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Oliver Polak Interview

„Musik ist mit das Wichtigste“

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Marc: Ich finde seinen Gesang sehr weinerlich. Ich mag die Heulerei nicht von Kettcar. Distelmeyer und Erobique magst du, mit Erobique hast du auch schon mal einen Song gemacht. Erst am Ende des Buchs erzählst du von deiner Begegnung mit Jochen Distelmeyer. Das hatte ja eher was Desillusionierendes.

Na ja. Es war nicht desillusionierend, schon irgendwie. Klar, es ist ja nicht immer so, dass der Künstler mit dem Privaten so total gleich geht, aber in seinem Fall war es so viel Moral, so viel Werte und so viel Ansehen, dass man dachte, so ist es und geil. Und das Ernüchternde war dann halt eben in dieser Situation mit dieser Frau, dass sich ein Mann so verhalten hat, so komplett daneben, wo man denkt so: „Hä?“

Ich muss aber auch sagen, ich war da natürlich noch sehr sensibel, sehr geöffnet, aber deswegen habe ich das nicht falsch interpretiert. Es war schon eine normale Situation, dass ein Mann und eine Frau am Tisch sitzen und dann kommst du dazu und dann siehst du erstmal, okay, da ist ein Paar irgendwie am Tisch.

Marc: Sollte man dann seine Helden aus der Jugend dann eher nicht treffen?

Doch bestimmt. Also kommt drauf an. Ich hatte ja gar nicht vor, ihn zu treffen. Ich bin jetzt nicht so ein Typ, der sagt: „Ey, ich muss den treffen, ich muss den treffen“, das ist mir alles total egal. Bei Udo Jürgens war es halt total anders mit der Begegnung, weil es einfach nur positiv war, also noch positiver, als dass ich es erwartet hätte. Irgendwie aber auch absurd im Nachhinein, wenn ich das alles selber so lese, dass ich die kennen gelernt habe. Auf Jochen Distelmeyer hätte verzichten können.

Marc: Udo Jürgens ist ein gutes Stichwort. Ich finde den Soundtrack zum Buch super, aber wieso denn eigentlich Udo Jürgens?

Die Frage könnte ich ebenso gut beantworten: „Wieso nicht?“

Marc: Ja, aber was ist an der Musik von Udo Jürgens, das dich so berührt?

Er ist einfach einer der größten lebenden Komponisten und Entertainer. Er hat wahnsinnig gute Lieder geschrieben und ist eben alles andere als so ein Schlagerstar, sondern Chansonnier. Nur das wurde hier nie begriffen, weil es eben das Fach bei „Saturn“ nicht gibt, „Chanson“ im klassischen Sinne. In Deutschland brauchen die Leute immer Schubladen und deswegen wurde er ja immer missverständlicherweise bei Schlager eingeordnet. Was viele aber gar nicht wissen, ist, dass er auch Lieder für Shirley Bassey und Sammy Davis jr geschrieben hat. Im Frühjahr kommt er ja noch mal auf Tour. Er ist gerade auf Tour gewesen vor zwei Monaten. Ich kann ihn wirklich jedem ans Herz legen. (Das Interview fand vor dem Tod von Udo Jürgens statt. – A. d. R.)

Marc: Was hörst du gerade für Musik?

Interessante Frage. Es ist für mich echt schwer. Also ich war gestern Abend auf einem Turbostaat-Konzert

Marc: Im „Knust“? (Oliver Polak: Ja.) wo sie mehrere Abende hintereinander auftreten und alle ihre Songs spielen.

Genau. Zwei Abende, glaube ich, und alle Lieder. Glücklicherweise war ich am zweiten Abend da, weil, die Lieder kannte ich dann auch. Gute Band, aber ich höre jetzt gerade nicht, ich höre gerade eigentlich fast gar nichts. Die fünf Wochen auf Deutschland-Tour habe ich noch viel Musik im Autoradio gehört, aber dann in Österreich gar nichts mehr. Da lief gar keine Musik mehr im Autoradio, außer mal so ein Schlagersänger.

Marc: Der US-Rolling-Stone hat gerade das neue U2-Album zum „Album des Jahres“ gekürt. Ein Kommentar von dir dazu?

Ich hatte das ja auch in meinem iTunes-Account und habe da versehentlich drauf geklickt. 10 Sekunden habe ich es gehört und dann bin ich echt erschrocken. Und ich bin jetzt gar nicht mal so grundsätzlich so ein Anti-U2-Typ, der sagt: „Oh Gott, das ist schlimm“. Ich fand „Achtung Baby“ war ein ganz gutes Album, damals (1991 – A. d. R.). Das war innovativ, neue Sounds, gute Ästhetik die Videos, alles. U2-Fans finden das halt natürlich geil. Es gibt ja auch viele, habe ich gehört. Für die anderen ist es ja immer so ein Hater-Ding, wobei ich es grundsätzlich natürlich in Frage stelle, ob Musik so verschenkt werden sollte. Auch gerade, wenn du von Bands wie Trümmer (Über Trümmer hatten wir kurz vor dem Interview gesprochen. – A. d. R.) oder so sprichst, die monate-, jahrelang im Proberaum sind, irgendwie ihr Geld zusammensparen und dann den jungen Leuten suggeriert wird, Musik gibt es umsonst. Und das Album gab es auch nicht umsonst, weil U2 haben das ja selber an Apple verkauft.

Marc: 100 Millionen US-Dollar sollen es gewesen sein.

Trotzdem denkt der Endkonsument, dass es verschenkt wurde. Was ich gehört habe, war auf alle Fälle schrecklich.

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Marc: Du bringst im Buch das bekannte „Es müsste immer Musik da sein“-Zitat aus dem Film „Absolute Giganten“. Welche Rolle spielt Musik für dich?

Musik ist grundsätzlich mit das Wichtigste. Deswegen auch eben das Zitat. Musik ist schon wichtig, aber das Problem ist seit einigen Jahren, dass es sehr selten neue gute Musik gibt. Und jetzt gar nicht so unter dem Motto: „Ja, ey Bob Dylan ist der Geilste“, sondern so, dass man das Gefühl hat, dass viele Musik sehr gleich klingt und ich die auch gar nicht unterscheiden kann. Die beiden Alben von James Blake fand ich ziemlich gut. Und auch eigen und einfach intensiv.

Marc: Spielen die Texte bei dieser Art von elektronischer Musik wie die von James Blake für dich eine Rolle oder berührt dich die Musik auch ohne die Texte?

Bei James Blake ist das schon beides, glaube ich, teilweise. Also dieses „The Wilhelm Scream“ ist schon ein sehr intensives Lied, auch vom Text. Aber mal so, mal so.

Marc: In deinem Buch kommen viele deutsche Bands mit guten Texten vor-

Gibt es auch nicht mehr so viele neue. Aber jetzt auch eben nicht daraus resultierend, dass man sagt: „Ja, früher war alles besser“, sondern als ich jetzt Blumfeld gesehen habe auf dieser Reunion-Tour, da dachte ich, dass schon seit 20 Jahren keine echt geile neue Band gekommen ist, wo du sagst: „Also das ist wortgewaltig.

Marc: Das hat auch nichts mit deinem Alter zu tun, weil du mit der Musik von Blumfeld musikalisch, sozialisiert wurdest,-

Nein, hat es eben nicht. ich habe Blumfeld in Frankfurt in der „Batschkapp“ gesehen, und ich hatte das Gefühl, dass da eine junge, frische, neue Band vor mir steht. Es war nicht: „Ah, die alten Lieder“, sondern es war so total zeitlos.

Marc: Ja, ich habe sie hier in der Markthalle gesehen und es hat mir auch gut gefallen, aber es war schon so: „Ey, euch gibt es eigentlich gar nicht mehr.“ Es war auch irgendwie so-

Doch, doch, die bringen nächstes Jahr in der Originalbesetzung, ein neues Album raus. Die Tour in der Originalbesetzung war ein Test, um zu gucken, ob sie noch zusammen harmonieren. Und Jochen Distelmeyer bringt im Frühjahr seinen neuen Roman raus, seinen ersten Roman.