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Immer noch Liebe für Element of Crime – Konzertbericht

Unter der Flugschneise des ausverkauften Hamburger Stadtparks schunkeln am Sonntagabend die Konzertgäste gute zwei Stunden zu Element of Crime, die nicht nur ihr eigenes erstes Open Air-Konzert des Jahres spielen, sondern auch die Stadtparksaison eröffnen. Es herrscht Sonntagsstimmung, irgendwie gemütlich, etwas verschlafen, angenehm. Bei milden Temperaturen mitten im überwältigenden Grün des Stadtparks fühlt sich der Konzertbesuch beinahe wie ein Trip ins Naherholungsgebiet an. Das durchschnittliche Publikumsalter liegt bei 40+, da ist die Zeit des Stagedivens vorbei. Zwar würde das wunderbar funktionieren bei den eng gefüllten Reihen, doch passen tut es nicht. Hier werden nicht massenweise Handys zum Filmen in die Luft gehalten, das Bier fließt noch in vertretbaren Mengen und Schunkeln trifft das dezente Mitwiegen der Menschen, die so textsicher sind, dass auch in der Schlange zum Bierkauf mitgesungen wird. Sven Regener hingegen, ist ausgelassen. Richtig in Plauderlaune. Wechselt zwischen Gitarre und Trompete, singt röhrig seine Lieder. Tanzt dabei charmant steif, wirft rudernd die Arme in die Luft oder lässt den Kopf wippend hängen als würde er altersmilde Headbangen. „Rette mich (vor mir selber)“ gehört zu den ersten Liedern, die sie spielen, ihr Repertoire ist groß bei 15 Alben.

Support spielt das Berliner Quartett Isolation Berlin, das nicht nur dem Alters wegen Enkel der Altmeister sein könnte. In der Spanne der Generationen zeichnet sich die Entwicklung deutscher Musikgeschichte ab, die Hauptstadt Berlin ist nicht nur Namensgeber, sondern auch Gründungsort beider Bands. Sänger Bamborschke von Isolation Berlin sagte in einem Interview dem Kaput Magazin: „Ich persönlich bin in Berlin aufgewachsen und in der Stadt zerbrochen.“. (Um-)Bruch ist auch bei Element of Crime Thema, die sich ebenfalls in Berlin gründeten, Mitte der 80er Jahre im geteilten Deutschland. Sven Regener ist Sänger und Musiker seit dreißig Jahren und Autor zahlreicher, verfilmter Bücher („Herr Lehmann“, „Magical Mystery“), die ihren Schauplatz in der Metropole vor der Wende finden. Sein Bandkollege Jakob Illja stammt immerhin gebürtig aus Berlin. So spielen Element of Crime an diesem Abend im Stadtpark ihr Lied zum Nachtleben in Kreuzberg „Die Party am Schlesischen Tor“, das erst letztes Jahr auf ihrem aktuellen Album „Schafe, Monster und Mäuse“ erschien. Was wissen diese Herren noch von Party mag sich der ein oder andere fragen und bekommt dies beim Live-Auftritt beantwortet, denn Element of Crime beweisen einen langen Atem. In guten zwei Stunden kehren sie mit ihren Songs zu ihren Wurzeln zurück, spielen aber auch die aktuellen Lieder. Regeners Tochter Alexandra hat einen Gastauftritt zu „Karin, Karin“, das nach dem Titellied eines idyllischen deutschen Heimatfilms der 60er Jahre klingt, in dem eine Familie Urlaub am See macht, unaufgeregt verlässt sie sofort danach wieder die Bühne. Die Setlist sieht weiter „Immer noch Liebe in mir“ vom aktuellen Album vor. Auch „Im Prinzenbad allein“ spielen sie und Regener erzählt: „Kunst muss nicht in den Moment passen. Wir spielen auch im Winter dieses Lied. Eigentlich hätten wir jetzt was anderes gespielt, aber das ist die Macht des Wortes“ und nach seiner Ankündigung folgt es. Das andere Lied wäre „Bevor ich dich traf“ gewesen und so folgt es nun in umgedrehter Reihenfolge. „Hammer“ findet das Regener.

Element of Crime bedienen ihr Repertoire zwischen Folk, Rock und Chanson. „Einige mögen sagen Easy Listening, Chanson, aber wo ist die Rockmusik?“, kündigt Regener das mittlerweile zehn Jahre alte „Immer da wo Du bist bin ich nie“ an. Auch „Weißes Papier“ darf nicht fehlen, das, wie Regener erzählt, als einziges ihrer Lieder ins Schweizerdeutsch übersetzt wurde.
Aufgewachsen ist Regener in Bremen, Niedersachsen. Nostalgie kommt daher bei Liedern auf, die nichts mit der Party-Metropole zu tun haben, sondern eine Jugend in einer Stadt zwischen Bremen und Oldenburg besingt: „Delmenhorst“, das von „norddeutscher Kultur“ handelt wie Regener es kommentiert. „Wer ich wirklich bin“, ursprünglich von Element of Crime geschrieben, später von Gisbert zu Knyphausen gecovert, bekommt seine Hommage. „Ich hatte immer Probleme mir den Text zu merken. Als wir die schöne Coverversion von Gisbert zu Knyphausen entdeckten, war uns das so peinlich, dass wir das nicht auch so schön hinbekommen, dass wir es zurückgecovert haben“. Zustimmendes Pfeiffen untermalt die Stimmung.

Bei „Am Ende denk ich immer nur an dich“ geht ein Raunen durch die Menge, das Licht ist mittlerweile schummrig, die reflektierenden Lichter der Diskokugel auf der Bühne sorgen für eine verträumte Stimmung. Die Gänsehaut hält an beim Übergang zu „Wenn es dunkel und kalt wird“. Damit verabschiedet sich die Band – „Danke meine Lieben“ – begleitet von frenetischem Applaus bevor sie für drei weitere Zugaben erneut auf die Bühne kommen. Element of Crime wissen immer noch wie lange Nächte aussehen.