StartKritikenMaifeld Derby 2017, eine Woche später (Kritik)

Maifeld Derby 2017, eine Woche später (Kritik)

Credit (für alle Fotos): Florian Trykowski (Facebook / Instagram)

Schon klar, es mutet frevelhaft an, im Rahmen eines Festivalberichts kaum ein Wort über die Leistung der eigentlichen Veranstaltung zu verlieren, aber: Das Maifeld Derby hat nun mal spätestens bei seiner siebten Auflage eine Routine erreicht, die wundervoll seinen ohnehin entspannten Charakter unterstreicht. Die Quittung gab es postwendend: Der Samstag, den Moderat headlinten, lieferte zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals Grund, sich das „Ausverkauft“-Schild ans digitale Fenster zu hängen. Chapeau, aber die spannenden Momente gab es andernorts zu finden. Sieben Beispiele finden sich, aus der Distanz betrachtet und garantiert Headliner-frei, an dieser Stelle:

Voodoo Jürgens (Freitag, 18:40 Uhr, Fackelbühne)

Das Derby pflegt seit Jahren eine intensive Verbindung zur erstarkten österreichischen Indie-Szene; 2017 zeigte sich das nicht nur in einer formidablen Rückkehr der Pop-Stars Bilderbuch (siehe Fotografie ganz oben), sondern vor allem während des schunkelwütigen Auftritts von Voodoo Jürgens. Zu aufgepeppter Kneipenmusik lieferte der betont fertig aussehende Wiener Texte, die sich im Gegensatz zu populäreren Kollegen kaum noch um Verständlichkeit im gesamten deutschsprachigen Raum scheren und natürlich gerade in diesem Modus brillieren.

Friends Of Gas (Freitag, 21:00 Uhr, Brückenaward Zelt)

Ähnlich traditionsreich ist in der Festivalgeschichte die Verpflichtung vielversprechender deutschsprachiger Post-Punk-Noise-Rock-Bands, siehe Messer, Die Nerven, Human Abfall. Friends Of Gas zielen in eine ähnliche Richtung, überzeugen aber akustisch mit einer besonders stoischen Spielweise und optisch durch einen thematisch passenden Aral-Overall von Sängerin Nina Walser. Gute Vorbereitung auf die sonntägliche Rock’n’Roll-Bewusstseinserweiterung mit Onkel Thurston, zudem.

Zeal & Ardor (Samstag, 17:20 Uhr, Palastzelt)

Im vergangenen Jahr merkte ich noch kritisch an, es gäbe auf dem Derby ein klares Metal-Defizit, da erschien in diesem Jahr wie auf Zuruf Zeal & Ardor im Programm. Das vielgerühmte Blues/Gospel/Black Metal Projekt des Schweizers Manuel Gagneux versprach mit Blick auf das Album „Devil Is Fine“ einen moderaten Metal-Gehalt, gab sich live dann aber doch angenehm wuchtig, Mummenschanz und Überforderungs-Lichtshow inklusive. Vertrieb viele Besucher, euphorisierte jene die blieben jedoch umso nachhaltiger.

The Tidal Sleep (Samstag, 20:50 Uhr, Brückenaward Zelt)

Kurz vor Metal agieren auch The Tidal Sleep, deren formidable Platte „Be Water“ bei uns jüngst zum Album der Woche gekürt wurde. Postcore-konform krümmte sich vor allem Frontmann Nick vor einem Publikum, das stellenweise kurz vor einem kollektiven, Dehydrierungs-befeuerten Kollaps zu stehen schien. Kein Pop, keine große Show, dennoch Spektakel in Reinform.

Kate Tempest (Samstag, 22:00 Uhr, Fackelbühne)

Eine der mutigsten Booking-Entscheidungen in diesem Jahr war zweifellos, Kate Tempest zwischen den Party-Peitschen Metronomy und Moderat zu platzieren. Auf den fünfminütigen Spoken-Word-Vortrag zu Beginn musste sich das Publikum erst mal einstellen, doch Tempest zog ihr Programm rund um das aktuelle, hervorragende Album „Let Them Eat Chaos“ gemeinsam mit einer synthetisch agierenden Band, einfach durch. Irgendwann konnten die Menschen dazu mit viel gutem Willen tanzen, doch wirklich intensiv wurde es erst, wenn man das Smartphone stecken ließ und sich stattdessen von Wort und Ton in einen individuellen Bewusstseinsstrom reißen ließ.

Mitski (Sonntag, 14:00 Uhr, Fackelbühne)

Am letzten Tag eines Festivals ist in der Regel gerade um die Mittagszeit wenig seitens des Publikums zu erwarten: Diverse Rauschzustände müssen ausgeschlafen werden, generell werden Ressourcen geschont und gerade wenn die Sonne so ballert wie vergangenen Sonntag hält sich die Lust in Grenzen, eine knappe Dreiviertelstunde vor einer ungeschützten Freilichtbühne zu verbringen. Dass sich dennoch etliche Menschen um 14:00 Uhr vor der Fackelbühne einfanden lag mutmaßlich an der enormen Qualität, die Mitski spätestens mit ihrem aktuellen Album „Puberty 2“ erreichte. Live kommen die Stücke angenehm roh rüber, was wundervoll zum angesäuerten Gesichtsausdruck der Amerikanerin passt. Obwohl: Wer Songs wie „Your Best American Girl“ im Ärmel hat, kann sich im Grunde ohnehin alles erlauben.

Josin (Sonntag, 16:10 Uhr, Parcours d’Amours)

Zum Abschluss eine letzte Pflicht: Die obligatorische Maifeld-Derby-Entdeckung. Geht in diesem Jahr auf Kosten des Parcours d’Amour, in dem mich gegen Ende des perfekt routinierten Thurston Moore Auftritts Josin eiskalt erwischte. Der Programmheft-Hinweis auf den Slot im Vorprogramm von Boy konnte kaum auf jenen artifiziellen, feinen Elektro-Piano-Pop vorbereiten, der auf dieser kleinen Bühne vor staubiger Kulisse dargeboten wurde. Klare Empfehlung, die wir so schnell nicht aus den Augen lassen werden.