Pocher, Barth und ein heruntergekommener Fersehmoderator
http://vimeo.com/107583901
Marc: Von der Musik zum Film. Wir haben den super Trailer zu deinem Buch mit Christian Ulmen gebloggt, daher die Frage, ob es einen Film zum Buch „Der jüdische Patient“ geben wird?
Ja klar, nächstes Jahr. Aber wie, was und wo kann ich noch nicht genau sagen, aber den Film wird es nächstes Jahr geben.
Marc: Der jüdische Patient“ kommt als Film?
Ja. Viele finden die Idee gut.
Olli: Auch mit der Besetzung aus dem Trailer?
Die auf jeden Fall, aber noch mehr. Ich werde auch einen Cameo-Auftritt haben, ich weiß auch schon, wen ich spiele.
Olli: Auch mit dem offenen Ende? Obwohl man sich das Ende ja herinterpretieren kann?
Kann man? Denke ich nicht, ich kenne es ja auch noch nicht. (Lacht.) Nein, ich wüsste das Ende auch gerne, aber ich weiß genau, welche Rolle ich spielen werde.
Olli: Und zwar?
Ich werde mich für die Rolle des Quatsch-Comedy-Club-Moderators bei mir bewerben.
Marc: Der kommt nicht so gut weg, ne?
Na ja, was heißt, der kommt nicht so gut weg. Das war halt so und ist genau eine aus meiner Sicht 1:1 beschriebene Situation. Und ich glaube, da ist der dann selber dafür verantwortlich.
Olli: Du erwähnst ja auch diesen mittlerweile heruntergekommenen Fernsehmoderator, der die Aura eines SS-Offiziers hat. Das ist einer der wenigen im Buch, der nicht klar von dir irgendwie einen Anschiss bekommt. Mario Barth bekommt einen, Oliver Polak bekommt einen, aber der ehemalige Fernsehmoderator-
Marc: Oliver Pocher meinst du?
Olli: Oliver Pocher, sorry. (Gelächter.)
Freud“™scher Versprecher. Die Geschichte war einfach, dass das ein sehr unangenehmer Typ ist und dass er auch nicht unbekannt ist dafür, unangenehm zu sein und dass ich halt in einem labilen Zustand war, er mich nachts in der Bar und angegangen hat und unangenehm wurde, und ich einfach zu zerbrechlich und zu schwach war, mich hätte wehren zu können. Das ist die Geschichte, die ich im Buch erzähle.
Olli: Klar. Du kokettierst aber ein bisschen damit, dass man sich Gedanken drum macht, wer könnte das sein? Das ist doch so ein bisschen-
Nein, das ist es nicht, das ist kein Kokettieren, das ist einfach bewusst. Es gibt einfach grundsätzlich Geschichten, die man erzählen will. Deswegen heißt Familie Fleischmann in Papenburg nicht so, die heißen anders und die haben auch kein Schmuckgeschäft, sondern ein anderes Geschäft. Weil es mir nicht darum geht, die Leute bloßzustellen, sondern die Geschichte zu erzählen. In so einem Fall wie Jochen Distelmeyer ist es natürlich eine ganz andere Sache, weil ich noch nicht wusste, dass das am Ende so ist. Vorher kommt er im Buch gut weg. Und deswegen wäre es komisch, wenn ich dann am Ende sagen würde, ein Musiker aus einer Popband. Ich hatte einfach auch keinen Bock, dem Moderator diesen Raum zu geben. Bei Pochers Auftritt, wo er das mit den Ausländern und Berlin gesagt hat, das war wirklich ein Auftritt vor 10.000 Leuten und eben nicht so eine Bar-Situation. Ich glaube, das ist so auch ein bisschen der Dreher.
Olli: Pocher, Barth hat dich auch, sind zwei gute Stellen-
Mario Barth kommt keinmal in meinem Buch vor, das ist nur in eurem Kopf.
Olli: Echt?
Ja, keinmal. Nicht mal als Gedanke oder Metapher.
Olli: Wie komme ich darauf?
Ich finde den auch gar nicht so schlimm wie den alle finden. Das ist mir auch zu einfach: „Mario Barth ist scheiße“, „U2 ist scheiße“, „Tatort ist immer scheiße“. Das Schlimmste sind diese Typen, einen kenne ich bei Facebook, die jede Woche den Tatort kritisieren, wie scheiße der ist. Das ist der Inbegriff für mich der deutschen Hässlichkeit. Sich sonntagabends hinzusetzen, den Tatort zu gucken, um ihn zu kritisieren. Den Witz hatte ich ja mal im Spiegel-Interview, wo ich sagte, dass ich mir wünschte, dass diese Hobby-Israel-Nahost-Experten sich wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, Lanz kritisieren und Tatort kritisieren. Und Selfies posten oder Essen fotografieren.
Marc: Wie sind die Reaktionen von Leuten auf das Buch ausgefallen, die vielleicht dachten: „Ey, du hast mich eigentlich gar nicht so dargestellt, wie ich mich selber selber sehe.“ Rufen die dann an oder (Oliver Polak: Nein, nein, nein, nein, es gab da-) oder hauen die dir mal ein rein, wenn sie dich treffen?
Das weiß ich nicht. Gucken wir mal, wenn ich denen das nächste Mal begegne, aber es ist mir auch egal. Weil, das ist meine Sicht der Dinge und das ist meine Perspektive, und die mag dem einen gefallen und dem anderen nicht gefallen. Wenn es so reale Situationen sind, beschreibe ich das aus meiner Perspektive, aber natürlich fragt man auch noch mal die eine oder andere Person, die vielleicht auch mit in der Situation war, so wie Daniel Richter. Und dann spricht man schon noch mal mit so einer anderen Person: „Wie hast du das denn wahrgenommen?“ Und wenn das jetzt natürlich total anders ist, dann denkt man da noch mal nach, aber in dem Fall war es dann auch sehr deckungsgleich. Fakt ist, da entschuldigt sich der Moderator für dich, gibt der ersten Reihe Getränke aus, und das ist ja nichts, worüber es zu diskutieren gibt, das ist dann einfach ein Fakt. Das habe ich mir nicht eingebildet habe, das ist biographisch, leider.
Olli: Du hattest bei diesem Auftritt, unter anderem den Spruch gebracht: „Die 7-Jährige ist mir zu alt“. (Oliver Polak: Ja.) In der etwas schwächeren Variante bringst du den Spruch ja immer noch, oder? Also vielleicht auch gestern Abend?
Nein, auch mal so, mal so, du hast ja immer wieder andere Leute. Wenn da ein junges Kind sitzt, kann es passieren, dass der Witz mal kommt, mal kommt er nicht. Also bei mir ist es ja eh nicht alles gleich, weil Gags ja auch seifig werden können, aber ich habe auch kein Problem mit dem Witz. Ist halt ein Witz.
Olli: Ich beziehe mich da irgendwie auf die Fokussierung, die du da ja anstrebst, auf die Pädophilie, und ich erinnere mich an ein Zitat, was ich von dir gelesen habe, das Komik etwas mit Wahrhaftigkeit zu tun hat. Wie findet man da die Brücke, also Komik hat mit Wahrhaftigkeit zu tun und du machst die Pädophilie- oder die Sodomie-Witze.
Ja, ich mache Witze über alles, weil ich glaube, dass alles in unserem Leben drin vorkommt. Deutschland sitzt mit runtergelassenen Hosen vorm Rechner und Leute sind gebrochen, Einsamkeit, Depressionen, Pädophilie, Rassismus, Antisemitismus. Das sind alles auch Mainstream-Themen und deswegen findet das auch alles in der Show statt. Das ist auch das was ich bei diesen ganzen Komikern verurteile. Da geht es oft um nichts. Du gehst da rein und denkst: „Ja, was ist das jetzt hier? „šDer gespielte Witz‘, Dieter Hallervorden?“ Manchmal gibt es wirklich auch so Standup-Comedy im Quatsch Comedy Club,: „Ja, ich bin letztens mit dem Bus gefahren, da hat jemand neben mir ein Salamibrötchen gegessen und das hat so gestunken, da habe ich mich dann entschieden, da gehe ich mal und fahre auf dem Dachgepäckträger weiter. Und dann bin ich halt auf dem Dachgepäckträger gefahren.“ Und du weißt: „Ey, Alter, was laberst du denn?“ Das meine ich, es geht um nichts. Ich sage immer, die erste Regel bei Standup-Comedy ist: „Wenn du schon nicht lustig bist, dann sei wenigstens interessant.“ Und das schafft ja auch fast niemand mehr, dass ist das Ding. Da ist Serdar Somuncu und es gibt noch einen neuen aus Berlin, der heißt Imaani Brown. Da ist es dann auch, da hört es dann auch schon auf, also meiner Meinung nach.
Olli: Aber wenn du diese herben Themen bringst und die Leute lachen im Publikum-
Aber es sind, Entschuldigung, dass ich unterbreche (! – A. d. R.), es sind keine Themen von mir. Ich meine, das sind ja herben Themen, das versuche ich ja zu erklären. Ich würde jetzt sagen, Nekrophilie, heißt das so?
Olli: Mit Toten?
Ja. Das ist schon ein derberes Thema. Das ist nicht so mainstreamig.
Olli: Lass mich versuchen, ein anderes Beispiel zu nennen. Du hast dieses Video zur „Fashion Week“ gemacht und hast da Leute befragt. Unter anderem ja die beiden Typen, wie sie Heidi Klum umbringen würden. (Oliver Polak: Ja.) Was geht dir da durch den Kopf, wenn sie dir erzählen, die würden sie mit Heroin voll pumpen und vom Hochhaus werfen?
Das wissen wir doch auch beide, dass die das nicht ernst meinen. Das ist einfach in dem Moment, die labern dann auch ein bisschen Scheiße, lassen ihrer Phantasie mal freien Lauf. Ich fand das total, keine Ahnung, ich finde, die hatten einfach einen ganz guten Humor, die waren halt ein bisschen hohl, aber hatten einen ganz guten Humor. So würde ich das beschreiben.
Olli: Also du hinterfragst nicht, wann zum Beispiel Leute im Publikum bei dem Pädophiliewitz lachen oder wenn dir die Katze beim Onanieren zuschaut, das ist dir im Prinzip egal, was die Leute bzw. wie die Leute das aufnehmen.
Na ja, also ich habe mal gesagt, bei der ersten Show war es halt so, wenn ich jetzt“¦ (Gähnt.) ‚tschuldigung „¦das Gefühl gehabt hätte, dass nur noch so „Horst Mahlers“ in meiner Show sitzen. Ne, dann hätte ich natürlich über die Inhalte noch mal nachgedacht. Ob ich vielleicht nicht doch was anderes machen sollte.