Bei einem Konzert der Sleaford Mods bekommt man genau das, was man erwartet. Pop, Politik und Post-Punk. Wir befinden uns im Docks, nachdem es vom Uebel & Gefährlich hochverlegt wurde – zum Missfallen einiger. Dennoch scheinen die wenigsten ihre Karten aus Protest wieder abgegeben zu haben, denn im Docks ist es rammelvoll. Auf die Sleaford Mods aus Nottingham haben offensichtlich die unterschiedlichsten Menschen Bock – seit ihrem Durchbruch mit „Divide And Exit“ ist es längst keine Musik mehr von der Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse. Und so schiebt sich ein sehr gemischtes Publikum durch das Docks, für Pogen oder ausgelassenes Tanzen ist kaum Platz.
Schon bevor es losgeht, ist klar, dass kein seichtes Konzert ansteht: die Pausen-Musik besteht aus frickeligem Noise, abgelöst von Acid House und Metal. Mit Konfetti eröffnet die lokal ansässige Band Noseholes den Abend bevor sie nach knapp 25 Minuten, und einem knackigen Set inklusive aufgeblasener, platzender Hundekot-Tüte und einer getanzten Werbeeinlage zu ihrem Debütalbum, wieder die Bühne verlassen. Das Booking hätte nicht passender sein können. Von einem prägnanten Bass getrieben, klingen sie dreckig, roh und tanzbar. Die Hamburger performen Post-Punk mit Anleihen aus No Wave und experimenteller Musik á la Einstürzende Neubauten. Wovon das instrumentale, free jazzige, vom Saxophon geleitete „Aspirin Nation“ zeugt. Sängerin Zoosea Cide murmelt teils unverständliche Laute und verdreht beim Tanzen wild die Arme. Selbstbewusst und rotzig. Guter Einstieg!
Endlich kommt der Auftritt des Duos, auf das sich das Publikum heute besonders zu freuen scheint. Gut, es sind Engländer, die wie im Fußballstadion die Band mit Fangesängen begrüßen, aber auch die Hamburger zeigen sich ausgelassener als ihr Ruf meistens verspricht. Beatmaker Andrew Fearn betritt als erster die Bühne mit lässig in die Hosen gesteckten Händen. Verschmitzt grinst er unter seinem Cap ins Publikum, vor ihm steht auf zwei aufeinandergestapelten Getränkekisten sein Laptop. Aus dem haut er den Beginner mit dem hämmernden Bass „I feel so wrong“ raus, Sänger Jason Williamson hat sich mittlerweile zu ihm gesellt und beginnt ins Mikrofon zu bellen. Williamson spielt abwechselnd den Proll, greift sich zwischendurch immer wieder in den Schritt, um dann theatralisch tuckenhaft auf der Bühne rumzutänzeln bis er sich wie in einem Tourette-Anfall wiederholt auf den Kopf schlägt.
Draußen tobt währenddessen der Hafengeburtstag, drinnen die Sleaford Mods. Minimalistisch, unprätentiös und frivol. Mit der aktuellen Single „B.H.S.“ verabschiedet sich Williamson tänzelnd von der Bühne „Bye Hamburg“. Aber das war es noch nicht. Die Sleaford Mods haben für die Zugabe noch ihre Hits „Tied up in Nottz“ und „Tweet Tweet Tweet“ in petto, mit denen sie Hamburg nochmal zum Ausrasten bringen. „See you soon“, ruft Williamson abschließend – yes please!
Beim Verlassen des Docks läuft gerade eine Generalprobe auf der Spielbudenplatz-Bühne zur Grand Prix Party am nächsten Tag. Die Seichtigkeit des Eurovision Song Contest steht im wunderbaren Kontrast zum eben erlebten Konzert. Ich möchte die Faust gen des geistlosen Pop-Rotzes recken und spucke gedanklich mit Verachtung auf den Boden, wie es Williamson eben noch im Docks getan hat.