Aber was sollen die Techno-Liebhaber der 90er auch anderes machen? Gibt es irgendeine damalige Band des Genres, die heute noch existiert und Hallen füllen würde? Mir fällt keine ein und deshalb liegt für mich wie scheinbar auch für alle anderen die Hoffnung auf den letzten Survivorn dieser Ära: The Prodigy.
Die Erwartung an den heutigen Abend lässt sich förmlich greifen: zu groß wäre die Enttäuschung, wenn das heutige Konzert uns nicht in die damalige Zeit zurückversetzt und wir vielleicht nie mehr einen ordentlichen Firestarter erleben können.
Der Anfang ist schon mal vielversprechend, viel falsch machen kann man auch nicht , wenn man mit „Breathe“, dem erfolgreichsten Prodigy-Titel überhaupt, startet. Das Wummern geht los, das Tanzen geht los und es funktioniert: Ich bin wieder 15, irgendwie. So wie auch alle anderen – obwohl der Großteil des Publikums zwischen 40 und 50 sein müsste, wirkt es plötzlich ziemlich jugendlich.
Diese Männer von knapp 50 Jahren von The Prodigy machen, zumindest von weitem, auch einen ziemlich agilen Eindruck. Sänger Keith Flint stampft immer noch gerne mit dem Fuß auf wie das wütende Rumpelstilzchen und es wird jeder Quadratzentimeter der Bühne zum Springen und Ausflippen genutzt. Der Bass lässt den Magen nicht weniger vibrieren als 1993 und führt dazu, dass sich leere Bierbecher auf der Theke von selbst ihren Weg zurück zum Zapfhahn hupfen.
Zusätzlich ist hier viel „Friede, Freude, Eierkuchen“-loveparademäßiger Vibe in der Luft. Ob Glückspillen mit von der Partie sind, kann ich nicht beurteilen, der THC-Gehalt in der Luft könnte aber definitiv mit Snoop Doggs Chill-Lounge mithalten.
Keith redet (oder schreit) zwischendurch mit uns. Darüber muss muss man aber nicht zwingend weiteres schreiben, inhaltsschwanger sind die Sätze eher nicht. Ein regelmäßig wiederholtes „Berlin, the place to be!“ und „Where are my german people?“ ist jetzt nichts, was mir eine große intellektuelle Denkleistung abringt. Aber wir sind ja auch hier um exzessiv zu feiern – das klappt.
Die Songs vom neuen, ziemlich harten Album „No Tourists“ finden auch ihren Platz, nachdem sich aber die Stimmung mit „Voodoo People“ und dann auch endlich mit „Firestarter“ immer mehr steigert, ist bei „No Good“, dem Erstlingswerk der Wunderkinder der absolute Höhepunkt erreicht. „Smack my Bitch up“ verlängert den noch ein bisschen, und ab diesem Zeitpunkt würde es bestimmt keinen einzigen Gast stören, wenn das Konzert noch 2-5 Stunden weiterginge. Leider verabschieden sich da die Jungs aber schon von der Bühne. Nach einer Stunde. Zum Glück kommen sie wieder, um als Zugaben unter anderem „We Live Forever“ und das geniale „Out of Space“ abzuliefern. Und ich habe das Gefühl, dass sie durchaus auch in 20 Jahren noch die Halle vollbekommen können.