Am 28. Oktober hat Barbara Schöneberger auf dem Instagram Kanal “barbaramagazin” mit einem Video zum Thema Männer Make-Up einen Shitstorm ausgelöst, den sie auch zwei Videos und fünf Tage später noch unkommentiert ließ. Vielleicht hatte sie die Hoffnung, dass man nach ihren Häkeltipps und einem Statement zu Outlets schnell wieder vergisst, dass sie ein Problem mit Männern hat, die sich schminken. Gerade im Showbiz ein Faux-Pas – und inhaltlich hat Babsi (wie sie sich selbst nennt) ganz schön alten Staub durch unsere Instagram Timelines gewirbelt. Ich erwarte nicht, dass eine Barbara Schöneberger immer den Zahn der Zeit trifft, aber anscheinend hat sich die Moderatorin, die seit Jahren den ESC und andere Kulturevents wie den Deutschen Radiopreis moderiert, so sehr in ihrer NDR-Rampensau-Rolle eingerichtet, dass sie völlig ignorant behaupten kann: “Männer sind Männer und Männer sollen auch Männer bleiben.” Wie divers die Modewelt mittlerweile ist, scheint Frau Schöneberger völlig verschlafen zu haben. Gestern hat sie sich nun zu Wort gemeldet. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass der Druck auch einer Barbara Schöneberger irgendwann zu viel wird. Neben der Empörung tausender Follower und Fans haben sich auch eine Reihe Prominenter kritisch zu Wort gemeldet. Ihr Statement zeigt, dass sie rein gar nichts verstanden hat.
Barbara Schöneberger bloggt schon seit geraumer Zeit als Namensgeberin auf dem Instagram Kanal von “barbaramagazin”. Es sind knackige, meist gewollt trotzig-taffe Kurzstatements in Barbara-Manier. Unmittelbar neben dem Männer-Schmink-Video und dem Shitstorm-Statement finden sich noch das “Häkel-chic”- Video, in dem sie über ihre Liebe zum Häkeln spricht oder das “Schnäppchenjäger”-Video, in dem “Babsi” erzählt, dass sie niemals einen Outlet betreten habe und dieser Maxime auch treu bleiben werde. Oder aber auch das “Wollmäuse”-Video. “Was tust du gegen Wollmäuse” ist hier die Frage. Barbara Schöneberger äußert sich selbst nicht dazu, was ich enttäuschend fand. Die Hashtags waren dann aber aufschlussreicher. #Putzen. Wäre ich nicht drauf gekommen. Der Kanal beschreibt sich selbst mit “Kein normales Frauenmagazin”. Das fand ich erstmal ehrlich oder sogar subversiv. Die typischen “Frauenthemen” im 20 Jahrhundert verordnen sich schließlich nicht nur zwischen Häkeln, Shoppen, Putzen und Schminken könnte man meinen.
“Also jetzt mal ganz ehrlich Freunde, irgendwann ist auch mal Schluss” ruft Barbara Schöneberger gleich zu Anfang des Make-Up-Videos energiegeladen in die Kamera und kommt direkt zur Sache. Männer könnten sich gerne ihre Hosen hochkrempeln und auch lustige, kurze Jackets seien erlaubt. Aber bei Schminke hört der Spaß für Barbara Schöneberger anscheinend auf. Männer seien Männer und sollten Männer bleiben. Und auch Barbara sei eine Frau, die eine Frau bleiben wolle. Bis jetzt dachte ich immer, es seien diese typischen alten weißen Männer oder diese besorgten Eltern, von denen immer alle reden, die so etwas sagen. Liebe Barbara Schöneberger, ein Mann mit Schminke ist also automatisch kein Mann mehr für dich? “Männer sind Männer.” Ja und Autos sind Autos. Früher gab es mal nur Kutschen. Und Männer waren auf der Jagd, während Frauen die Höhle gehütet haben. Schade, dass du dich in deiner Weiblichkeit in Frage gestellt fühlst, sobald ein Mann nicht mehr seine Stereotype erfüllt. Das steht einer Person, die immer wieder als starke, erfolgreiche, emanzipierte Frau vorgeführt wird, so gar nicht gut. Ihre Haltung erinnert unangenehm an ihre Statements zur #MeToo-Debatte des letzten Jahres.
Gespannt und fast schon erleichtert war ich als ich gesehen habe, dass Barbara ein Statement zum Shitstorm hochgeladen hat. Dieses Gefühl hat sich allerdings nach 1:55 Minuten unreflektiertem, halbgar entschuldigendem Gerede schnell in Luft aufgelöst. Das einzig Positive an Schönebergers dämlichen Aussagen ist, dass sie aufzeigen, was für ein großes Problem das Showgeschäft immer noch mit Toleranz hat
In ihrem Statement sagt Schöneberger, dass sie sich in der Schublade nicht wohl fühlt, in der sie jetzt gelandet sei. Vorwürfe würden reichen von Vergleichen mit Donald Trump über Homophobie bis hin zu einem veraltetem Rollenverständnis. Dabei hätte sie gar nicht die “Jungs” gemeint, die sich jeden Tag schminken und sowieso bunt seien. Nein, Barbara meint die echten Männer. Die Männer, die sie damals gedatet hat. Die hätten sich noch nicht geschminkt. Das sagt Barbara und betont dabei, dass sie nicht spießig wirken möchte. Interessant, dass sich nun gerade Barbara in eine Schublade geschoben fühlt. Das ist Opferstilisierung vom Feinsten. Die “Jungs”, die sich jeden Tag schminken, Paradiesvögel und bunte Größen wie Riccardo Simonetti, sind natürlich in ihrer Sonderbarkeit akzeptiert. Wenngleich auch als Jungs und nicht als Männer. Aber wehe, es kommt nun ein “normaler” heterosexueller Cis-Mann, ein Mann, den Barbara auch potentiell daten könnte, auch nur auf die Idee, einen Lidschatten in die Hand zu nehmen. Interessant ist auch, dass Barbara sich damit rechtfertigt, sich lediglich gefragt zu haben, ob sich da etwas verändert habe. Sie sei schließlich auch eine andere Generation. Logisch. Komisch nur, dass ihr erstes Video von einem offen fragenden Charakter meilenweit entfernt ist. Vielmehr hat das Ganze eine imperative Prägung und wirkt wie ein Anflehen an den letzten Rest herkömmlicher Männlichkeit. Barbara, du hast dich nicht, wie du glaubst, missverständlich ausgedrückt, du hast einfach nur gezeigt, wie eingerostet dein Rollenverständnis von Frau und Mann ist. Ist okay, wenn du Schminke bei deinem Partner nicht magst. Aber lass die Leute sich schminken, wie sie Bock haben. Und entscheide nicht, was männlich ist und was nicht. Du machst es den Männern, die aus einem stereotypischen Rollenverständnis ausbrechen wollen oder ein Statement gegen toxische Männlichkeit setzen möchten noch zusätzlich schwer. Mit “Liebe Männer” adressierst du deine Aufforderung an ALLE Männer: Schwule Männer, Bi-Männer, Transmänner und alle anderen Männer auch. Ob sich nun jemand Schminke oder Pickelcreme ins Gesicht schmiert, sollte und kann dir scheißegal sein. In jedem Falle hat das nichts mit Männlichkeit zu tun.
Barbara Schöneberger hat eine Verantwortung und kann nicht einfach nur so vor sich her plappern. Das funktioniert auch im Showgeschäft nicht mehr so ohne weiteres. Oder eben nur, wenn man es bei Outlets, Stricken und Wollmäusen belässt. Menschen schauen sich an, was Barbara sagt und sie hat Einfluss damit. Dass sie nun von einer anderen Generation, wie sie selbst wahrscheinlich richtig vermutet, auf den Sack bekommt, ist nur berechtigt und vielleicht auch ein schöner Punkt an Social Media. Dass Barbara dann ernsthaft behauptet, es sei niemals politisch, was sie mache, hat mir echt den Rest gegeben. Natürlich ist eine Veranstaltung wie der ESC politisch. Beim diesjährigen Radiopreis war die am meisten besprochene Szene Herbert Grönemeyers Statement gegen Rechts. Das deutsche Showgeschäft ist längst nicht mehr so unpolitisch wie Barbara Schöneberger vermutet und sollte es auch nicht sein. Vielmehr ist hier großes Potential, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. In jedem Falle hat eine Prominenz, wie Barbara Schöneberger es ist, eine Verantwortung. Und diese ist auch von politischer Natur! Dass sich die Gemüter nun wieder beruhigen, wünscht sich Barbara sehr. Unheimlich sei ihr das Ganze mittlerweile. Aber warum? Weil sich Menschen ihre Aussagen nicht gefallen lassen? Weil es auf Kritik stößt, was sie sagt? Oder weil 2019 vielleicht das letzte Mal war, dass Sie den ESC moderiert hat? Wir werden sehen.
Hier noch eine kleine Auswahl an Reaktionen:
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