„Der neueste heiße Shit aus Berlin“ ist eine ziemlich ausgelutschte Floskel. Aber was soll ich machen, wenn es nun mal auf die Band Pabst absolut zutrifft? 2018 hat das Berliner Trio mit seinem Debütalbum „Chlorine“ lauthals auf sich aufmerksam gemacht und sich in diverse Best-of- und Geheimtipp-Listen des Jahres gespielt. Erik, Tilmann und Tore sind spielwütige Musiker, quasi ständig auf Tour und am Rotieren. Wenn gerade mal keine Pandemie herrscht. Trotz der Umstände kommt am 19. Juni ihr zweites Album „Deuce Ex Machina“ auf ihrem eigens gegründeten Label „Ketchup Tracks“ heraus, vorab wurden schon diverse Singles gedroppt. Ich habe mir die Berliner für ein Telefonat geschnappt, um über die neuen Songs, die aktuelle Situation und die Inspiration zum Bandnamen zu schnacken.
Euer Name soll von einem amerikanischen Bier inspiriert sein. Pabst ist aber auch der Name eines Kotzbeckens, dass man zum Beispiel in deutschen Studentenverbindungen auf den Toiletten findet. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Erik: Das haben wir gar nicht gecheckt, bis uns jemand darauf hingewiesen hat. Ich habe den Namen gegoogelt und da kam das nicht vor. Kann keiner von uns was zu sagen. Nicht so unsere Szene. [lacht]
Ich habe bisher nur ein Mal so einen Pabst gesehen, als ich aus Versehen eine Führung durch eine Studentenverbindung gemacht habe.
Erik: Hä, wie das?
Es war als Anzeige für ein WG-Zimmer getarnt, kein Wort von einer Verbindung. Ich habe es erst vor Ort gecheckt, mir es aber nicht nehmen lassen, eine Tour durch das Haus zu machen. [lachen]
Erik: Okay, und wie sieht so ein Pabst aus?
Im Prinzip wie ein Pissoir, aber höher angebracht und mit Griffen links und rechts, damit man sich beim Kotzen schön festhalten kann.
Tilmann: Interessant – weil sie da so hart bechern und es dazu bestimmt Rituale gibt, ist es schon institutionalisiert, dass man sich am Ende entleert.
Genau. Es ist nicht da, weil es diesen Notfall geben könnte, sondern weil es diesen Notfall definitiv geben wird. [lachen] So viel dazu, dann habt ihr jetzt eure ersten Erfahrungen mit einem Pabst gemacht.
Erik: Ja geil, mega!
Ich wollte euch am 21. März in der Hamburger Markthalle sehen, aber wenige Tage davor ging der Shutdown los. Wie hat euch Corona seitdem beschäftigt?
Erik: Kam schon unverhofft irgendwie. Übers Knie gebrochen haben wir 50 Konzerte absagen müssen und sitzen seitdem viel zuhause in der Küche und geben Interviews, anstatt euch auch im Rahmen unserer Tour direkt zu treffen. Das ist unser Alltag jetzt.
Ganz schön traurig, oder zieht ihr Hoffnung daraus? Ihr habt immerhin mit „Shake the Disease“ einen Corona-Song auf YouTube hochgeladen. Kreativ hat es ja ein bisschen was gebracht.
Erik: [lacht] Naja, das war eher so ein schnelles Ding, was wir gut machen konnten, als es gerade losging. Wir wollten uns ja treffen und auf Tour gehen, aber so hat es jeder für sich daheim gemacht. Wir haben einfach einen existierenden Song genommen und ihn ein wenig auf Corona umgeschrieben. Wir machen ja nebenbei noch viel Zeug und es ist cool, jetzt abseits vom Touren mal etwas mehr Zeit zu haben. 2019 haben wir so viel getourt, dass wir kaum Zeit für Songwriting hatten. Dann haben wir uns ein Studio gebucht und einen Monat Zeit, um neue Songs zu schreiben. Jetzt fällt so viel aus, dass wir die Zeit besser nutzen können, auch um mehr Promo fürs neue Album zu machen. Langweilig ist uns nicht [lacht].
Das glaube ich. Eure Pläne zum neuen Album „Deuce Ex Machina“ müssen sich ja auch geändert haben.
Tilmann: Was die Pläne rund ums neue Album angeht, hat sich gar nicht so viel geändert. Der Termin stand schon vor Corona fest, weil man das langfristig planen muss. Wir haben uns dann trotzdem dazu entschieden, es wie geplant durchzuziehen, auch wenn andere Bands ihre Releases verschieben. Aber die Leute hören trotzdem Musik, warum also verschieben? Wir können halt leider in dem Zeitraum keine Konzerte spielen, um den Leuten die neue Musik unter die Nase zu reiben. Das ist schon schade.
Welche Pläne gibt es für die ausgefallenen Konzerte?
Erik: Viele wurden verschoben, aber es gibt noch nicht für alle neue Pläne. Wir wären jetzt auch auf einer Support-Tour dabei gewesen, aber was damit passiert, liegt nicht in unserer Hand. Unsere eigenen Konzerte haben wir teilweise auf November und Dezember verschoben und wir hoffen einfach mal, dass die dann auch stattfinden können.
Wäre schön. Das Konzert in Hamburg war ein Tag nach meinem Geburtstag und ein paar Tage nach dem Lockdown. War nicht der beste Geburtstag. [lachen] Bevor ich zum neuen Album komme: Wie habt ihr es geschafft, dass Bob Mould [Sänger und Gitarrist von Hüsker Dü, Anm. d. Red.] euch auf dem Schirm hat?
Erik: Die Geschichte ist wahrscheinlich gar nicht so crazy. Wir haben mit dem Regisseur Philipp Virus zwei Musikvideos gedreht. Der ist mit vielen 90er-Ami-Indie-Rockern befreundet. Sonic Youth, Dinosaur Jr., Bob Mould und die ganze Gang und wie sie alle heißen. [lacht] Philipp hat den Leuten dann unsere Mucke gezeigt, was voll cool war. Bob Mould war dann auf einem Konzert von uns in Berlin, weil er auch dort lebt. Wir haben uns dann nett mit ihm unterhalten und sogar ein paar Shows in England und Schottland als Support gespielt. War ganz geil!
Mit „Deuce Ex Machina“ kommt am 19. Juni euer zweites Album raus. „Ibuprofen“ habt ihr als erste Single inklusive tablettenlastigem Video veröffentlicht. Welche Erlebnisse habt ihr mit dem Medikament gemacht, um einen Song darüber zu schreiben?
Erik: Das ist eigentlich unser Schmerzmittel der Wahl, wenn man Kater hat. Daher fiel die Wahl darauf, weil man andere Sachen nicht unbedingt nehmen sollte, wenn man gesoffen hat. Auf Tour ziehen wir uns das fast jeden Tag rein und da dachten wir uns: Da machen wir mal einen Song drüber! [lachen]
Die zweite Single „Skyline“ handelt von beschissenen Städten, auf die ihr keinen Bock mehr habt. Da ihr so viel auf Tour wart, habe ich mich gefragt, welche Städte euch dazu inspiriert haben.
Tilmann: Inspiriert zum Songtext hat uns eher Berlin, weil wir hier aufgewachsen sind und mitbekommen, wie sich die Stadt verändert. Aber das kann man guten Gewissens auf jede größere Stadt anwenden. Die Mentalität: Diese Stadt ist nicht für Verlierer und das Gefühl, man müsse ständig bei einem Wettbewerb mitmachen, wer die meiste Kohle scheffelt. Diese Entwicklung vollziehen viele Städte. Das ist aber eine Entwicklung, die eigentlich nicht sein muss, auch wenn man das immer denkt. Aber es gibt jetzt nicht diese eine Stadt, von der wir denken: Oh weia, ist das hier doof! Klar gibt’s solche Städte, aber das ist eher universell! [lacht]
Oder traust du dich nicht, konkrete Städte zu nennen, weil du dort in Zukunft noch spielen möchtest?
Tilmann: Ich glaube, wir können ganz offen sagen, dass wir als Band keine Fans von München als Stadt sind, aber dort immer ziemlich gerne gespielt haben. Die Konzerte waren echt gut, aber die Stadt eben voll Rotz. Also sorry ey, aber echt! [lachen]
Im Musikvideo zu „Skyline“ tritt Max Gruber von Drangsal auf. Wie ist die Connection zustande gekommen?
Erik: Wir haben Drangsal auf der „Zores“-Tour Ende 2018 supportet und da haben wir uns näher kennengelernt. Vorher haben wir uns mal auf irgendwelchen Hauspartys gesehen, aber er hat uns dann über Bekannte kontaktiert und wollte uns mit auf Tour nehmen. Wir haben nicht dran geglaubt, dass so was so einfach zustande kommen kann. Er war tatsächlich auch die erste Wahl, als wir in der Planung die Rolle besetzen wollten. Es hat gepasst, er hatte Bock und es ist geil geworden.
Mit „My Apocalypse“ habt ihr heute die nächste Single herausgebracht. Der Song ist gleichzeitig der letzte Track auf dem Album. Wie fiel die Entscheidung auf diesen Song als Single?
Erik: Das hat nicht zwingend was miteinander zu tun. Es gibt Künstler, die ihre Singles auch an den Anfang des Albums packen. Aber wir haben schon so einige Songs beim Aufnehmen festgelegt, die wir als potenzielle Single einschätzen. Der Song zeigt eine andere Facette von uns, nicht so haudrauf-mäßig wie die anderen. Eher die softe Emo-Seite von Pabst. [lachen]
Welche Reaktionen habt ihr bisher erhalten?
Tilmann: Kann man bisher schwer sagen. Er ist noch nicht lange draußen und ich glaube, viele haben ihn noch nicht gehört. Unter unseren Freunden war die Reaktion wie so oft gemischt. Manche fanden es total geil, manche haben ein bisschen gebraucht.
Abschließend wollte ich euch zum Produzenten Magnus Wichmann befragen. Den kenne ich durch Lingua Nada aus Leipzig, die haben ihn quasi als fünftes Bandmitglied bezeichnet. Wie seid ihr an ihn rangekommen?
Erik: Magnus hat mal mit Sören Geißenheimer in der Band „I Salute“ gespielt. Ich kenne Sören über einen Freund und habe Magnus auch schon ein paar Mal gesehen. Ich fand es total geil, wie Magnus die damaligen Sachen von I Salute produziert hat und war verblüfft, dass ein unbekannter deutscher Produzent so was macht. Den mussten wir unbedingt fragen, ob er mit uns zusammenarbeiten möchte. Gleichzeitig hatten wir mit Moses Schneider bereits einen Producer am Start. Die beiden haben sich aber darauf verständigt, zusammenzuarbeiten und Magnus hat es letztendlich gemischt. Wir sind richtig happy, dass alles so gut geklappt hat!