Am Wochenende war ich beim Southside unterwegs und hab mir trotz Eiseskälte jede Menge guter Musik gegönnt. Neben erwartbaren Größen wie Placebo und ein paar Enttäuschungen (Death Cab For Cutie hatten leider mit dem schlechtesten Sound des Festivals zu kämpfen) gab es auch eine Hand voll Gigs, die zumindest mir definitiv aus verschiedenen Gründen im Gedächtnis bleiben werden. Gelistet wird natürlich nicht nach qualitativen Kriterien, sondern an der Running Order entlang.
Madsen
Foto: Matthias RhombergAuch wenn ihre Alben nicht mehr durchgängig überzeugen, sind Madsen in den vergangenen Jahren zu einer der besten großen Livebands des Landes gereift. Schön, dass dieser Umstand auf dem diesjährigen Southside auch mal in der Position als (zumindest gefühlter) Co-Headliner greifbar gemacht wurde. Durch die kurzfristige Absage von Ben Howard waren Madsen pünktlich zur Promophase ihres kommenden Albums mit bekannten Hits, etlichen Zitaten („Smells Like Teen Spirit“!), persönlichen Perlen („Love Is A Killer“!) und zwei neuen Stücken an Bord. 75 Minuten lang gab es da feinste Rockunterhaltung mit perfekter Dramaturgie und beste Stimmung im Publikum. Eine Notlösung sieht anders aus, vielmehr geht der Auftritt als Bewerbung auf noch größere Positionen im Billing durch.
Florence + The Machine
Foto: Kai MarksEine deutlich größere Rolle im Billing spielten in diesem Jahr bereits Florence + The Machine: Vom frühen Abend auf der Blue Stage vor drei Jahren ging es dieses Mal direkt auf die Headliner-Position. Vielerorts sorgte diese Verpflichtung für Stirnrunzeln, und auch ich musste zugeben, dass die großen Headliner in diesem Jahr ein wenig auf der Strecke blieben. Im Gegensatz zu seinen wettpokernden Konkurreneten setzt das Southside aber traditionell tendenziell auf Aufsteiger und qualitativ hochwertige Bands der Alternative-/Indie-Szene, und nach ihrem Auftritt am Freitag kann man Frau Welch und ihren KollegInnen beide Kategorisierungen kaum vorenthalten. Große Gesten, viel Glitzer und vor allem verdammt viele ausgezeichnete Songs kulminierten in einem wunderbaren Set. Florence + The Machine füllen die ihnen zugestandene Position deutlich besser aus als so manch riesige, aber irrelevante Gruppierung, die sich in der Regel in der Headliner-Riege tummelt.
Fidlar
Von der kompletten Überfüllung, die Casper nachts auf der Red Stage auslösen sollte, war bei den Kaliforniern Fidlar noch wenig zu spüren. Die Band startete am Samstag gegen 18:00 Uhr dennoch einen dreiviertelstündigen Abriss, an den andere Kollegen erstmal ranreichen müssen. Ihr knackiger Surf-Punk forderte immer wieder Moshpits, ihre Hingabe zu gelegentlichen Lärmattacken strapazierte das Gehör. Auf der Red Stage war die Band definitiv besser platziert als auf der Hauptbühne, die sie 2013 sonntags eröffnen durften. Die lächerliche Helium-Stimme von Bassist Brandon Schwartzel war da nur ein bizarres Detail in einem Konstrukt voller Eigenheiten, die den Auftritt zu Fidlar zu einem der besten des Festivals machten. Nur der Vollständigkeit halber: Auch meine übrigen Vorab-Empfehlungen konnten, so weit überprüft, überzeugen, besonders die Marmozets mit einem ziemlich überdrehten Set ohne den offensichtlichen Hit „Born Young And Free“.
Alligatoah
Foto: Manuel RuschUnkenrufe gab es neben fehlender „würdiger“ Headliner vorab auch mit Blick auf den hohen Hip Hop Gehalt im Line Up, der gerade am Sonntag nicht von der Hand zu weisen war. Die Menge, die sich am Nachmittag zu Alligatoahs Auftritt an der Blue Stage versammelte, sprach da jedoch eine andere Sprache. Der Rapper belohnte das Interesse mit einer frischen Bühnenshow, die mit Terroristen, Beraterboi Basti und Wolken aus Holz aufwartete. Eine Stunde lang gab es neben allerlei unterhaltsamer Einlagen auch die möglicherweise höchste Ohrwurmdichte des Festivals, die das Southside spätestens bei „Willst du“ zu einem gigantischen Chor mutieren ließ. Gewürdigt seien hier auch die später aufspielenden und ebenfalls hochgradig unterhaltsamen K.I.Z., deren Auftritt ich jedoch zur Hälfte in Richtung des (im übrigen ebenfalls überraschend fabelhaften) Farin Urlaub Racing Teams verlassen habe und daher keine Lanze für den gesamten Gig brechen kann.
Die Antwoord
Foto: Manuel RuschMarteria, Jan Delay, Farin Urlaub: Der Sonntag stand eigentlich ganz im Zeichen von wunderbarer, massentauglicher Unterhaltung. Das Festival war überstanden, die Menschen erfreuten sich des doch noch akzeptablen Wetters und fielen teils blitzartig aus allen Wolken, als Die Antwoord die Bühne betraten. Mit dem wohl wuchtigsten Sound des gesamten Festivals durfte die Crew aus Südafrika ihre bizarre Mischung aus Hip Hop und Rave auf die Bühne bringen und damit wahlweise begeistern, faszinieren oder schockieren. Die anstößigen Animationen taten ihr übriges, um die groteske Szenerie perfekt zu machen; und das auf einem der größten Festivals des Landes, auf der Hauptbühne. So viel Ausrasten war selten, auf beiden Seiten der Green Stage. Ein Auftritt, den sicher keiner der Anwesenden so rasch vergessen wird und somit symptomatisch für ein Southside, das mit großen Namen vielleicht geizte, sich aber mit mutigen Entscheidungen von der Konkurrenz abgrenzen konnte. Vielleicht wäre es ja generell der richtige Schritt, sich in der deutschen Festivallandschaft mal wieder gesundzuschrumpfen.