nur ein lustiger Satz ist, aber der Song ist deswegen ja nicht witzig.
Das schließt sich ja auch nicht aus?
Björn: Genau, es schließt sich nicht aus. Genauso wenig wie sich eben ausschließt, dass man einen Partysong macht, der auch eine Meinung transportieren kann wie z.B. „Bettina“ oder „Dynamit und Farben“.
Seid ihr eigentlich mit dem Ausgang der Wahl zufrieden? (Das Interview fand kurz nach der
Wahl statt.)
Boris: Ja. Wir sind ja bekannt dafür, dass wir die eingetretenen Pfade gerne weitergehen. (Achtung:
Ironie!) Schade ist ein bisschen, dass die FDP rausgeflogen ist, aber ansonsten ist es eine gute Wahl
gewesen.
Ist einer von euch Brillen- oder Kontaktlinsenträger?
Björn: Ja, wieso?
Weil es ja sein kann, dass Philipp Rösler wieder praktizieren wird. Der ist ja Augenarzt.
Stellt euch vor, ihr geht zum Augenarzt und auf einmal ist Rösler da.
Boris: Da geb‘ ich Dir mal das kleine Detail preis, dass er mal mit seiner Frau auf einem Konzert
von uns in Hannover war und einem kollabierenden Fan geholfen hat.
Renz: Das ist menschlich total in Ordnung, ist uns aber peinlich. (Wieder Ironie?)
Auf eurem Deutsch-Rap Medley zitiert ihr auch viele der jüngeren Künstler. Beeinflussen
euch diese und wenn ja inwiefern?
Renz: Wir sind da eifrig am diggen, am Internet durchforsten und kriegen natürlich auch viel mit
und lesen natürlich auch viele Blogs.
Welche?
Renz: Äh.
(Kurze Pause.)
Björn: Blogbuzzter z.B..
Ja, der ist gut. Der Basti ist auch ein sehr guter DJ.
Boris: Uns fordert das halt heraus, dass da so viele neue Leute sind, die geile Sachen machen. Wir denken dann: „So, jetzt müssen die mal sehen, wo der Hammer hängt. Fettes Brot sind auch immer noch da und so kann das auch gehen.“ So ein sportlicher Ehrgeiz nochmal einen drauf zu legen, der ist uns nach wie vor inne.
Renz: Ich möchte mir gar nicht ausdenken, wie die Platte klingen würde, wenn es einfach keine Konkurrenz gegeben hätte oder keine Neuentwicklung im Hip-Hop.
Ihr seid schon mit Kraftklub und den Orsons auf Tour gewesen. Nun geht ihr MC Fitti auf Tour. Was musste euch MC Fitti zahlen, um bei euch im Vorprogramm zu spielen?
Boris: Leute die wir gut finden, haben wir schon immer mit auf Tour genommen. MC Fitti finden wir auch gut und der muss auch nichts dafür bezahlen.
Renz: Das haben wir von den Ärzten gelernt. Wir hatten damals die Gelegenheit bei Herbert Grönemeyer mit auf Tour zu gehen. Und dann haben wir schon damit geliebäugelt, aber es sollte Geld kosten.
Boris: Das gibst Du ihm aber Unrecht, das waren die Produktionskosten gewesen.
Björn: Nicht pay to play.
Renz: Und dann kam Bela B zu uns in Studio. Wir haben einen Song zusammen aufgenommen. („Tanzverbot (Schill to Hell)“). Das hat auch geklappt. Der meinte dann: „Ihr wollt mit Grönemeyer auf Tour? Wir gehen ja auch auf Tour zur selben Zeit. Wie wäre es denn, wenn ihr bei uns mitkommt?“ Und dann haben wir gesagt: „Das ist ja krass“, denn das hat uns nicht nur künstlerisch angesprochen, nein, es sollte auch viel weniger Kohle kosten, diese Vorbandposition zu beziehen, weil die Ärzte das eher als Einladung an Gäste verstehen, an musikalische Freunde, die sie gerne im Vorprogramm hätten. Eine Sache von vielen die wir uns bei unseren älteren Freunden den Ärzten abgeguckt haben.
Boris: Das Rappen haben wir auch von denen gelernt. Freundlich sein und rappen.
Renz: Und auf jeder Platte ein Lieder über ne‘ Frau machen.
Boris: Man könnte sagen, wir sind die deutschen Ärzte.
Vor einer Woche hatten Fettes Brot ein Heimspiel in der Hamburg O2 World. Ihr Konzert in Köln läuft auf Rockpalast.de.
Tourdaten:
18.01.14 CH-Gstaad, The Grand Gstaad Wintergames
22.01.14 Bielefeld, Seidenstickerhalle
23.01.14 Dresden, Ater Schlachthof
24.01.14 A-Wien, Gasometer
26.01.14 CH-Zürich, Komplex
27.01.14 München, Zenith
28.01.14 Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft)
30.01.14 Dortmund, Westfalenhalle 1
31.01.14 Hannover, Swisslife Hall
01.02.14 Stuttgart, PorscheArena
02.02.14 Lingen, Emsland Arena
04.02.14 Bremen, Pier 2 (ausverkauft)
05.02.14 Fürth, Stadthalle
06.02.14 Leipzig, Haus Auensee
07.02.14 Berlin, Columbiahalle (ausverkauft)
15.03.14 CH-Davos, Snow Jam
20.-22.06.14 Neuhausen ob Eck, Southside Festival
20.-22.06.14 Scheeßel, Hurricane Festival
PS: Phlippp Rösler schließt tatsächlich mit der Politik ab. Er wird jedoch nicht als Augenarzt praktizieren, sondern er wird einer der Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums werden.
Fotos: Testspiel.de / Fotos in der O2 World mit der Samsung Galaxy NX