Wir sitzen mit Moritz Bleibtreu und Lucas Gregorowicz im Park Hyatt in der Hamburger City. Stilgerecht lümmeln wir uns in Sofa und Sessel und rauchen ersma´ eine. Das gehört zu tiefsinnigen Gesprächen bei Lommbock einfach dazu.
Hi. Warum überhaupt diese Fortsetzung…
(Moritz lässt sich gähnend ins Sofa fallen. Lucas ermahnt ihn „Ist ne´ berechtigte Frage. Sequels gehen ja gern mal nach hinten los.“ Moritz versichert, dass sein Gähnen sich nicht auf die Frage bezog)
…nach all den Jahren? Tut mir leid, die Frage muss gestellt werden.
Lucas: Total. Gerade bei so nem Kult… – ja, das Wort ist ja auch schon irgendwie ätzend. Was ist das eigentlich? Leute finden es aus irgendeinem seltsamen Grund gut, das ist nichts geplantes. Sowas kannst Du ja nicht planen. Geschweige denn, das nochmal zu wiederholen. Ist ja immer schief gegangen, bei Reunions von Bands, XY Teil 2. Daher ist das bei Lammbock echt ne´ berechtigte Frage. Und deswegen haben wir auch solange gewartet. 15 Jahre hat das jetzt einfach gedauert, bis ein Drehbuch da war und alle am Start waren und der Funke übergesprungen ist. Bis alle sagten, jetzt haben wir wieder was zu erzählen. Vorher wars ja so ein bisschen Coming of age, jetzt ist es so ein bisschen kurz vor der Midlife Crises, jetzt können wir auch wieder etwas erzählen, über Kai und Stefan und die Leute drumherum. Deswegen hat es so lang gedauert. Und dann gab es tatsächlich ein richtig gutes Drehbuch. Das ist so die Kurzfassung.
Ihr habt also keine Angst, dem Kultstatus nicht gerecht zu werden?
Moritz: Ich glaube, wenn wir Angst gehabt hätten, dem nicht gerecht zu werden, dann hätten wir den Film nicht gemacht. Genau wie Lucas gesagt hat, dass war ja von Anfang an klar, dass diese Falle existiert. Und keiner hätte davor mehr Angst gehabt, als wir selber, logischerweise. Weil, so ganz blöd sind wir ja auch nicht. Das war schon klar, dass wir das alles nur machen können, wenn wir wirklich mit vollem Herzen und klaren Kopf sagen können „Nee, das ist es wert, das zu machen. Und es ist auch richtig, das zu machen.“ Christian Zübert hat einfach ein Superbuch geschrieben. Wir haben das beide mit schweißnassen Händen und viel Angst gelesen (gucken sich an und lachen)…
Also doch?
… und wollten dabei bloß nicht denken „Oh nee, lass gut sein.“ Weil ich mich zu dem damaligen Zeitpunkt, wie Du ja auch schon sagtest, gut aus dem Fenster gelehnt hatte (Moritz spielt auf seinen Post vor einiger Zeit an). Das hab ich damals aber auch bewusst gemacht, um Christian ein bisschen unter Druck zu setzen. Ich muss auch dazu sagen, dass ich schon auch derjenige war, der das über die Jahre hin immer wieder gepusht hat. Aus ganz egoistischen Gründen, weil ich einfach beim ersten Teil so viel Spaß hatte, dass ich das gerne in der Kombination wiederholt hätte. Aber Christian ist dann natürlich, auch klar, seinen Weg als Regisseur gegangen und hat erstmal viele unterschiedliche Genrefelder beackert, um sich als Regisseur auszuprobieren. Es brauchte halt diese Zeit, damit der Autor wieder genug Leben hat, was er den Figuren geben kann. Dann hab ich es gelesen, Lucas angerufen und gefragt „Und?!“ Und er so „Sag Du! Nee, Du! Ja, ist super.“
Lucas: Es gibt doch die Legende, dass Christian von so vielen Seiten Druck bekommen hat: „So, jetzt mach ma´ endlich!“, dass er eigentlich, um zu zeigen, dass es Quatsch ist, das es nix bringt, so ein 10 Seiten Treatment geschrieben hat, nach dem Motto „Guck ma´, das ist Unsinn, das ist nicht mehr lustig, das war die Zeit und der Moment.“ Und das dieses 10 Seiten Ding alle so geil fanden, dass er dann doch angefangen hat ein Drehbuch zu schreiben. Und das ist echt so ein bisschen der Spirit. Sowas kannst du nicht forcieren, sowas kannst du nicht planen – das spürst du sofort, wenn da irgendwas nicht stimmt.
Moritz: Das merkst du sofort. Das merkst Du ja schon teilweise während der Dreharbeiten, wenn man sich dann damit auseinandersetzt. „Zoolander 2“ zum Beispiel. Beim ersten Bild vom Set war klar, das wird nix. Man hat sofort gemerkt, der Spirit ist nicht da.
Lucas: Ganz anders bei Trainspotting.
Moritz: Genau, geiler Trailer. Ich glaube, das wird ne´ super Sequel.
Lucas: Das riecht schon nach was Gutem. Also, Angst hatten wir nicht aber so ein Instinkt, der die ganze Zeit so auf allowed war.
Moritz: Uns war es durchaus bewusst, dass man da nix demontieren darf und wenn das Ding nicht geil ist, rundum geil, dann hätte das keiner von uns gemacht.
Lucas: Ja. Angefangen bei Christian. Der hat sich echt Jahre lang gesträubt, mit Händen und Füßen, so „Ich mach jetzt ernste Filme.“ Hat er ja auch gemacht.
Hand aufs Herz, Jungs. Wie autobiografisch sind die Filme?
Lucas: Die Frisur ist die gleiche.
Moritz: Und die Penislänge variiert (lacht). Aber sonst? Nee, aber das sind halt Figuren, an denen wir beide uns unglaublich schön austoben können. Gar nicht so sehr, weil sie irgendwie etwas mit unserem eigenen Leben zu tun haben, sondern weil der Spirit unter uns, die Figuren einfach unglaublich gut funktionieren. Das kannst Du auch nicht kaufen. Du kannst die tollsten Dialoge der Welt haben, wenn dieser Funke nicht da ist, das Timing nicht da ist zwischen zwei Schauspielern, dann funktioniert das nicht. Das ist wie im Leben. Das ist das, was Lammbock eigentlich ausmacht. Das ist der Quatsch zwischen uns beiden, der Spaß, den wir beide haben. Das ist das, was oft als autobiografisch interpretiert wird. Oder auch als improvisiert. Ist es aber weder noch.
Lucas: Das ist alles schwarz auf weiß da. Denkt man sich ja nicht aus, das spiel ich jetzt so und so. Klar, man denkt sich ein bisschen zu Kostüm und Accessoires aus, aber du denkst Dir keine Figur aus. Das ergibt sich wirklich nur aus dem zuhören, da sein und Texte sprechen. Und das zusammen ergibt dann diese Typen.
Moritz: Und trotzdem ist das aber immer auch ein Riesen Kompliment, wenn Du das sagst – man, das sagt. Weil das ja bedeutet, dass die Figuren eine große Nähe zu Dir entwickeln. Sonst würde man das ja nicht so nennen. Insofern sehe ich das immer als Kompliment. Ähnlich auch mit „Das ist doch alles improvisiert.“ Nee, nichts davon ist improvisiert. Übrigens auch im ersten Teil nicht. Alles steht so tatsächlich auf dem Papier. Insofern ist das ein Kompliment, wenn man sagt „Ach, komm – du bist doch wirklich so!“ (klopft Lucas demonstrativ auf die Schulter).
Seid Ihr im wirklichen Leben auch Buddies?
Moritz: Nä!
Lucas: Wir werden dafür bezahlt und wichtig ist auch, dass bei mir immer eine Stelle mehr hinter dem Komma steht.
Muss man denn, wenn man sagt es ist nichts autobiografisch, das Handwerk, das Joint aufstreuen in einer Hand, richtig lange üben?
Lucas: Stuntman.
Double.
Moritz: Das konnte ich schon vor dem ersten Teil (lacht laut).
Verlernt man nie?
Moritz: Nee, ist wie Fahrradfahren.
Die Jahre sind ein wenig ins Land gezogen. Im Film treffen sich Kai und Stefan, alte Freunde wieder und vermissen die gute alte Zeit. Kennt Ihr das auch?
Moritz: Ich persönlich nicht, mein Freundeskreis hat sich seit meinem 16. Lebensjahr nicht verändert. Zum Glück nicht. Ich finde das immer so ein bisschen traurig. Das hört sich so nach einem Lebenszug an, wo man mit zwei Kindern im Haus im Grünen sitzt und sich eigentlich selbst auf die Eier geht. Und dann seine Freunde wieder trifft und denkt „Boah, war das alles schön früher!“ Nee, überhaupt nicht. Zum Glück! Glaube, das ist bei Dir nicht anders Lucas.
Lucas: Es ist nicht viel anders aber mit dem Unterschied, dass Du tatsächlich auch immer in Hamburg gelebt hast. Dadurch, dass ich aus Bochum weg bin, ist das so ein bisschen mein Würzburg, also Bochum jetzt. Und das ist dann schon so, dass ich wieder der alte Lukas bin, unter meinen Freunden dort. Im besten Fall gibt es Rituale, so wie man fährt einmal im Jahr nach…
Moritz: Dänemark.
Lucas: (lacht) …klettern. Ich hab großen Respekt davor und muss ehrlich sagen, dass ich das in meinem Leben so ein bisschen vermisse.
Moritz: Hab ich doch gesagt – traurig! Du bist traurig.
Lucas: Nee, echt… wenn Du diese Rituale nicht pflegst und nicht machst und nicht lebst, dann ist es nur noch Gelaber und nur noch ein Gedankenkonstrukt und man merkt, man ist eigentlich völlig woanders im Leben. Und davon handelt ja auch der Film. Im Sinne von so einer seltsamen ernsten Ebene, die es ja auch gibt. Die so im Subtext mitschwingt. Der Film handelt auch einfach mal von Freundschaft, das ist einfach so.
Von diesem Auseinanderleben. Der andere ist aber eigentlich der best buddy.
Lucas: Ja – genau. Was gibt es noch an Gemeinsamkeiten? Was passiert, wenn es drauf ankommt, wenn man einander braucht. Wie ist der andere für einen da? So. Und das macht Lammbock auch für mich zum großen Teil aus. Das es eben nicht nur Quatsch ist, nicht nur dieses Gelaber. Sondern man die Chemie spürt, die es gibt. Auch über die Geschichte, die erzählt wird. Es geht um Kommunikation. Ist der für mich da, bin ich für ihn da? Wo ist die Grenze, wo muss man es neu erfinden? Also, nur mal so, weil Du gefragt hast.
Genau da wollte ich Euch haben.
(Moritz ist ganz begeistert von Lucas Aussage. Schreibt er sich ab und wiederholt das dann 1:1 im nächsten Interview, sagt er)
Thema Erwachsen werden. Kai und Stefan und selbst der härteste Dealer (schöne Stelle im Film, die „Ampelszene“) sind erwachsen geworden und müssen Vorbild für die Kids sein. Moritz, Du bist selbst Vater. Wie hältst Du es damit?
Moritz: Kinder hören, die sehen. Das ist ein Problem. Weil Du gezwungen bist, Dinge zu verstecken, von denen Du nicht willst, dass die Kinder die sehen. Das ist unmöglich. Für mich ist es so ein Mittelweg. Es gibt ganz viele Dinge, wo ich sicherlich gerne ein besseres Vorbild wäre. Ich weiß aber auch ganz genau, dass es da für mich Grenzen gibt, wo ich dann sage „Nee, dass muss ich auch so leben, wie ich das lebe.“ Gleichzeitig versuche ich natürlich schon, so weit es geht ein Vorbild zu sein für meinen Kleinen, klar. Aber ob das immer gelingt, ist die Frage. Der größte Trugschluss in der Pädagogik für mich ist, dass Leute immer denken, also Eltern, dass es etwas ändert, wenn sie ihren Kindern was erzählen, die das aufnehmen. Tun die nicht, bis zu einem bestimmten Alter. Wenn Du Zigaretten rauchst und Deinem Kind sagst „Das ist Mist, mach das nicht.“ – den Kommentar kannst Du Dir sparen. Und das ist die Vorbildfunktion, die Du dann hast. Das ist jetzt mal ein greifbares Beispiel, wo ich sage, das würde ich mir gern verkneifen. „Nobody perfect“ (spricht in polnischem Dialekt), wie Janusz KamiÅ„ski immer zu mir gesagt hat (grinst).
Lucas, Du bist ja gerade von Wien nach Berlin gezogen. Bock, endlich den Piefke Witzen zu entkommen?
Lucas: Ja! Ganz ehrlich, ich war als Pole in Deutschland noch nie so sehr Ausländer, wie als Deutscher in Österreich (lacht).
Lommbock Trailer
2031. Schafft Ihr Lammbock 3?
Moritz: Wir sind auf jeden Fall nicht abgeneigt. Die ursprüngliche Idee war, wir warten diese 15 Jahre gar nicht ab, sondern schminken uns alt und tun so, als ob 15 Jahre vergangen wären. Ganz guter Ansatz. Wir gucken mal.
Lucas: Was auch passieren kann ist, dass wir sowieso keine anderen Rollenangebote mehr bekommen und nur noch Lammbock machen können.
Wurdet Ihr damals oft gefragt, ob Ihr für die Legalisierung von Canabis seid?
Moritz: Ja.
Jetzt haben wir 15 Jahre später, glaubt Ihr da noch dran?
Moritz: Ich denke schon, im Laufe der Zeit. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich sehe das so wie damals. Ich bekomme mein Gras auch, wenn es nicht legal ist. Und das gilt nicht nur für mich, sondern wahrscheinlich für alle. So einen riesengroßen Unterschied macht es nicht mehr, ob Du das nun legalisierst oder nicht.
Wäre ein Riesen Business.
Moritz: Jaa… , aber für mich war das nie so ne politische Agenda. Ich wurde sogar dafür angefeindet, so: „Setz Dich doch dafür ein, für die Legalisierung, Du musst doch…“ (lacht). Ganz ehrlich, ich sag´ Dir eins – wahrscheinlich ist es dann sogar teurer. Ich bin zwar generell für einen intelligenteren, offeneren Umgang mit Drogen, aber ich würde mir das nicht als politische Agenda auf die Fahne schreiben.
Wie würde der Plot in 15 Jahren aussehen, wenn es dann legal wäre. Würdest Du, Lucas, dann als Canabis Milliardär zurück kommen?
(Lucas und Moritz gucken sich an)
Lucas: Keine schlechte Idee. Wir könnten das Ganze mal ganz woanders ansiedeln.
Moritz: Genau. Gourmet Stefan hat in Dubai ne´ riesige Plantage aufgemacht…
Lucas: … und versorgt die kompletten Emirate.
Ihr seid super professionell, habt Ihr gesagt. Wie oft muss man so eine Szene mit dem Staubsauger drehen?
Lucas: Oh, Staubsauger ist immer schwierig. Weil Technik mit im Spiel ist. Da hast Du noch ne zwei Minuten Szene auf dem Drehplan und weißt genau „Oh, man. Das dauert jetzt wieder die halbe Nacht.“ Da gehen so Sofaszenen, die ungeschnitten sind und uns auch die größte Freude machen richtig schnell.
Wir könnten uns vorstellen, dass man sich vor allem schlapp lachen muss.
Lucas: Absolut. Das ist vor allem die Schwierigkeit für das Team, trotzdem ein funktionierendes Korsett zu bleiben, während wir da unseren Pegel halten. Es gab auf jeden Fall viel zu lachen.
Moritz: Nach dem Dreh haben wir gesagt, wenn der Film nur halb so lustig wird, wie wir beim Drehen gelacht haben, dann ist alles gut.
Lucas: Das Wichtigste ist einfach, die Leute nicht zu verprellen, die Lammbock einfach lieben, also richtig lieben. Die den wirklich hundertmal gesehen haben, alles nachspielen können. Das muss funktionieren. Das hat Christian mit seinem Buch geschafft. Wir haben zumindest das Gefühl, nachdem wir ihn gesehen haben. Okay, es wird Leute geben, die meckern, die wird es immer geben. Kannst Du auch nichts gegen machen. Aber wir können für uns sagen „Okay, gut. Können wir stolz drauf sein.“ Wir wissen um die Motivation, das zu machen und ich finde, das spürt man.
Moritz: Für uns ist das nicht mehr und nicht weniger, als das beste Sequel aller Zeiten.
Kinostart von Lommbock ist am 23. März 2017.