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„Ich mag den Gedanken, dass am Ende alles bedeutungslos ist“: Basement im Interview + Konzertbericht

©Martin Hänsch

Ihr drittes Album „Promise Everything“ bescherte der englischen Band Basement ihren Durchbruch. Auftritte bei großen Festivals und Tourneen folgten. Mit „Beside Myself“ hat das Quintett sein viertes und vielleicht nachdenklichstes Album herausgebracht.

Ich treffe Sänger Andrew zwei Stunden vor der Hamburg Show in einem Café mit esoterischem Touch und trinke mit ihm Tee. Ich möchte wissen, ob er Yoga macht. Ja, er sei Anfänger, aber fände es super.
Als ich ihn auf die Mädchen anspreche, die bei 4 Grad vor der Venue sich bereits die Beine in den Bauch stehen, möchte er sie nicht Groupies genannt wissen. Wir einigen uns auf Fans. Er ist nicht überrascht, als ich ihm davon erzähle – die Fanbase, die sich Basement in den letzten Jahren erschlossen hat, ist treu.
Fragen zur Bandpause und der Wiedervereinigung nach zwei Jahren, in denen Andrew u.a. seinen Abschluss zum Lehrer machte, will er nicht mehr beantworten. Es ist mittlerweile fünf Jahre her und seitdem hat sich vieles weiter entwickelt.

Vor zwei Jahren habe ich euch bei Rock am Ring spielen sehen. Auf eurer aktuellen Tour spielt ihr relativ kleine Venues, wie das Logo heute. Was gefällt dir besser – die großen oder kleinen Shows?

Es kommt wirklich darauf an. Ich mag die Abwechslung. Hättest Du mich das vor sechs Jahren gefragt, hätte ich geantwortet, dass ich die kleineren Shows mehr mag, aber die großen Shows zu spielen, hat andere Erfahrungen mit sich gebracht. Ich kann es wirklich nicht sagen. Ich mag es, wenn es eine gute Mischung aus beiden gibt.

Bei Festivals hat man ja teilweise eher mal die Tages-Slots, bei den Shows spielst Du abends…

Ja, richtig. Auf den Festivals sehen dich die Menschen teilweise nur, weil sie Zeit überbrücken wollen zwischen anderen Bands oder weil sie so viele Bands wie möglich sehen wollen. Das ist cool, weil man als Band einfach sein Ding machen kann. Bei den eigenen Shows ist es viel intensiver und emotionaler.

Wie war es als Support für Frank Carter and The Rattlesnakes zu spielen?

Es war okay. Es war unglaublich solche Orte wie Brixton Academy zu spielen, weil wir selbst dort viele Shows gesehen haben, seit wir jung waren. Und es war sehr cool im Waterfront in Norwich an der Ostküste zu spielen, weil wir dort immer von Ipswich aus hingefahren sind. Es war etwas besonderes, weil meine Familie auch zum Konzert gekommen ist.

Euer Album „Promise Everything“ war im Grunde euer Durchbruch. Versprechen haben viel mit Vertrauen zu tun – was denkst Du über Vertrauen?

Stimmt. Es ist wichtig den Menschen, in deinem Umfeld zu vertrauen, was hart und beängstigend ist. Weil es zu Vertrauen gehört sich verletzlich zu machen. Es ist aber wichtig, um Beziehungen aufzubauen. Ich glaube, dass es viele Menschen im Alltag tun ohne darüber nachzudenken. Ich halte es aber für sehr wichtig, um ein guter Mensch zu sein. Ich habe so noch nie darüber nachgedacht, cool.

Was bedeutet Vertrauen für euch in der Band?

Wir haben alle unsere eigenen Gefühle. Bezogen auf alltägliche Stimmungen oder was die Band betrifft. Wir vertrauen alle darauf, dass jeder von uns eine berechtigte Stimme im Ganzen hat und wir uns darum kümmern, was der andere denkt. Zum Beispiel vertrauen sie mir die Interviews zu machen. Es sind meistens Alex oder ich, die das machen. Ich nehme diese Verantwortung nicht auf die leichte Schulter, weil ich es nicht mag in meinem Namen für jemand anderen zu sprechen. Ich verstehe, dass mich Menschen als Sänger und Texter der Band für das Sprachrohr halten, aber es ist auch unfair, weil es fünf von uns gibt und jeder seine eigene Meinung zu manchen Dingen und unseren Songs hat. Da ist Vertrauen eine große Sache bei uns, denn ich möchte nichts sagen, was irgendjemanden verärgert.

Was hat euch in den letzten Jahren am meisten beeinflusst in Hinblick auf persönliche und stilistische Veränderungen bei dem neuen Album „Beside Myself“?

Wir haben, wenn wir Musik von anderen Bands gehört haben, uns viel zu sehr an ihnen orientiert, sind fast daran verzweifelt: „Wie zur Hölle haben sie das geschafft?“. Irgendwann haben wir angefangen, intuitiver zu werden. Es ist komisch und klingt egoistisch, aber beim Schreiben geht es immer um mich, was ich tue und das, was mir passiert. Es ist sogar noch komischer im Nachhinhein darüber zu reflektieren und zu sprechen. Es fühlt sich „disconnected“ an, wenn man sich zurück erinnert an die Stimmung und den Moment, in dem man geschrieben hat.

„Disconnected“ ist auch ein Song von eurem neuen Album. Was hilft dir, wenn Du dich so fühlst?

Ich versuche immer noch das heraus zu finden. Manchmal hilft es laufen zu gehen. Manchmal hilft nur Zeit. Wenn ich wüsste, was helfen würde, wäre das toll.

Auf„Beside Myself“ geht es viel um Ängste. Bist Du in der Lage mal ganz im Moment zu sein ohne Ängste?

Nein.

Nie?

Nein. Nur, wenn ich in einem Moment bin, in dem es mir bewusst ist, versuche ich es zu kompensieren mit einem Buch oder Film oder so und nicht darüber nachzudenken. Wenn ich anfange darüber nachzudenken, kommen die Ängste und Sorgen über was ich falsch gemacht habe oder besser hätte machen können. Das ist beim Schreibprozess herausgekommen: Dass Du in dem Moment, in dem Du etwas gegen die Ängste tust, es gar nicht bemerkst, bis er vorbei ist. Wenn Du dich dann daran erinnerst, wirst du wieder ängstlich und das ist unglaublich schmerzhaft.

Weißt Du wo deine Ängste herkommen?

Ich weiß es nicht. Würde ich es wissen, wäre ich vielleicht besser in der Lage sie zu lösen. Manchmal passieren Dinge und Du weißt nicht warum und Du musst sie einfach ziehen lassen. Ganz alltägliche Dinge wie die Frage, ob ich meine Miete zahlen kann oder ob ich jemanden verärgert habe. Manchmal gibt es auch gar keinen Grund und nur die Frage „warum bin ich?“. Ich war so glücklich einen Abschluss in Philosophie machen zu dürfen und habe viel Zeit mit Nachdenken verbracht. Und ich mag den Gedanken, dass am Ende alles bedeutungslos ist.

Kommt das mit dem Alter?

Ja, auf jeden Fall.

Ich habe vor kurzem eine Band interviewt, die Wurzeln im Hardcore hat, bei der nach vielen wütenden Alben nun ein neues kommt, auf dem es um Heilung gehen wird.

Ich war nie ein besonders wütender Mensch. Aber voller Hass zu sein, erscheint mir sehr anstrengend. Ich denke, das könnte auch mit dem Alter zu tun haben, wenn man lernt ihn los zulassen.

Ihr habt ebenfalls Wurzeln im Hardcore, bezeichnet euch selbst als Alternative Band. Dennoch werdet ihr oft Emo zugeordnet – was denkst Du darüber?

In meinem Alter hat Emo zwei Zuordnungen: Mitte der 90er und Anfang der 2000er – Ich denke, wir passen in keine der beiden. Vor ungefähr acht Jahren mit My Chemical Romance war alles mit leicht emotionalen Texten plötzlich wieder Emo. Wir haben als Band viel Einfluss genommen durch Emobands aus den 90ern wie Mineral oder The Promise Ring. Ich nenne uns heute lieber eine Alternative Band, weil alles andere so erstarrt klingt und wir nirgendwo 100% reinpassen. Es hat mich mal gestört, wenn wir als Emoband bezeichnet wurden, weil eine Zeit lang alles entweder Emo oder Shoegaze war und das fand ich faul. Aber mir egal, nenn es, was Du willst.

Gerade in der Hardcore-Szene steht das Thema Männlichkeit stark im Vordergrund. Ihr habt heute eine Supportband mit weiblichen Mitgliedern. Was sagst Du zum Mangel an Frauen in der Hardcore-Szene?

Als Mann bin ich mir dessen nicht ganz gewahr. Aber wir sollten alle unterrepräsentierten Menschen supporten und uns gegenseitig helfen. Ich würde mich nicht hinstellen und sagen „Wir brauchen eine weibliche Supportband“, weil das langweilig wäre und alle sozialen Aspekte unserer Gesellschaft ignorieren würde. Ich möchte nicht, dass Leute denken, ich sei falsch, deswegen gebe ich auch keine politischen Meinungen in der Musik von mir. Aber ich halte es für wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen.

Wenn Du einen Wunsch für deine Musikkarriere frei hättest, was wäre es?

Dass die anderen vier aus der Band glücklich sind, mit dem was sie tun.

Glücklich wird Basement heute Abend das Publikum machen. Wir bedanken uns und Andrew eilt schnell wieder zurück zum Logo. Noch eine Stunde bis die Tür aufgeht. Als es soweit ist, bringt ihre Vorband Culture Abuse das Publikum auf rotzige, verlodderte, punkige und dabei irrwitzige Weise in Stimmung. Jedes Mitglied zeichnet sich durch einen eigenen Stil aus, der von Mod bis Metalhead reicht. Ihr Konzert ist eine einzige Party und macht verdammt viel Spaß: „Cause we are here to do what we do“.

Culture Abuse ©Martin Hänsch

Instrumental beherrscht bei Basement jeder einwandfrei sein Instrument. Leider ist das Konzert anfangs mau abgemischt, aber das scheint niemanden zu stören. Die Hingabe zur Band kommt an und Andrew bedankt sich zwischen den Songs „This is absolutely awesome“. Mit der Single „Promise Everything“ schließen Basement den Abend. Keine Zugaben. Zuvor gab es bei „Covet“ laute Gesangschöre eines textsicheren Publikums. Nicht nur bei „Aquasun“ lässt sich einer nach dem anderen auf ein gepflegtes Stagediving ein. Das Publikum ist in den vorderen Reihe fast das ganze Konzert über damit beschäftigt seine Nachbarn auf den Armen zu balancieren. Nicht nur der Erfolg von Basement, die sich ohne große PR-Trommel eine stetig wachsende Fanbase aufgebaut haben, auch ihr emotionaler Tiefgang, die eingängigen Melodien und Seelenbekenntnisse laden – deutlich sichtbar im Publikum – zum Schmachten und Abgehen ein. Mit den Muncie Girls, die den Abend eröffnen, gibt es an dem Abend eine einzige Band mit weiblicher Besetzung – was bei dem ausgewogenen Geschlechterverhältnis im Publikum allerdings Banane ist. Hier geht es heute Abend um Support für jede und jeden.

Basement ©Martin Hänsch
©Martin Hänsch
Basement ©Martin Hänsch