Wir haben den Gitarristen und Sänger Frederik Raabe und den Bassisten Luca Göttner von Giant Rooks in Hamburg getroffen. Nach einer erfolgreichen Tour sind die Jungs nun mitten in der Festivalsaison angekommen. Im Interview sprechen sie über ein kommendes Album, den Umgang mit den Medien, die Entstehung von Songs und das Tourleben unter Freunden.
Großbritannien ist so etwas wie die Heimatstätte für die Mucke, die ihr macht. Eure England-Tour habt ihr hinter euch. Wie war das?
Frederik Rabe: Am Anfang war das superaufregend. Das fing an mit dem „The Great Escape“ – Festival in Brighton. Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartet. Wir schreiben englische Texte, und es ist das Mutterland der Musik, die wir machen. Das ist klar, dass wir sauaufgeregt sind. Das hat sich aber voll gelegt, und mittlerweile fahren wir dahin und haben nur noch eine geile Zeit. Wir wissen mittlerweile, was uns erwartet.
Und was erwartet euch?
Frederik Rabe: Immer total fette Konzerte. Viele fragen uns oft nach dem Unterschied des Publikums. Ich glaube, dass es sich gar nicht so unterscheidet. Es ist geil, wie die Leute hier Texte mitsingen können. Aber in Manchester ist es eigentlich das Gleiche.
In den Medien werdet ihr oft mit anderen Bands und Künstlern verglichen. Das witzigste fand ich bisher „Freche Schwester von Coldplay“…
(Alle lachen)
Luca Göttner: Ist das albern…
Aber es gibt auch andere Versuche, eure Musik zu fassen. Zum Beispiel: „konservative, scheinbar längst vergangene 80er-Jahre-Klänge“. Aber auch mit „Alt J” oder „Balthazar” werdet ihr regelmäßig verglichen. Stört euch das? Gibt es einen musikalischen Rahmen, in dem ihr euch verorten würdet?
Frederik Rabe: Nee, es gibt überhaupt keinen Rahmen, in dem wir uns verorten möchten. Ich würde uns auf gar keinen Fall selber in irgendeine Schublade stecken und diese zu machen. Ich glaube, Vergleiche vereinfachen Dinge. Das macht es einfacher. Das ist etwas ganz Normales. Das macht jeder. Auch ich. Ich würde es halt nicht schreiben. Generell führt diese Vergleicherei zu nichts und geht allen ein bisschen auf den Keks.
Du hast schon in sehr jungen Jahren Musik in einer Band gemacht. Damals war das noch eher Punkrock. Kannst du dir vorstellen, irgendwann noch einmal zum Punk zurückzufinden, oder war das nur dem Alter geschuldet?
Frederik Rabe: Das mache ich definitiv nicht noch mal. Auf keinen Fall. Ich bin auch komischerweise überhaupt kein Punk Fan. Ich mag das gar nicht mehr. Früher war es einfach auch das einzige, was wir spielen konnten. Der Ansatz war damals der gleiche. Wir haben nicht drüber nachgedacht, sondern einfach gemacht. Das ist heute nicht anders. Wir haben nicht über irgendwelche Genres nachgedacht, sondern wir spielen einfach Musik. Die Musik ist natürlich wesentlich anders als das, was wir mit acht gemacht haben, weil wir uns viel haben inspirieren lassen haben. Auch gegenseitig.
Ihr verbringt als Band und als Freunde sehr viel Zeit gemeinsam. Ist euch wichtig, dass ihr, wenn ihr nach Hause kommt, jeder eine eigene Wohnung beziehungsweise WG habt?
Luca Göttner: Das Ding ist, dass wir eh jeden Tag aufeinander rumhocken. Wir fangen morgens früh an, in den Proberaum zu gehen, machen den ganzen Tag Musik und verabschieden uns dann spät abends irgendwann. Ich glaube, das ist schon irgendwie ein bisschen wie gemeinsam wohnen. Es ist einfach schön, nach Hause zu kommen und etwas fernab der Musik und der Band zu sehen und zu hören.
Und wie läuft das beim Schreiben der Texte ab?
Frederik Rabe: Finn schreibt die meisten Texte, und ich bin auch ab und zu involviert.
Offen bleibt, ob die Texte rein fiktional sind oder auch biografische Komponenten haben…
Frederik Rabe: Teils teils. „New Estate“ ist zum Beispiel fiktional. Die meisten Songs der neuen EP handeln aber von sehr persönlichen Themen.
Du hast mal in einem Interview gesagt, dass dich diese ganze Social Media Inszenierung total abfucked. Mir fiel dazu sofort das Musikvideo von „100 mg“ ein. Vor allem der Bruch, in dem die Regisseurin den Camcorder selbst in die Hand nimmt und schraddelige authentische Szenen filmt...
Frederik Rabe: Ja, let ́s show some realness…
Habt ihr manchmal Angst, euch selbst zu sehr zu inszenieren oder davor, dass ihr als junge Band in eine Richtung vermarktet werdet, die euch nicht mehr gefällt?
Frederik Rabe: Angst davor vermarktet zu werden und uns irgendwann nicht mehr damit identifizieren zu können, haben wir nicht. Alles, was wir machen und alle Prozesse stammen aus unserer Feder. Es gibt kein Label oder Management, was sagt, dass das so und so gemacht wird. Wir haben die Ideen und besprechen die dann mit den Leuten, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir wollen auf jeden Fall alle Fäden in der Hand halten und das ganze Ding leiten. Das klappt immer, ist aber sehr anstrengend. Wenn du in alle Prozesse involviert werden möchtest, bedeutet das sehr viel Arbeit. Aber die ist es wert. Früher war es so, dass oft gesagt wurde, dass wir aber gut für unser Alter seien. Wir wollten aber nicht nur gut für unser Alter sein, sondern dazugehören. Mittlerweile hat sich das aber total verändert.
Bei „100 mg“ singt ihr “Cause the way that we go is a way that we already know”. Den Weg, den ihr jetzt geht, kennt ihr noch überhaupt nicht. Habt ihr eine grobe Vorstellung, wo es hingehen soll? Was wünscht ihr euch für die nächsten drei Jahre?
Frederik Rabe: Das ist eine interessante Frage. Der Wunsch ist erstmal, neue Musik zu produzieren und zu schreiben und dann ein Album rauszubringen.
Ich wollte die Album-Frage nicht stellen…
(Alle lachen)
Frederik Rabe: Sehr gut… Nein, wir wollen auf jeden Fall ein Album aufnehmen und sind auch schon dabei. Wenn wir nicht gerade auf Tour sind. Das ist, glaube ich, so das Ziel für das nächste Jahr. Ich glaube, es ist schon verrückt, sich Gedanken zu machen über die nächsten drei Jahre.
Luca Göttner: Das kann man gar nicht voraussehen so richtig.
Frederik Rabe: Es wäre natürlich total schön, wenn das alles weiter funktionieren würde, wir uns als Band weiterentwickeln und noch mehr Konzerte spielen und noch weiter wegfahren. Es wäre schön, noch andere Festivals zu sehen und auf internationalen Bühnen zu stehen.
Ihr habt vor dem Song „100mg“ ein Interlude eingebaut: „Cara declares War“. Es ist ein gesprochenes Statement der britischen Cara Delevingne, die als Schauspielerin und Model arbeitet, über gesellschaftliche Ideale. Warum gefällt euch dieses Zitat, und wie kam es zu dem für euch eher untypischen Interlude?
Frederik Rabe: Das kam so, dass Finn mir ungefähr vor einem halben Jahr ein Interview von Cara Delevingne gezeigt hat, in dem sie sich, obwohl sie das berühmteste Model der Welt ist, sehr kritisch gegenüber vielen gesellschaftlichen Dingen äußert. Das fanden wir beide voll krass. Auch wie sie irgendwie so super charismatisch war. Zur gleichen Zeit war ich im Urlaub. Diesen Chor, den man da hört, habe ich aus einem kleinem Video snip aus Korfu gesampelt. Ich bin dort in Griechenland durch die Straßen gegangen und habe diesen Chor gehört. Ich fand es super schön, aber wusste nicht, was sie singen.
Weißt du es mittlerweile?
Frederik Rabe: Ja, ich habe einen Griechen gefragt, als wir wieder in Deutschland waren. Er meinte, es wäre ein Liebeslied. Dann kam irgendwie eins zum anderen und wir haben uns überlegt, einfach mal ein Interlude zu machen. Unsere Texte sind meistens relativ kryptisch, und wir mögen es gerne, Dinge nicht zu sehr zu konkretisieren und einen Interpretationsspielraum zu lassen. Wir finden es geil, dass es ein krasser Kontrast war zu allem, was wir bisher gemacht haben.
Findet ihr es wichtig, dass sich auch Pop- oder Indie-Bands gesellschaftlich oder politisch äußern?
Frederik Rabe: Nee. Ich finde, das ist nichts, was man erwarten sollte. Es ist auch nicht jedermanns Sache, einen politischen Song zu schreiben, und es ist auch nicht jedermanns Sache, eine politische Aussage zu treffen. Es macht keinen Sinn, einfach nur politische Statements und Floskeln rauszuhauen, wenn man sie nicht fühlt. Ich finde, man sollte auf jeden Fall dahinter stehen und keinen Song machen, wo man eigentlich weiß, dass man es nicht kann. Aber ich finde es super, wenn man es macht.
Es gibt viele Bands mit konsequent politischen Lyrics. Ihr schlagt vielleicht auch einfach einen anderen Ton an…
Frederik Rabe: Ich könnte mir das schon vorstellen. Das ist aber halt nicht leicht. Es kann nicht jeder einen guten politischen Text schreiben. Das ist die Königsdisziplin. Wir sind alle politische Menschen. Aber wir sind keine politische Band.
Mir ist aufgefallen, dass in euren Songs Distanz und Nähe immer wieder eine große Rolle spielen. Beim Song “Went right down” singt ihr: “And I see the lightning. Our distance is rising. It feels like I have finally lost control”. Bei “Wild stare” ist es: “We’re steady apart”. Und bei “Kings thinking” fragt ihr: “How can I stay close? By your side”. Wie bringt ihr Freunde, Familie und Liebe unter einen Hut mit dem Leben als Künstler?
Frederik Rabe: Ach, ehrlich gesagt; wir sind halt fünf Dudes und haben eine mega geile Crew. Und jeder von uns hat eigentlich so eine Position bei uns, wie in einer Familie. Also wir sind eigentlich eine Familie. Das ist so, dass man auch kein Heimweh oder so hat. Ich jedenfalls nicht. Es gibt Leute von uns, die eine Beziehung führen. Da ist es immer ganz schön, dass wir immer wieder besucht werden. Aber auch unsere Eltern sind teilweise nach Manchester geflogen.
Das Tourleben stellt man sich als Unbeteiligter oft aufregender vor als es ist. In Interviews höre ich immer wieder raus, dass nach dem Auftritt lediglich Tee getrunken wird und man früh ins Bett geht…
Auf Festivals gehen wir auch ordentlich steil. Das Ding ist; wenn man sechs Wochen auf Tour ist, weiß ich ganz genau, dass beim Feiern die Gefahr krank zu werden sehr in die Höhe steigt bei mir. Bei Festivals hat man ein oder zwei Konzerte an einem Wochenende und dann ein paar Tage frei. Da geht das. Ich kenne aber auch ein paar Kandidaten, die das anders machen