Ich weiß noch genau, wann ich das erste Mal mit Techno und Maximilian Lenz aka Westbam in Berührung gekommen bin. Ich war 13 und auf einer Jugendfreizeitfahrt 1994 nach Dänemark legten die Betreuer an den „Discoabenden“ immer diese mir bis dato unbekannte Musik auf, deren Energie mich nachhaltig gepackt hat. Zum Leidwesen meiner Eltern drangen neben Nirvana, Guns n“™ Roses und den Fantastischen Vier jetzt auch Techno, Rave und Trance in voller Lautstärke aus meinem Kinderzimmer. Einer der großen Hits in dem Jahr war definitiv Westbams „Celebration Generation“, das neben Rave-Schlagern wie Marushas „Somewhere over the Rainbow“ ebenso Eingang in meine Musiksammlung fand, wie Platten von Laurent Garnier, Speedy J oder Eye Q und Harthouse, den Labeln von Sven Väth. Es sollte halt einfach noch ein paar Jährchen dauern, bis es mir gelang etwas besser die Spreu vom Weizen zu trennen.
Dass zur selben Zeit in der ich meine Eltern in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen mit meiner neuentdecken Liebe zu Techno nervte, die Kids aus Ost und West in leerstehenden Gebäude im wiedervereinigten Berlin wilde Partys feierten, bekam ich dabei ebenso wenig mit wie die Diskussion, um den Sellout der „Raving Society“ für den viele Westbam und das Low Spirit Umfeld mitverantwortlich machten. In meiner Erinnerung waren die Übertragungen von Mayday und Loveparade auf VIVA das Größte und wurden natürlich akribisch auf VHS aufgenommen, um anschließend die besten Parts auf ein Tape für den Walkman zu packen.
DJ, Produzent & Geschichtenerzähler
Im Alter von 50 Jahren hat Westbam nun seine Autobiographie „Die Macht der Nacht“ veröffentlicht. Der Titel bezieht sich auf die gleichnamige Partyreihe, die in den 80er in einem Partyzelt an verschiedenen Orten in der Republik unterwegs war. Die Autobiographie lebt vor allem von vielen kurzen Geschichten und Anekdoten, die Westbam knapp, nüchtern, aber auch mit viel Humor herunter geschrieben hat. Nur kurz widmet er sich zum Einstieg seiner Kindheit und Jugend, die er als eines von drei Geschwistern im antiautoritären Hippie-Haushalt seiner Eltern in Münster verbringt. In Münster gehört er zu den Punks und New Wave Fans der ersten Generation, wodurch er seine Leidenschaft für die Musik und später das Auflegen entdeckt. Im Verlauf des Buches spielen Familie (außer natürlich Bruder Fabian aka DJ Dick) und Privates keine weitere Rolle und auch auf Bilder und die typischen Schnappschüsse, die in vielen Musikerbiographien abgedruckt werden, wird vollkommen verzichtet. Man hat das Gefühl Westbam will sich absolut auf die Musik, das DJing und seine Rolle in der Zeit, als Techno und House immer populärer wurden, fokussieren.
Statt popkultureller Einordnung trifft der Leser auf einen weit gereisten Geschichtenerzähler, der es sich nicht verkneifen kann hin und wieder einen Seitenhieb gegen alte Konkurrenten loszulassen und seine Sicht der Dinge darzulegen. Insgesamt gelingt Westbam mit „Die Macht der Nacht“ ein persönlicher Rückblick auf die Zeit vor und nach dem Mauerfalls und ein interessanter Blick hinter die Kulissen der „ravenden Gesellschaft“. Spannend natürlich für alle, die mittendrin waren oder wie ich gerne (mehr) dabei gewesen wären, aber einfach noch zu jung waren.
Die „Macht der Nacht“ von Westbam ist Anfang März im Ullstein Verlag erschienen.