In einem sehr interessanten Artikel namens „Why Music Videos Are Still So Important“ stellt Sarah Boardman fest, dass Musikvideos eigentlich so wichtig sind, wie nie zuvor. Das größte Problem seit dem Rückzug von MTV ist allerdings, dass der Markt „unter-kuratiert und über-sättigt“ ist. Damit meint sie, dass es zu viele Musikvideos gibt und dadurch die richtig guten häufig übersehen werden. Damit das unseren lieben Lesern nicht passiert, wählen wir an dieser Stelle das beste Musikvideo aus. Und zwar wöchentlich.
Jenny Hval – The Great Undressing (Regie: Marie Kristiansen)
Nacktheit ist seit Jahrzehnten immer stärker zum Teil der alltäglichen Erfahrungswelt moderner Gesellschaften geworden. Trotz allem stellt der vollkommen nackte Körper nach wie vor nicht nur ein Politikum dar, sondern bringt stets auch eine ganze Armada ästhetischer Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich. Marie Kristiansen gelingt es im Videoclip zu „The Great Undressing“ ganz hervorragend, all diese Umstände mit einer simplen Prämisse zu erfassen, die auch zu einem weit reißerischeren Ergebnis getaugt hätte: Es wird der Alltag einer nackten Frau gezeigt, deren Nacktheit jedoch niemand zu bemerken scheint.
Statt ins Plakative abzudriften, knüpft Kristiansen an den bedächtigen Ton Jenny Hvals an, inszeniert den weiblichen Körper zugleich befreit und isoliert. Die Bilder sind mal banal, mal durchgestylt, doch nie egal, fordern den Zuschauer stets auf, Stellung zu beziehen und überzeugen mit dieser Haltung, nicht dem reinen Spektakel.