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Orange Feeling beim Roskilde Festival 2019

Orange Feeling beim Roskilde Festival 2019 (alle Bilder: Helen von Daacke und Marc Ehrich)

In einem Jahr begeht das festetablierte non-profit Festival Roskilde sein 50. Jubiläum. Wir (Marc und ich) sind mit Testspiel ein Jahr vorab dabei und sammeln zahlreiche tiefe und langlebige Eindrücke.

Seit 1971 besteht das legendäre Roskilde Festival. 1972 wurde es zu einem Verein und gilt seitdem als non-profit Festival. Alle Einnahmen werden jährlich vollständig an wohltätige Organisationen gespendet. Während im ersten Jahr noch zwei Bühnen von 20 Bands bespielt wurden und 10.000 Besucher anreisten, hat sich im Vergleich zu 2019 einiges gewandelt.
An vier vollen Tagen bestreitet das Festival sein Haupt-Musikprogramm, offen ist das Festivalgelände allerdings schon drei Tage vorher, eingeleitet durch einen Lauf der Campinggäste, um die besten Plätze. Legendär sind die Camps die sich auf dem Roskilde gebildet haben, wie z.B. „Camp Helge“, das seit neun Jahren seine eigene Anlage mit aufs Festival bringt und auch nach den Konzerten die ganze Nacht weiter Party macht.

„Camp Helge“

Seit 2012 besteht die „Dream City“, zu der insgesamt 83 Camps gehören und die von rund 2000 Kreativen gestaltet wird. Denn was beim Roskilde neben der Musik ganz klar im Vordergrund steht, sind die Besucher, die hier Teilnehmer genannt werden und deren Durchschnittsalter bei 24 Jahren liegt. An zweiter Stelle kommen die Musiker. Bei ihnen setzt das Roskilde seinen Fokus auf die Nachwuchskünstler. Um ihnen eine besondere Plattform zu bieten, wurden die Bühnen „Countdown“ und „Rising“ ins Leben gerufen. Dort spielten teils Künstler, die wenige Jahre darauf auf einer der Hauptbühnen gebucht werden. So geschah es in diesem Jahr mit der spannenden dänischen Punk-Jazz-Fusionband Pardans, die noch 2017 auf der „Rising“-Bühne stand und durch ihren steigenden Erfolg 2019 einen Platz im „Gloria“ fand, der kleinsten Bühne gelegen in der Artzone. „Gloria“, „Avalon“, „Apollo“, „Pavilion“, „Arena“ und „Orange“ sind die Hauptbühnen auf dem Roskilde Gelände und weitläufig verteilt.

Die Orange Stage am Tag

Während das Musikprogramm den Kern des Geschehens ausmacht, bilden auch die Partys auf den Campsites, das Angebot im Foodbereich, die Kunstaktionen und all die kleinen Spots rum um das Festivalgelände den Charakter des Festivals. Nicht möglich wäre dies ohne die zahlreichen Volunteers, die Jahr für Jahr auf freiwilliger Basis ein Festivalerlebnis für gut 100.000 Menschen kreieren wie es seinesgleichen sucht. 30.000 Volunteers arbeiten wochenlang vor, nach und während des Festivals zusammen, nicht weil sie sich das Festivalticket nicht leisten können, das sie für ihre getane Arbeit geschenkt bekommen, sondern um Teil der Roskilde-Experience zu sein. So international die Besucher sind, so bunt gemischt ist die Menge an Volunteers: Ärzte, Studenten, Lehrer und Zimmermänner arbeiten Hand in Hand. Die Diversität der Festivalteilnehmer, nicht zuletzt auch aufgrund des abwechslungsreichen Musikprogramms, schlägt sich in einem besonderen Ergebnis nieder: Das Roskilde Festival ist ein unvergleichliches Kulturevent. Reich an Emotionen, Eindrücken, Gemeinschaftssinn und Erlebnissen.

Auch das kulinarische Angebot auf dem Roskilde Festival ist sehr vielfältig von hoher Qualität

Ein Erlebnis ist auch das Konzert von Power Trip. Die Texaner um Sänger Riley Gale changieren um eine Mischung aus Trash Metal, Punk und Hardcore in einer sehr unterhaltsamen Show. Gale bedankt sich für das Erscheinen des Publikums am Mittwochabend obwohl: „the love of my life Cardi B is playing over there [Orange Stage] but I appreciate you coming over. We are now gonna play a slowjam for you“, nur um dann noch schneller, lauter und rotziger zu spielen. Mit über zehn Jahren Bühnenerfahrung und einer Menge Spaß, an dem was sie tun, nehmen sie das Publikum mit auf eine Reise voller Circle Pits – Stagediving ist beim Roskilde aufgrund einer tragischen Vergangenheit mit Toten bei einer Massenpanik streng verboten. Das ganze Sicherheitskonzept beim Roskilde funktioniert bei 130.000 Menschen erstaunlich gut. Die Sicherheitszonen vor den Hauptbühnen sind gut aufgeteilt, die Böden auch bei Regen gut ausgelegt. Per Videos werden die Besucher an den Hauptbühnen „Orange“ und „Arena“ regelmäßig daran erinnert aufeinander Acht zu geben, auch ist immer für Wasserversorgung gesorgt, die Volunteers gerne Nachfragenden reichen und damit besser organisiert sind, als der hiesige hella-Halbmarathon bei 34 °.

Crowdsurfing und Stagediving sind in Roskilde strengstens verboten

Wie Claas vom Booking-Team, das aus insgesamt sieben Leuten besteht, erklärt, geht es beim Musikprogramm des Roskilde Festivals um einzigartige Live-Erfahrungen. Daher orientiert sich das Festival nicht an bestimmten Genres, sondern spannenden zeitgenössischen Künstlern. Der New Yorker Rapper Jpegmafia gehört zu einem dieser, der seinen Auftritt am Mittwochnachmittag mit den Worten „i am not high today so we‘ll have different vibes“ einleitet oder die Sängerin Rosalía, die bei ihrem Auftritt die rhythmisch holperigen Dänen – auch die in Kutten – zum Flamenco-Klatschen mitreißt. Zu den Headlinern und Slot-Füllern am Freitag gehört die Hip-Hop-Superlative Wu-Tang Clan, die die Teilnehmer regelmäßig daran erinnern „this is Hip-Hop. We came a long way from America to party with you“. Und Party ist angesagt bei einem Set, das Hits wie „Gravel Pit“, „Protect Ya Neck“, „Wu-Tang Clan ain’t nuthing ta fuck wit“ oder „C.R.E.A.M.“ beinhaltet. Mit einem Cover von „Come together“ liefern sie nicht als die Einzigen auf dem Festival ein Beatlescover, auch Noel Gallagher und seine High Flying Birds verzücken das Publikum am Samstag nicht nur mit Oasis-Klassikern, sondern ihrer Version von „Love is all you need“.

Alle Feuerzeuge hoch beim Wu Tang-Clan Konzert

Zum ersten Mal beim Roskilde Festival und sogar in Dänemark ist in diesem Jahr die US-amerikanische Sängerin Lizzo. Sie teilt sich am Samstagnachmittag, in einem engen glitzernden Bodysuit gekleidet, die Bühne mit vier Tänzerinnen, die ihren Auftritt in Gospelmanier beginnen bevor sie zu einer das Publikum mitreißenden Show aus Pop, R‘n‘B und Hip-Hop übergehen. Sie ist in diesem Jahr nicht die einzige Künstlerin auf der Bühne, die sich groß in Szene setzen lässt, um sich Tänzerinnen für das volle Show-Erlebnis. Auch die katalanische Sängerin Rosalía, der schwedische Superstar Robyn und die ehemalige Stripperin jetzt Rapperin Cardi B inszenieren sich jede auf ihre Weise zum absoluten Glam-Höhepunkt.

Robyn – Dancing On My Own (Live at Roskilde Festival 2019)

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Einen anderen Höhepunkt beschert am Samstag eine Besucherin ihrem Freund während des Konzerts von BehemothDie Dänen zeigen an vielen Stellen ihre, nennen wir es, offene Art, wenn die Frauen sich zum Urinieren mitten auf die Wege hocken, die Männer wirklich überall ein Urinal sehen, wo eigentlich keins ist, so dass am Ende des Festivals ein teils recht penetranter Harngeruch übers Gelände weht und sich die Menschen wie selbstverständlich dauernd anrempeln und dabei dennoch keinerlei Aggression herrscht. No offense!

Shower Songs at Roskilde Festival 2019 – Robyn Edition

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Mit dem non-profit-Gedanken und dem Verzicht auf Werbung während des Festivals – nicht mal der Haupt-Bierpartner Tuborg zeigt sein ganzes Logo – geht eine hohe Professionalität auf dem Festival einher. Was bei allen großen Bühnen egal zu welcher Tageszeit und unabhängig vom Musikstil des auftretenden Künstlers auffällt, ist der glasklare Sound. Seit letztem Jahr kooperiert das Roskilde für zunächst weitere vier Jahre mit Meyer Sounds, einem familiengeführten Unternehmen, das seinen Sitz in Kalifornien hat und sein Sound-Konzept in enger Zusammenarbeit mit dem Roskilde entwickelt hat. Meyer Sounds Anspruch ist es: „to connect people with bands through sound“. Und das gelingt wirklich vorbildlich.
Das Festival verbindet Menschen durch Musik mit einem klaren non-profit Gedanken, der sich im Miteinander niederschlägt. Die Menschen auf dem Festival sind entspannt und offen. Worum es bei dem Festival geht, fasst auch Sharon van Etten bei ihrem nachmittäglichen Konzert auf der „Avalon“-Bühne zusammen: „I come from a country where Trump is president what i am not proud of. I believe in humanity.“ Das Roskilde gehört zu den etabliertesten, spannendsten, größten, bestorganisierten und freundlichsten Festivals, die die Festivallandschaft vollkommen zu Recht zu bieten hat.

Das Lineup des Roskilde Festivals zählt jedes Jahr zu den besten und vielfältigsten der weltweiten Festivallandschaft

Unsere Bilder vom Roskilde Festival