Nach der Wiedervereinigung wurde in Form von Autobiografien sowie aus wissenschaftlicher und journalistischer Perspektive ausgiebig dokumentiert, dass es in der DDR trotz massiver Schikanen durch die Staatsmacht eine sehr vitale Punkszene gab. Mit „Stirb nicht im Warteraum der Zukunft“ des US-Autors Tim Mohr ist in diesem Jahr ein weiteres, lesenswertes Werk zum Thema erschienen. Mohr lebte zur Wendezeit in Berlin und lernte dort die Protagonisten seines Buch kennen. Viele von ihnen waren inzwischen fester Bestandteil der aufblühenden Technoszene in der wiedervereinigten Hauptstadt und veranstalteten dort Partys und Clubs in den leerstehenden Gebäuden im ehemaligen Grenzgebiet.
Mohrs Werk ist in vielerlei Hinsicht empfehlenswert. Es in einem ansprechenden Stil geschrieben, der trotz des dokumentarischen Anspruchs eines Sachbuchs Spannung erzeugt, wenn beispielsweise die Proberäume der Punks nach Textbüchern durchsucht, Aufnahmen in den Westen geschmuggelt oder sie von der Stasi zum Verhör einkassiert werden. Gleichzeitig ist es beklemmend und macht wütend, wenn einem klar wird wie unmenschlich das Regime gegen die teilweise noch Minderjährigen vorgegangen ist, die zu einem großen Teil nicht die Absicht hatten aus der DDR abzuhauen, sondern lediglich nach ihren eigenen Vorstellungen leben und das Land besser machen wollten.
Mohr gelingt es mit seinem Buch ein umfassendes Bild der Punk-Bewegung in der DDR zu beschreiben, die nicht nur in großen Städten wie Berlin und Leipzig stattfindet, sondern auch in Weimar, Halle oder Erfurt Anhänger findet. Trotz eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeiten gelingt es den Punks ein landesweites Netzwerk zu spannen und sich auszutauschen. Vorallem die Kirche bietet den jungen Punks die Möglichkeit sich zu treffen und Konzerte zu veranstalten, was ohne staatliche Spielerlaubnis sonst nicht möglich ist.
„Stirb nicht im Warteraum der Zukunft“ ist eine Bereicherung für die Dokumentation über die ostdeutsche Punkszene, die zeigt wie mit wie viel Überzeugung die Protagonisten hinter ihrer Vision für eine bessere DDR standen. Jeglicher Ostalgie zum Trotz muss man die DDR als das in Erinnerung behalten, was sie war: ein ekelhafter Unrechtsstaat. Dieses Buch trägt mit dazu bei, dass der repressive Charakter dieses System nicht in Vergessenheit gerät.
„Stirb nicht im Warteraum der Zukunft“ von Tim Mohr ist im März 2017 bei Heyne Hardcore erschienen.