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„Musik zu machen, ist unsere Berufung“ – Ove im Interview

Heute erscheint das neue Video „Fahrrad in der Nacht“ zur zweiten Single vom neuen Album „Abruzzo“, das am 22.2.19 Release feiert. Mitten in der Nacht schleicht sich Sänger Ove zu seinen nichtsahnenden Bandkollegen, um sie für eine nächtliche Fahrradtour aus dem Bett zu holen. Ein guter Anlass sich über ihre Weiterentwicklung auf dem drittem Album, ihre Freundschaft und die Liebe zur Musik zu unterhalten. In einem Hamburger Café in Altona plauderten die gut gelaunten Ove Thomsen und Robert Weitkamp aus dem Nähkästchen. 

©Simon Hegenberg

Ihr strahlt eine große Portion Spiel- und Lebensfreude aus – ist das Typsache oder eine Lebenseinstellung?

Ove: Das ist schon ne Lebenseinstellung. Wir kennen uns in der Band ja nun schon ewig und es ist häufig gefühlt wie auf einer Klassenfahrt. Wir haben in den Jahren gemerkt, dass es das ist was wir unbedingt machen wollen und worauf wir hin arbeiten. Wir haben alle nebenbei noch Minijobs, um leben zu können, aber wir wollen Musik machen. Das ist unsere Berufung.
Robert: Wenn ich Bands auf der Bühne sehe, die gallig wirken, finde ich das auch nicht so cool. Man sollte schon Bock haben, als würde man um sein Leben spielen. Das kann man natürlich nicht immer 100 %, aber man sollte es zumindest versuchen.

Gerade, wenn eine Tour länger dauert, wie sehr kann man das am vorletzten Abend noch durchziehen?

O: Man muss schon gegen den Körper ankämpfen. Aber auf der Bühne ist dann ein Gefühl von Schwerelosigkeit.
R: Jeder Abend fühlt sich anders an. Manche, als würde man durch Sahne laufen, manche sind zäher, als würde man einen Marathon laufen. Ich zumindest versuche es mir nicht anmerken zu lassen.

Was bedeutet es für euch Musik zu machen? „Spagetthi mit Spinat“ von eurem neuen Album „Abruzzo“ erzählt ja auch davon.

O: Bei dem Lied erzähle ich von der Zerissenheit, die ich spüre, wenn ich zu Hause bin als Berufsmusiker auch ganz Privatmensch sein zu wollen. Spaghetti mit Spinat verbinde ich mit dem Gefühl zu Hause zu sein.
R: Fun Fact: Es gibt auch einen guten Sophie Hunger-Song, der so heißt.

Wie ist es gleichzeitig befreundet zu sein und in einer Band zusammen zu spielen? Was bringt das an Vor- und Nachteilen?

R: Die Fallhöhe ist vielleicht höher. Wenn ich irgendwo spiele, ist ganz viel Leidenschaft dabei und wenn etwas schief geht, ist die emotionale Fallhöhe natürlich größer und es tut mehr weh.
O: Das ist aber auch das Schöne daran, dass alle bereit sind dieses Risiko einzugehen. Dass es ok ist mal zusammen zu scheitern. Gerade wenn man sich länger kennt, hat man auch diese Anforderung aneinander über alles zu reden und sich gegenseitig mit einzubeziehen. Mir liegt das sehr am Herzen, dass ich nicht der Typ bin, der seine Band um sich herum hat, sondern dass wir zu fünft zusammen Musik machen. Ich bin zwar das Gesicht und Sprachrohr, aber wir sind schon ein Konglomerat an…
R: Dummheiten. (beide lachen)
O: Es gibt natürlich auch den finanziellen Aspekt. Als Indie-Band schreibt man sich auf die Fahne kein Geld zu haben, als Berufsmusiker hast Du deine Festgage, die mehr Sicherheit gibt. Wir hoffen immer, dass genug Leute kommen und wenn nicht, beißen wir alle in den sauren Apfel.
R: Wir sind eine GbR und müssen dauernd über Geld reden, was man unter Freunden nicht unbedingt gerne macht. Wenn wir einfach mal zusammen Fußball gucken möchten, müssen wir dann manchmal doch auch darüber reden wie wir das nächste Video finanzieren.

Wen wollt ihr erreichen?

R: Wir haben eine aufwendige Zielgruppen-Analyse durchgeführt mit einem unabhängigen Unternehmen und da ist rausgekommen, es sind vorwiegend 50 bis 80-jährige, die uns hören.
O: Ich freue mich über jeden, der uns hört. Die Jungen freue sich vielleicht, dass unsere Musik etwas tanzbarer geworden ist und die Älteren freuen sich, dass es inhaltlich nicht absackt. Ich bin froh, dass wir in der Zielgruppe nicht festgefahren sind und keine Varianzprobleme haben, ob es unter 120 bpm ist oder umgekehrt. Ich glaube, wir haben eine gute Ausgangssituation für alle. Wir sind kein Bravo-Thema…
R: Wieso?
O: Nackt?
R: Das war ich schon. Ich meine, als Musiker. (lachen)
O: Ich finde es gut, dass wir mit der neuen Platte etwas frischer daherkommen und den Altherren-Status loswerden.

Wie kam es zu dem Stilwechsel auf „Abruzzo“?

O: Hat sich so ergeben. Ich wollte das Schwermütige mal abschütteln. Ich hab die Zwanziger gut durchgeheizt gelebt und der Frust ist abgefallen. Die Lieder habe ich sonst geschrieben, wenn irgendetwas im Ungleichgewicht war. Auf „Abruzzo“ geht es zwar auch ums Scheitern, aber das Korsett ist poppiger. Der Fokus liegt nicht mehr auf Holzinstrumenten, sondern es gibt viele Chöre. Das war keine bewusste Entscheidung, sondern es ist passiert.

Ich empfinde „Abruzzo“, als ein Album, das euch sehr entspricht.

R: Ein oviges Ove-Album.
O: Ja, es entspricht dem jetzigen Lebensabschnitt. Die Lieder von der alten Platte sind viel im Kater entstanden und auf der jetzigen Platte gibt es nicht so viele Kater-Songs.

Wieso ist nichts aus dem Trip geworden zu den Abruzzen zu fliegen?

R: Das Leben kam dazwischen. Das Finanzielle.
O: Deswegen ist die Platte dann doch im heimischen Watt’n Sound-Studio entstanden.
Robert: Wir fanden es trotzdem witzig die Platte „Abruzzo“ zu nennen.

Welche Portion Nordfriesland könnte Italien dringend gebrauchen und umgekehrt?

O: Wir könnten dringend etwas von dem Flair gebrauchen. Dass alles etwas mehr einfach passiert und nicht Punkt 16 Uhr oder so sein muss.
R: Ich denke… die machen das schon! Ich finde es gut, wenn Italien Italien ist, weil man dann hinfahren und es da gut finden kann.

Was hat es mit dem Faktencheck, den ihr auf den sozialen Netzwerken in Videoform teilt, auf sich?

O: Der Faktencheck ist wie ein Albumtrailer, um die Songs darauf vorzustellen. Es gibt zusätzlich die zweite Ebene, auf der Leute aus den Berufen, über die ich singe, befragt werden, ob es realistisch ist, was ich singe. Das liegt natürlich immer im Auge des Betrachters.

Bei „Captain Fantastic 2.02“ habt ihr euch offensichtlich von dem Film „Captain Fantastic“ inspirieren lassen. Ward ihr begeistert von der Idee der radikalen Abkehr vom bürgerlichen Spießertum?

O: Ich hab den Film im Kino gesehen und fand ihn so toll. Ich bin generell sehr begeisterungsfähig und finde selten einen Film scheiße…
R: Was? Hast Du schonmal einen Tatort gesehen? Ich hab neulich einen gesehen, den konnte ich vor Fremdscham nicht angucken, weil der so schlecht gespielt war…
O: Ok, da magst Du recht haben. Aber sonst bin ich leicht zu beeindrucken. Und „Captain Fantastic“ hat mich auch noch Wochen später beschäftigt. Diese Geschichte über den Aussteiger und Selbstversorger und seine gebildeten Kinder kann man ewig weiter erzählen. Mit diesem Lied mache ich auf den Film und die Message aufmerksam. Das soll keine Neoliberalismus-Kritik sein, sondern eine Gegenüberstellung. Ich will mich nicht hinstellen und sagen wie es zu sein hat. Auf der einen Seite habe ich den Hippie in mir und mag das Gemeinschaftliche. Auf der anderen Seite gehe ich aber auch meine Klamotten kaufen und trage keinen Lendenschurz. Wenn man in der westlichen Welt aufwächst, gehört das dazu.
R: Was ich gut fand war die Message, dass beide Seiten irgendwo scheiße sein können. Weder die Illusion des Aussteigens funktioniert, noch das andere. Das eine funktioniert nur mit dem anderen. Wenn ich in den Urlaub fahren möchte, muss ich dafür arbeiten. Ohne die Arbeit glorifizieren zu wollen.

„Zum Download bereit“ ist wiederum als Digitalisierungskritik zu verstehen?

O: Auf jeden Fall. Zukunftsverweigerung war jahrelang mein Thema. Ich hatte ewiglang so einen Knochen, mit dem man mehr Bier aufgemacht hat, als zu telefonieren. Ich musste immer wieder Gaffer Tape drum machen oder jemanden löschen, weil die Anzahl der Kontakte begrenzt war. Einer musste immer rausfliegen… aber als alle mich dann überholt haben und in der Band jeder whatsapp hatte und sogar meine Familie weiter war, habe ich mir dann auch eins geholt. Das Krasse war, dass ich sofort begeistert davon war. Die Tatsache, dass ich erst total anti und dann mega begeistert war, hat mir zu denken gegeben. Diese bedingungslose Hingabe habe ich weitergesponnen auf „Zum Download bereit“, wo ich in einem Autounfall sterbe und Siri die wichtigen Fragen des Lebens frage.
R: So einen generellen Kulturpessimismus finde ich mega langweilig. Deswegen mag ich den Text beim Song so gerne, weil er damit spielt. Die Beziehung zu Siri hat etwas liebevolles, fast wie im Film „Her“. Ich finde es traurig-lustig, wenn man die wichtigen Fragen im Leben nicht mehr seinen Mitmenschen, sondern Maschinen stellt.

Und wenn dann noch Alexa dazu kommen würde…

R: Das wäre interessant, wenn sich Siri und Alexa die Fragen gegenseitig beantworten.
O: Bis beide rauchen.

Auf dem „Müssen alle mit Festival“ 2018 hast Du, Ove, das Festival moderiert und mit Sönke fernab der Bühne die Kiddies bespaßt mit einem kinderfreundlichen Nebenprogramm – wäre ein Album nur für Kinder denkbar?

O: Es kommen immer mal wieder Ideen zu Kinderliedern, aber ich hab nicht das Ziel mal eine Platte nur für Kinder aufzunehmen.
R: Wir haben den Kindersong „Lisa“ für diesen „Unter meinem Bett“-Sampler gemacht, der auch gut ankommt. Aber wir wollen nicht als Kinderband verstanden werden. Als wir als Vorband bei Von Wegen Lisbeth auftraten, kam witzigerweise der Song manchmal am besten an. Neulich hat mir eine erzählt, dass sie diesen Song bei sich im Büro singen. Das ist schon lustig.
O: Das ist Musik für Kinder, aber gerade dieser „Unter meinem Bett“-Sampler ist nicht zuletzt wegen der ganzen Indie-Songwriter Gisbert zu Knyphausen oder Von Wegen Lisbeth auch für junge Eltern interessant.

Was kommt als nächstes, wenn kein Kinderalbum kommt?

R: Ein Black Metal-Album.
O: Ich schreibe schon an einem neuen Album. Entweder wird es um Schlaf oder Wasser gehen. Oder beides.
R: Also ein Konzept-Album.
O: Dark Side of the Schlaf. Als erstes feiern wir jetzt erstmal den Release von „Abruzzo“ am 22. Februar mit einem Store-Gig in der Hanseplatte. Da sollen alle gerne vorbei kommen!

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Ove Live 2019
29.03. Flensburg – Volksbad
30.03. Kassel – Schlachthof
31.03. Münster – Pension Schmidt
01.04. Hannover – Béi Chéz Heinz
02.04. Dresden – Societaetstheater
04.04. Berlin – Privatclub
05.04. Plauen – Malzhaus
06.04. Esslingen – Dieselstrasse
07.04. Bamberg – Freiraum
10.04. Dortmund – Rekorder
11.04. Köln – Blue Shell
12.04. Düsseldorf – The Tube
13.04. Hamburg – Knust