Man nimmt den Mund nicht zu voll, wenn man sagt, dass Messer aktuell zu den spannendsten Bands dieses Landes gehören. Diesen Sommer veröffentlichen die Münsteraner ihr drittes Studioalbum, „Jalousie“, auf dem sie zeigen, dass sich das Warten gelohnt hat. Wir haben uns mit Messer zusammengesetzt um über internationale Kooperationen, künstlerischen Freiraum und das neue Album zu sprechen.
Ihr habt vor ein paar Jahren, in einem Interview mit der SPEX gesagt, dass die Produktion eueres zweiten Albums, „Die Unsichtbaren“, schwerer war, als die Produktion eures ersten Albums, da ihr das Gefühl hattet, dass sich immer mehr Leute für euch und eure Musik interessieren und sich auch in den Schaffensprozess einbringen wollen. Wie sah es nun bei der Produktion des dritten Studioalbums aus?
Philipp Wulf: Im Gegensatz zu der typischen Aussage „Das zweite Album ist immer das Schwierigste“, habe ich die Situation ganz anders wahrgenommen. Zwischen den ersten beiden Alben lag nur ein Jahr und wir haben direkt, nachdem die Songs für das erste Album fertig waren, mit dem Songwriting für den Nachfolger begonnen. Zwar haben sich mehr Leute für den Schaffensprozess interessiert, aber wir fühlten uns dennoch in keinster Art und Weise beeinflusst. Es war eher so, dass sich das kommende, dritte Album, als sehr schwer herausgestellt hat. Ein Lineup-Wechsel innerhalb der Band sowie neue, technische Möglichkeiten, haben uns dazu gezwungen, erst einmal darüber nachzudenken, wohin wir überhaupt wollen mit dem neuen Album.
Hendrik Otremba: Auf den ersten beiden Alben waren noch mehr Songs drauf, die man unter einem Dachbegriff sammeln konnte. Auf Jalousie ist das nicht so, da wir mehr Zeit hatten, um uns auch mit der Produktion auseinanderzusetzen. Nicht alle Ideen sind mit der gesamten Band im Raum entstanden, sondern basieren teilweise auf Skizzen einzelner Mitglieder. Wir hatten den Luxus, Skizzen einfach mal liegenzulassen, und diese später wieder aufzugreifen.
Ich habe mich bei eurem Timing ein wenig gewundert. Erst vor ein paar Monaten wart ihr mit eurer Hommage an den französischen Autor und Musiker Boris Vian auf Minitour und jetzt kommt, quasi aus dem Nichts, das neue Album. Wieso erst die Vian-Hommage? Gab es dafür einen speziellen Grund?
Hendrik Otremba: Das war in keiner Weise strategisch, es war eher ein bisschen zufällig. Wir fanden die Boris Vian-Sache ganz gut, um uns selbst dazu zu nötigen, mal andere Sachen zu spielen und experimenteller zu ein paar Experimente zu wagen. So ging es uns auch bei der Vertonung der Romy Schneider-Tagebücher. Ich hatte das Gefühl, in einem abgesteckten Raum, auf dünnem Eis, zu arbeiten. Für uns war das wie eine Art Spielplatz, auf dem wir neue Sachen probieren konnten.
Philipp Wulf: Es war auch einfach ganz schön, die Albumproduktion mal kurz beiseite zu legen. Die Boris Vian-Hommage hatte ja auch keinerlei Promotion-Hintergrund für das Album. Wir wollen ja nicht nur eine Band sein, die bloß Konzerte spielt, sondern unterschiedliche Kontexte erkunden, sofern sie uns in irgendeiner Weise spannend erscheinen.
Hendrik Otremba: Es war schön, mal wieder zu sehen, wie Menschen von einer Bühne aus betrachtet aussehen. Diese Abende dienten eher unserem Spaß. Außerdem ist es ja so, dass kein anderer Künstler immer wieder das selbe Repertoire aufführt. Damit wollten wir ein bisschen brechen.
Um auf das neue Album Jalousie zurückzukommen: Hendrik, es ist ja das erste Album-Cover,welches nicht aus deiner eigenen Feder stammt. Gab es einen Grund für diesen Bruch?
Hendrik Otremba: Die ersten beiden Alben gehören für uns zusammen, da sie aus einem Wurf stammen. Ich orientiere mich auch gerade als Maler neu, da machte diese Zäsur Sinn – und ich fand es reizvoll, eine Idee in einem Medium umzusetzen, in dem ich mich nicht auskenne. Wir fanden das Motiv der Jalousie auch von Anfang an ganz passend und glaubten daran. Mir geht es auch nicht darum, immer das Cover zu malen – das habe ich mir erschlossen, diesmal wollte ich etwas anderes.
Was verbirgt sich denn hinter der Jalousie? Warum ist sie auf dem Cover der EP so ramponiert und auf dem Album nahezu makellos?
Hendrik Otremba: Da gibt es keine Intention, die ich dir jetzt erläutern könnte. Das ist einfach ein Spiel mit einem Motiv, da steckt ein Variationsgedanke dahinter. Dieses Motiv war für uns auch so spannend, weil die Jalousie erneut die Frage nach Sichtbarkeit stellt: Wo stehen wir, als Gruppe Messer? Was sehen wir von unserer Perspektive aus? Wir fanden es wichtig, dass man hinter der Jalousie auf dem Cover nichts sieht, dass sie als Objekt ausgestellt wird, dahinter das Nichts. Wo sind wir?
Euer erstes Video aus dem Album ist das Prologvideo, „Kachelbad“, eure erste Single jedoch „Der Mann, der zwei Mal lebte“. Wie kommt es, dass das erste Video nicht der ersten Single gilt?
Hendrik Otremba: Wir haben uns „Kachelbad“ zu Beginn als eine Art Teaser vorgestellt. Dann haben wir aber in der Arbeit zu dem Video gemerkt, dass wir das stark finden und wir wollten mehr daraus machen, als nur einen Teaser. Zudem ist es unser Verständnis, dass man nicht immer an so eine Kohärenz zwischen Video und Single denken sollte. Warum auch? Da gibt es ein Video und dann veröffentlicht man das, weil es einem gefällt. Das ist für uns Grund genug. Zudem wollten wir, nachdem wir uns länger zurückgezogen hatten, mit dem Video zu „Kachelbad“ einfach mal wieder Hallo sagen.
Auf „Die Unsichtbaren“ habt ihr euch vermehrt mit den NSU-Prozessen beschäftigt. Auch auf „Jalousie“ schwingt etwas Wut und Verbitterung mit. Was hat euch hierbei beeinflusst?
Hendrik Otremba: Es gibt Texte, die in einer Form entstehen, die sich nicht so richtig greifen lässt. Es gibt jedoch auch Texte, wie zum Beispiel den von „Schwarzer Qualm“, bei denen ich das Gefühl habe, mich einfach hinsetzen zu müssen, um zu schreiben. In diesem Fall war es eine Reaktion auf die vielen Menschen, die momentan vor den europäischen Küsten ertrinken. Das war für mich eine ganz andere Art zu texten. Vielleicht ist es auch deshalb ein sehr politisches Stück geworden. Wie gesagt hatten wir bei diesem Album auch mehr Zeit, verschiedene Gefühle auf uns wirken zu lassen. Auf „Jalousie“ gibt es auch humorvolle Stücke und Liebeslieder unserer ganz eigenen Art …
Wie kommen die Spuren einer Band aus Münster an eine Industrial-Band aus England, welche auf einem der populärsten Electronica-Labels der USA beheimatet ist? Wie kam es zu eurem Factory Floor-Remix?
Hendrik Otremba: Wir alle finden Factory Floor super und Milek hatte mal Kontakt zu denen und Nik Void meinte, sie würde einen Remix zu „Detektive“ machen. So einfach kann das sein. Da wir eine deutschsprachige Band sind, finde ich es auch besonders schön, dass man mal mit Leuten aus anderen Umgebungen zusammenarbeitet und kooperiert.
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