Wir ziehen die Vorhänge in unserem Hotelzimmer zurück, betreten den kleinen Balkon und sehen den Möwen dabei zu, wie sie über der Ostsee kreisen. Obwohl wir auf einem Festival sind, haben wir uns Zeltplätzen, Dosen-Ravioli und Gummistiefeln selten so fern gefühlt. So, das war jetzt genug romantisch-sentimentaler Quatsch. Jetzt wird erst einmal ordentlich gefrühstückt, bevor die Biere und Kümmel des Vorabends in der Sauna ausgeschwitzt werden. Schließlich gilt es wieder fit zu sein, wenn Kettcar am Abend den Tagungsraum (aka den „Mainfloor“) im Beach Motel Heiligenhafen zerrocken.
Mit diesem Ausblick ist jeder Kater schnell Geschichte. – Foto: Anne PellenzSo kann ein Festival aussehen, auch wenn der Begriff „Festival“ nicht mehr ganz zutrifft. Viel mehr gleicht das Beach Motel van Cleef-Festival von den Beach Motels und dem Label Grand Hotel van Cleef einer „Auszeit“, bei der Menschen mit ähnlichem Musikgeschmack zwei Tage lang an die Ostsee fahren, um ihre Lieblingsbands zu hören, sich mit musikalischen Seelenverwandten über neue Bands auszutauschen, Bier zu trinken und gleichzeitig in einem schicken Hotel zu entspannen. Die passendste Beschreibung des Wochenendes lieferte Christiane Falk, als sie den Headliner des Wochenendes, Kettcar, auf der Bühne begrüßte: „Es ist einfach schön zu sehen, dass es Menschen gibt, die für die Musik verreisen. Das hier ist kein Eventtourismus, das hier ist eine Konzertreise“, sagte die Radio-Moderatorin.
Einen großen Beitrag zu diesem Empfinden leistet das Beach Motel Heiligenhafen. Wenn in dem Ruhebereich der Sauna Superpunk und Lou Reed aus den Lautsprechern zu hören ist und in der Hotellobby Schallplatten verkauft werden, dann merkt man, dass das Hotel nicht nur als Veranstaltungsort fungiert, sondern die Betreiber mindestens genauso viel Bock haben auf das Event, wie die Gäste und Bands.
A propos „Bands“ – die Musik kam selbstverständlich auch nicht zu kurz am vergangenen Wochenende. Neben Kettcar haben auch Tim Neuhaus, Maria Taylor, Fortuna Ehrenfeld, Honig und viele weitere Künstler eindrucksvoll bewiesen, weshalb das Grand Hotel van Cleef zu den stilsichersten und ikonischsten Labels in Deutschland gehört. Ein besonderes Highlight war das Konzert des deutschen Songwriters Burkini Beach. Mit einer Stimme, die an Sufjan Stevens erinnert, schaffen es der Sänger und seine Band, den Konzertraum zum Schweigen zu bringen. Selbst das leiseste Flüstern im Publikum wird mit bösen Blicken von allen Seiten gestraft. Vollkommen zurecht, finden wir.
Highlight des Wochenendes ist (natürlich) das Konzert von Kettcar. Nach zwei Tagen voller Konzerte und Strandspaziergänge spielen sich die Ur-Indie-Rocker in knapp zwei Stunden durch ihr umfangreiches Repertoire. Selten habe ich so ein textsicheres Publikum erlebt. Ganz egal, ob es sich um Songs von dem aktuellen Album, ältere Nummern oder Solo-Stücke von Marcus Wiebusch handelt – „Die ganze Scheiße mitsingen können“ scheint das Credo des Abends zu sein.
Ein Kettcar-Heimspiel in Heiligenhafen. – Foto: Anne PellenzAm Morgen darauf spürt man den Post-Festival-Blues nicht nur in den Knochen, sondern auch in den Gängen des Hotels. Ein letzter Blick auf das Meer und schon wird ausgecheckt. Auf dem Weg zum Parkplatz begegnen wir Marcus Wiebusch, der mit dem DJ der Aftershow debattiert, welcher Song denn am besten ankam und wozu man wirklich nicht tanzen konnte. Diese Nähe zu den Bands, der Musik und natürlich dem Meer setzt die Messlatte für die diesjährige Festivalsaison verdammt hoch.
Wir beenden unseren Rückblick mit einer Frage an das Grand Hotel van Cleef: Ab wann können wir Tickets und Zimmer für die nächste Ausgabe buchen?