Lang, lang ist’s her, dass wir hier eine Unstatistik veröffentlicht haben. Aber mit dem Start der Bundesliga, muss nun mal wieder ein bisschen Senf dazu gegeben werden. Denn wer es noch nicht wusste: Fußball-Fans haben die höchste Bildung. Wer jetzt nicht überrascht ist – vor allem vor dem Hintergrund der Ausschreitungen während der EM 2016 – muss stark sein, denn ausgerechnet die Aufsteigerfans des SC Freiburg sind auf Platz 1, mit 73,4% Fans, die einen Hochschulabschluss haben (Südkurier). Doch jetzt kommt es noch doller: Sogar der Drittletzte in diesem Fußballfan-Bildungsranking kann mit stolzen 63,5% Hochschulabschlüssen unter seinen Fans angeben (shz.de). Und dabei handelt es sich um keinen geringeren Verein als den deutschlandweit hochgeschätzten HSV.
Welch frohe und mutmachende Kunde aus den Reihen der Fußballfans – Fußball das Bildungsland. Irgendwie komisch, hat doch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Deutschland mehrmahls wegen der geringen Akademikerrate getadelt. Denn 2015 verfügten nur 16,3% der Bevölkerung über einen Hochschulabschluss (Bachelor, Master, Diplom oder Promotion). Da stimmt doch was nicht, wenn selbst unter den HSV-Fans angeblich mehr als die Hälfte einen Hochschulabschluss haben sollen. Also woher kommen diese Daten?
Die Antwort lautet Xing. Das Portal hat eine Nutzerbefragung durchgeführt und diverse Medien haben sich mit o.g. Aussagen auf die Ergebnisse gestürzt. Als Konsequenz beziehen sich die Zahlen allerdings nicht auf alle Fans der Fußballvereine, sondern lediglich auf jene Fans, die auch bei Xing sind, die Schnittmenge. Nur hat Xing überdurchschnittlich viele Akademiker als Mitglieder und dementsprechend viele Hochschulabschlüsse. Die Zahlen sind also weder repräsentativ für die Fußballfans, noch für Deutschland.
Es ist der altbekannte Journalistenfehler, dass zwar eine korrekte Prozentzahl berichtet, aber die falsche oder keine Referenzklasse angegeben wird. Korrekt wäre: 63,5% aller Xing-Mitglieder, die außerdem Fan des HSV sind, haben einen Hochschulabschluss.
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de.