Als wir den frisch gewählten „Bestangezogensten Österreicher“ Maurice Ernst von Bilderbuch in Hamburg zum Interview treffen, sind seine Bandkollegen gerade auf der Autobahn unterwegs Richtung Groningen, wo die Band im Rahmen des Eurosonic Festivals spielt. Trotz der frühen Stunde ist der sympathische Österreicher bestens gelaunt und steht uns Rede und Antwort zum neuen Album etc.
Testspiel: Wikipedia listet euch in folgenden Genres: Rock, Art, Punk, Progressive, Indie-Rock und Hip Hop. Am 27. Februar erscheint euer neues Album SCHICK SCHOCK. Welche Genres müssen jetzt noch hinzukommen?
Maurice: Auf jeden Fall Funk und vielleicht R&B. Unser Sound zeichnet sich sehr durch dieses collagierte Arbeiten aus, wie man es aus dem Hip Hop kennt. Wir bedienen uns sozusagen ganz frei aus einem Potpourri der Popgeschichte und verbinden das zu unserem eigenen. Das ist die Freiheit, die sich Popmusik nehmen kann. Wenn wir eine genregebundenere Band wären, sei es jetzt Punk oder Hip Hop, hätten wir diese Freiheiten nicht.
In Interviews habt ihr erzählt, dass ihr während der Entstehung der Feinste Seide EP viel Kanye West gehört habt. Jetzt sind auf dem Album noch mal neun neue Songs dazugekommen. Was habt ihr denn diesmal gehört?
Wir haben viel R&B gehört, sei es jetzt Frank Ocean oder auch ältere Sachen. Und eben Prince. Dadurch haben wir uns noch weiter in diese zärtlichere Down-Tempo-Richtung entwickelt. Die EP war so eine Art Gedankenanstoß, ein Türöffner. Mit dem Album haben wir diese Tür wieder sanft geschlossen.
Stimmt es, dass ihr einen Großteil der Songs selbst produziert habt?
Bei der EP haben wir es komplett allein probiert. Beim Album haben wir bis zu dem Punkt vorgearbeitet, an dem wir gewusst haben, jetzt gehen wir ins Studio. Bei einem Song wie „Schick Schock“ haben wir dann sogar die Schlagzeugaufnahmen aus dem Proberaum verwendet. Für andere Songs wie „Willkommen im Dschungel“ sind wir ins große Studio gegangen. Wir sind da relativ offen geblieben, haben uns kein Dogma auferlegt von wegen,wir müssen jetzt noch mal ins Studio gehen, um alles noch mal besser aufzunehmen. Das haben wir bei der EP schon gemacht und diese Art und Weise zu arbeiten, bestimmt sehr unseren momentanen Sound ist.
SCHICK SCHOCK ist euer drittes Album. Nervt es, wenn man dann im letzten Jahr in vielen Medien als Newcomer-Band bezeichnet wurde?
Nein, wir finden es eher lustig. In Österreich ist das anders. Da sind wir eine Kult- bzw. Traditionsband, die mit Liveauftritten gewachsen ist, dann im Radio gespielt wurde und jetzt durch das Internet noch bekannter geworden ist. Wir hatten eine klassische Bandentwicklung, würde ich sagen. Das hilft uns gerade, das Ganze sehr entspannt zu sehen. Wenn wir dann auf große Bühnen gehen, können wir uns auf unsere Liveerfahrung beziehen und nicht nur auf einem Hype oder so was.
Maurice Ernst von Bilderbuch live @ Hurricane Festival 2014Ihr wart zuletzt als Vorband mit den Beatsteaks auf Tour und im Sommer auf den großen Festivalbühnen unterwegs. Demnächst geht es mit der neuen Platte auf eine Tour durch die Clubs. Was ist cooler: Clubkonzert, große Halle oder Festival-Bühne?
Ich würde sagen, dass die Clubkonzerte am coolsten sind, weil du da das Publikum für dich hast. Wenn du in einem vollen Club vor 500 bis 1.000 Leute spielst, die genau wegen dir da sind, ist das schon ein besonderes Gefühl. In einer Halle mit 10.000 Beatsteaks Fans, die nicht wissen, wer du bist, musst du die in einer halben Stunde erstmal rumkriegen.
Wird sich am Live-Set was ändern? Werdet ihr diese neue Funkyness auch live verstärkt rüberbringen?
Ich glaube, dass die Songs aus unserer Tradition heraus sicher etwas rockiger klingen werden als auf Platte.
Wenn ihr nach euren Einflüssen oder euren Vorbildern gefragt werdet, fallen oft Namen wie David Bowie oder Prince. Künstler, die sich über lange Zeit immer wieder musikalisch verändert haben. Wie schafft man es als Band, so einen Richtungswechsel einzuschlagen und alle mitzunehmen und nicht in verschiedene Richtungen zu laufen?
Als Solokünstler ist es sicher einfacher so einen Haken zu machen und nächstes Mal ganz anders aufzutreten. Aber als Band bedarf das immer bisschen einer Harmonie und gemeinsamen Dynamik. Wir hatten einfach alle das Gefühl, dass wir uns von unseren eigenen Zwängen lösen wollen und eigentlich keinem was schuldig sind.
Die Clips zu euren Songs haben eine sehr eigene Ästhetik, die für euch als Band eine große Rolle spielt. Kommen die Ideen für die Videos von euch?
Es ist uns extrem wichtig als Band mitzubestimmen und selbst das Konzept zu machen. Das kann nämlich jeder, es ist nur viel Arbeit. Da geht es immer auch ein bisschen um Kompromisse und an Tag X muss man dann halt einfach machen. Für „Plansch“, „Maschin“ und „OM“ hatten wir jeweils nur einen Tag. Da ist die Band natürlich dann auch operativ gefragt. Wenn ein blaues Eis irgendwo runterrinnen soll, dann muss das blaue Eis irgendwo herkommen. Wir sind nicht Hollywood. Bis jetzt war es einfach so, dass wir das alles irgendwie selber irgendwie zusammentragen müssen. Bei „Maschin“ hat es einen Monat lang gedauert, einen gelben Lamborghini Diablo zu kriegen in Österreich. Das war derbste Arbeit, aber ich wollte einfach dieses Auto.
Eine gewisse Liebe zu schnellen Autos ist also vorhanden?
Ich glaube, es ist eine unterdrückte Liebe. Als Kind hatte ich über tausend Matchbox-Autos. Wenn man mir hinter meinem Rücken ein Auto in die Hand gelegt hat, konnte ich blind sagen welche Marke, Modell und Farbe es ist. Ich wollte immer, dass meine Eltern mich damit zu ‚Wetten dass..?'“ schicken. Wahrscheinlich ist das ein unterdrückter Komplex, der sich jetzt mit „Maschin“ erledigt hat.
Was nervt mehr, der Vergleich mit Falco oder die Erkenntnis, dass man teilweise wirklich nach Falco klingt?
Als wir mit 18 die erste Platte rausgebracht haben wollten wir auf keinen Fall mit irgendwas in Verbindung gebracht werden. Bei der Zweiten war es genau so. Dann irgendwann merkst du, dass es Parallelen gibt und das okay ist, denn das ist die Popgeschichte, die dir dieses Land irgendwie vorgibt. Genau wie im Hip Hop, wo sie heute noch ihre Soul-Könige zitieren und daraus wieder Neues schaffen. Für uns ist das ein bewusster Umgang mit der Tradition österreichischer Popmusik. Wir wollten das wieder frisch machen. Das hat in Österreich definitiv gefehlt.
SCHICK SCHOCK erscheint am 27. Februar auf Maschin Records, unsere Kritik lest ihr hier. Im März sind Bilderbuch auf Tour.