Diesen Freitag erscheint die neue Kraftklub-Platte „In Schwarz“. Ich habe mir die 13 neuen Stücke (Trackliste siehe unten) schon angehört und Frontmann Felix sowie Gitarrist und Keyboarder Steffen Anfang August zum Interview getroffen. Wir sprachen darüber, warum es gut ist, Freunde zu haben, die keine Musiker sind, dass Schwarz schlank macht, ihren Party-Bilder-Tumblr und warum sie nicht wie Morrissey sein wollen. Die Jungs erzählen Journalisten und Bloggern ja gerne mal was vom Pferd – das Ding hier ist also auf eigene Gefahr! Und jetzt geht“™s los.
Irgendwie scheint es, als hättet ihr auf dem neuen Album das Tempo angezogen.
Steffen: Ja, wir hatten keine Zeit!
Felix: Findest du echt? Wir wissen quasi weniger über das Album, als du, denn wir hatten noch nicht die Möglichkeit, es so richtig in Ruhe, ohne betrunken zu sein anzuhören. Vor ein paar Tagen hatten wir eine ungeplante Listenig-Session mit unseren ganzen Kumpels. Eigentlich wollten wir nur so zwei, drei Songs anhören und dazu immer einen Schnaps trinken. Und im Endeffekt haben wir das ganze Album, inklusive Bonussongs – also 15 Songs – angehört. Und eben 15 Schnaps getrunken – ich war sehr betrunken.
Steffen: Du konntest auch nicht mehr zum Schluss.
Felix: Ich konnte überhaupt nicht mehr! Ich war komplett durch.
Was haben eure Freunde gesagt?
Felix: Denen hat“™s sehr sehr gut gefallen, die waren aber auch betrunken.
Steffen: Aber betrunkene Menschen sind ja meistens ehrlich.
Wie seid ihr auf den Albumtitel gekommen?
Felix: Auf diese Frage haben wir uns diebisch gefreut seit drei Jahren. Der Titel kommt nämlich schon auf unserem ersten Album vor. In „Zu Jung“ singen wir „Wir sind zurück in Schwarz“. Wir haben also schon auf unserem ersten Album gesagt, wie unser zweites Album heißt. Was für ein Geniestreich! Und außerdem haben wir bemerkt, dass wir alle in schwarzen Polos besser aussehen.
Steffen: Wir sind alle leider dick geworden. Schwarz schmeichelt der Figur.
„Hand in Hand“ habt ihr unter dem Bandnamen „In Schwarz“ rausgebracht, alle haben gerätselt, wer diese neue Band ist, bis ihr es dann aufgelöst habt. War das eine PR-Aktion, habt ihr das selbst ausgedacht, durftet ihr mitentscheiden?
Felix: Nein, das war unsere Idee. Wir haben das ein bisschen geklaut von Arcade Fire. Die haben auch als Reflektors Konzerte gespielt und das Album hieß ja auch Reflektor. Und wir hatten halt diesen Song rumliegen, „Hand in Hand“. Der war fertig. Till, mein Bruder, unser Bassist hat so eine Schrei-Version davon aus Spaß im Studio aufgenommen. Dann haben wir so rumgeblödelt, dass der Song ja so anders klingt, dass ihn niemand erkennen würde. Und dann dachten wir: Den stellen wir bei Youtube rein. Und haben dann in der Bierrunde zusammengesessen und haben uns immer mehr ausgedacht, was man noch machen könnte. Dass wir einfach eine komplette Band erfinden und so. Und dann haben wir das alles so durchgezogen, haben Audiolith noch gefragt, die hatten Bock und so ist das alles noch viel viel größer geworden. Das war sehr lustig. Die einzige Scheiße war: Wir hätten noch viel mehr Zeit gebraucht. Es gab auch richtige Booking-Anfragen und so.
Steffen: Ja, wir hätten gern noch einen Song gehabt.
Felix: Wir hätten auch noch so ein paar Cover-Versionen machen können. Wenn wir noch einen Monat mehr Zeit gehabt hätten, wär das alles noch lustiger geworden. Aber es war auch so schon sehr lustig.
Kraftklub als In Schwarz mit „Hand in Hand“
Der erste Song auf der neuen Platte heißt „Unsere Fans“ und handelt davon, dass die alle Mainstream geworden sind und nach Berlin gezogen sind. Das klingt sehr ironisch. Ist das etwas, was ihr denkt, was man euch vorwerfen könnte?
Felix: Vielleicht wurde uns das ja auch schon vorgeworfen und vielleicht ist der Text auch eine Reaktion. Aber ja, klar. Es ist schon vorgekommen, dass Leute gedacht haben, sie müssten uns mitteilen, dass wir jetzt für sie gestorben sind, weil wir jetzt bei VIVA laufen. Und meinen, sie fanden unseren Song eigentlich cool, aber jetzt, wo er im Radio läuft, finden sie ihn total scheiße. Sowas halt.
Offizielles Video zu „Unsere Fans“
Mit steigendem Erfolg wächst also die Gruppe Fans, die enttäuscht sind von euch?
Steffen: Ja, das ist ein geringer Anteil im Vergleich zu denen, die dazukommen.
Felix: Ich hab das eh nie verstanden, warum man, wenn man eine Band gut findet, dann enttäuscht ist davon, dass es auch andere gibt, die die gut finden. Das ging mir nie so richtig in den Kopf. Ich fand auch schon früher die Leute doof, die bei anderen Bands gesagt haben: „Ja, ich kannte die aber schon vorher. Ich hab die schon auf der Demo gehört.“ Ich denke dann immer: „Was willst du damit ausdrücken? Dass du der total krasse Musikauskenner bist? Na, herzlichen Glückwunsch! Haste ganz viel Zeit auf Musikblogs verbracht und die als allererster gekannt. Um dich dann auf die Jagd nach dem nächsten Ding zu begeben.“ Weil, wenn es andere Leute hören, dann kannst du die nicht mehr hören, dann musst du ganz schnell den nächsten Hype suchen. Das finde ich viel unsympathischer, wenn jemand was nicht gut findet weil er es gut findet sondern nur solange es andere nicht gut finden.
Bei „Mein Rad“ singst du davon, dass jemandem sein Fahrrad geklaut wurde und bei „Immer wenn ich blau bin“ davon, wie es ist besoffen im Busch zu liegen und dann doch seine Ex anzurufen. Kann man ganz gut nachvollziehen. Wie kommt ihr auf die Ideen zu den Songs?
Felix: Wir haben glücklicherweise einen Freundeskreis, den wir auch schon seit zehn Jahren haben und der sich nicht großartig verändert hat, zum Glück sind das halt nicht alles Musiker. Sondern das sind halt unsere Kumpels und die machen alle die unterschiedlichsten Dinge, machen alle interessante Sachen und mit denen unterhält man sich eben über alles, außer über Kraftklub. Und alle anderen Dinge außer Kraftklub sind für uns interessant. So eine selbstreferentielle Kacke will ich nicht schreiben. Das würde mich selbst nicht interessieren. Und wir machen die Musik, die wir selbst gerne hören wollen. Und zum Glück haben unsere Freunde so interessante Leben und wir führen so interessante Gespräche und daraus machen wir dann so eine Mischung. Eine Collage quasi, aus den Dingen, die wir so erzählt bekommen, aber auch Dinge aus dem eigenen Leben, die man aufgreift. Also doch viele Sachen, die uns eins zu eins selbst passiert sind. Aber auch viele Sachen, die teilweise Freunden passiert sind und die wir aus Gesprächen rausgezogen haben.
Checkt ihr dann während der Gespräche schon immer, ob ihr das, was euch da erzählt wird, in einem Lied verwenden könntet?
Felix: Ganz so zum Glück nicht. Das wär ja auch wieder blöd, wenn man sich mit nem Freund unterhält und der merkt, dass das Interesse nur geheuchelt ist und dass ich nur nach nem Thema suche für meinen blöden Song.
Steffen: Kein Song ist ja komplett von einer Person übernommen.
Felix: Nee, eben. Oft sind es ja auch so Sachen, da merkt man erst im Nachhinein: „Ok, krass. Ich hab einfach gerade die Situation beschrieben.“ 2012 ist zurückblickend das Jahr, in dem extrem viel schief gelaufen ist. Ganz viele blöde Situationen, ganz viele Trennungen im privaten direkten Umfeld, Krankheit und so. So“™n Scheiß, was einen aber auch so ein bisschen die Augen dafür geöffnet hat. Wir kamen gerade von unserem megagroßen Wir-sind-Stars-Ding zurück und haben – paff – gemerkt: Da gibt es eine ganze Menge wichtigerer Sachen, und Sachen, bei denen es sich mehr lohnt, sich Gedanken zu machen, anstatt darüber, wie man die nächste Single rausbringt, zum Beispiel. So schlimm es damals auch war, hat es uns viel Stoff geliefert, um nachzudenken. Und 2013 war dann so das Jahr, wo wieder alles bergauf ging, wo wir so optimistisch waren, weil alles einfach voll schön war. Und ich glaube, im Rückblick, waren diese zwei Jahre, was da passiert ist, zwei große Faktoren für die Platte, inhaltlich.
In „Für immer allein“ singt ihr von jemandem, der sich gerade von seiner Freundin getrennt hat und danach irgendwie zum Freak wird. Ohne Frau geht nix? Oder wie habt ihr das gemeint?
Felix: Schön, dass du das so siehst! Wir haben heute schon ganz ganz viele verschiedene Ansichten von den Songs bekommen. Und das ist für uns so schön, dass wir den Teufel tun werden, jemandem zu sagen: „richtig!“ oder „falsch!“, weil das können wir überhaupt nicht entscheiden. Das liegt überhaupt nicht an uns, sozusagen. Dass wir jetzt sagen können, ob der Song so richtig oder falsch ist. Oder so gemeint ist.
Ihr findet es also besser, wenn jeder seine eigene Interpretation von euern Songs hat?
Felix: Ja genau! Vor allem finde ich das schön, weil es ja auf den ersten Blick Songs sind, die jetzt nicht irgendwie sprachlich nur Bilder werfen. Es sind relativ klare Geschichten, klare Bilder und trotzdem gibt“™s da noch ein paar Ebenen, die sich erst beim zweiten und dritten Mal hören erschließen. Und trotzdem gibt“™s immer noch genügend Spielraum, dass Leute sagen: „Ok, ich hab das jetzt so verstanden.“ Und das finde ich cool.
Bei „Schöner Tag“ ist Casper mit dabei. Ihr habt ja auch bei seinem Album mitgemacht. Wie kam das zustande?
Felix: Auf der einen Seite ist da die freundschaftliche Basis, unabhängig von der Musik. Zum anderen war es so, dass der Song fertig war und wir uns zwar nie Gedanken gemacht hatten, ob wir auf der Platte ein Feature machen wollen, aber dann war der Song fertig und gab“™s diese Stelle und die war halt leer, ohne Gesang. Und dann kam irgendwann: Ok, da braucht es die Reibeisenstimme. Und dann haben wir Ben halt angerufen und gesagt: „Ey, komm mal vorbei.“ Und das hat er dann auch gemacht.
Casper ist ja auch ganz gut bei Euren Party-Fotos von eurer gemeinsamen Tour vertreten, die ihr auf eurem Tumblr-Blog zeigt. Da sind schon ein paar scharfe Fotos dabei. Habt ihr da jemanden, der da draufkuckt und euch stoppt, wenn“™s zu krass wird?
Felix: Ich glaub“™ es weiß niemand vom Label, dass wir diesen Blog haben…
Steffen: Wir passen da schon auf, dass wir niemanden bloßstellen. Aber es kuckt niemand drauf.
Felix: Das mit den Fotos war cool: Ich habe auf der Tour einfach jeden zweiten Tag so fünf sechs Einwegkameras gekauft und die an alle verteilt. Die hab ich dann danach wieder eingesammelt und da kamen dann halt sehr, sehr viele lustige Fotos raus. Ich habe zu Hause auch einen Riesenstapel, die man nicht zeigen durfte. Wilde Sachen sind da abgelaufen.
„Hand in Hand“ handelt ja davon, dass jemand auf einer Demo ist und eigentlich gar nicht weiß, worum es geht auf dieser Demo und eigentlich nur einem Mädchen hinterhergerannt ist. Soll das aussagen: Lieber das Glück im Kleinen suchen?
Felix: Auch hier gibt es keine absolute Wahrheit. Ich hab den Song aber schon mit einem Plan geschreiben. Was die erste Ebene ist und was die zweite ist. Und möglicherweise noch eine dritte Ebene. Nur wenn man das so erzählt, ist das total langweilig. Wir hatten da erst ein interessantes Gespräch, dass der Song total politisch wahrgenommen wurde, als er bei Audiolith rauskam und als Liebes-Pop-Nummer, als dann rauskam, dass er von uns ist. Das zeigt schon relativ gut, wie man Songs und Texte aus dem Zusammenhang reißen kann und sie komplett anders klingen lassen kann. Sodass auf einmal ein ganz anderer Inhalt transportiert wird. Das finde ich – bei dem Song speziell – wo es halt auf einer Ebene um Das Glück im kleinen finden geht, es ist ein Liebeslied, handelt von nix großartig anderem, während andere Leute darin eine Kritik an der Protestkultur finden an Demo-Tourismus möglicherweise auch. Das sind alles Dinge, die man vielleicht entdecken kann. Und das gilt auch für unsere anderen Songs. Ich finde es immer gut, wenn man sagt: „Ey, es lohnt sich, den Song zwei- dreimal anzuhören und noch nach anderen Ebenen zu kucken.“ Das fand ich immer cool, wenn das bei anderen Bands so war und das versuchen wir eben auch mit unserer Musik so durchzuziehen.
Ihr werdet ja oft in Interviews gefragt, welche politischen Botschaften ihr habt und meistens sagt ihr dann so etwas wie: Wir wollen eigentlich gar keine politischen Botschaften senden. Bei „Meine Stadt“ sieht das aber doch anders aus. Da geht es ja um die Schließung eures Stammclubs in Chemnitz, die der Besitzer zweier nahgelegenen Miethäuser durchgebracht hat.
Felix: Zu den politischen Themen: Die Sachen, die wir sagen wollen, sagen wir in der Musik. Aber wir wollen in solchen Interviews uns nicht hinstellen und allen die Welt erklären und nicht so Morrissey-mäßig mit dem Zeigefinger dastehen und sagen „So und so ist die Welt und alles was wir sagen ist richtig und alles was ihr sagt ist falsch.“ Das mögen wir nicht, auch nicht bei anderen Leuten. Aber die Sachen, die uns auf den Keks gehen, über die man sich aufregt, die versuchen wir dann halt eher in unserer Welt in einen Drei-Minuten-Popsong zu sagen.
Steffen: Früher dachten wir, dass man als Band gar nicht politisch sein muss in dem Sinne. Was aber gar nicht geht. Man hat trotzdem eine Stellung, eine Meinung, die wir auch dann mal versuchen, zu äußern. Was wir nicht wollen: Leuten zu sagen, wie es sein soll.
Felix: Und das ist in dem Fall auch so. Da passieren ziemliche viele blöde Sachen, auch in anderen Städten mit Subkultur, die es einfach schwer hat. Überall wird gekürzt – und immer zuerst da. Wir sehen uns als Teil der Subkultur, da wo wir leben und manche Sachen muss man ja nicht einfach nur hinnehmen.
Welcher Song von der neuen Platte ist euer Favorit und warum?
Felix: Das ist eine sehr schwere Frage.
Steffen: Wir lieben alle unsere Kinder! Ich finde den Erstgeborenen, „Unsere Fans“ mit am besten, der stand schon sehr schnell und den find ich musikalisch für meinen Geschmack sehr gut und auch inhaltlich am lustigsten.
Felix: Ich finde „Schüsse in die Luft“ am besten, weil ich an dem Thema und an dem Text über zwei Jahre geschrieben habe und es nicht hinbekommen habe. Das war total der Krampf, ich hab es immer wieder weggelegt und habe immer wieder versucht, mich diesem Thema zu nähern und dann habe ich es doch endlich geschafft. Der Song ist genauso wie ich es mir vorgestellt habe, darauf bin ich stolz.
Ihr wollt demnächst auf Clubtour gehen. Da werden eure Moshpit-Einlagen wohl schwierig werden, denn dafür fehlt ja in den meisten Clubs doch der Platz, oder?
Steffen: Gerade da hat man als Einzelner gar keine Wahl. Wenn da einer anfängt, müssen alle mitmachen. Deshalb ist es gerade da ja interessant.
Felix: Uns war wichtig, diese Songs auch wie beim ersten Album auch in kleinen Clubs spielen und nicht nur auf großen Bühnen. So ein Song verändert sich ja extrem von einem Clubkonzert und dann bekommt man mit, wie der Song wirkt, wie er arbeitet. Und dann spielt man ihn vor zehntausenden Leuten und dann ist es quasi ein anderer Song. Diese Reise wollen wir auch mit den neuen Songs machen. Das ist fast ein wenig spirituell. Das klingt jetzt hochtrabend… Im Endeffekt haben wir einfach Bock, in kleinen Clubs zu spielen. Schwitzende Leute und so.
Was hört ihr eigentlich gerne, was könnt ihr empfehlen?
Steffen: Ich hör“™ eh nur Musik, die keinem gefällt. Ich hab vor Kurzem eine CD gemacht für unseren Urlaub und Felix hat sie alle durchgeskippt.
Felix: Was? Naja, erst, als wir sie zum dritten Mal gehört haben! Ich finde beim Deutsch-Rap Maskulin ziemlich gut, bei Indie Bilderbuch und worüber wir uns gut streiten konnten war Future Islands.
Steffen: Wobei wir beide pro sind.
Felix: Wir waren komplett begeistert und Karl konnte es nicht fassen und dachte, wir wollen ihn veräppeln. Wir finden: Die muss man sich reinziehen!
Danke für das Gespräch!
Tracklist „In Schwarz“
1. Unsere Fans
2. Alles wegen Dir
3. Wie ich
4. Zwei Dosen Sprite
5. Schüsse in die Luft
6. Für immer
7. Mein Rad
8. Vorm Proberaum (Skit)
9. Blau
10. Hand in Hand
11. Meine Stadt ist zu laut
12. Schöner Tag
13. Deine Gang