Vor ein paar Monaten ließ sich nochmal schön beobachten, wie viel die Einheit ‚Dekade‘ im Pop-Journalismus noch zählt, als die 10er nachträglich in Listen und Essays ausgewertet wurden. Nicht nur hat es einen besonderen Reiz, die Entwicklungen in einem abgezirkelten Zeitraum nachzuvollziehen, Parallelen zu bemerken und nebenbei auf Kuriositäten zu stoßen – es gab ja auch in der Tat einige Entwicklungen, die sich bereits um 2010 abzeichneten und sich in den folgenden zehn Jahren in alle möglichen Richtungen entfaltet haben. Und das egal, ob man nun an das Black-Metal-Revival, den langsamen Aufstieg von Lean-benebeltem Südtstaaten-Rap oder das ungestüme Aufkommen dutzender Mikrogenres denken mag.
Es liegt also ein besonderer Reiz darin, sich auch dem Zauber dieser noch jungen Dekade hinzugeben und durch fremde Plattenkisten, Bandcamp-Kollektionen, Spotify-Bibliotheken oder YouTube-Suchverläufe zu stromern, gerade weil sich die aktuelle gobale Situation ja auch verändertem Hörverhalten, abgesagten und im Gegenzug spontan aufpoppenden Alben niederschlägt. Auch abseits dieser Entwicklungen wollen wir euch aber einen Blick in die Musik gewähren, die gerade in der (sowieso ja dezentralen, virtuellen) Testspiel-Redaktion rotiert. Inwiefern sich aus den unten gelisteten Alben Tendenzen ablesen lassen, können wir gerne in rund zehn Jahren diskutieren. Für den Moment sollen knappe, subjektive Blick auf das vergangene Quartal reichen, in dem Metalcore ein unverhofftes Comeback feiert, sich Elektro-Produzenten als neue Legacy-Acts empfehlen und HipHop immer neue Querverbindungen zieht, auch in die eigene Geschichte.
Code Orange – Underneath
Nach ihrem aktuellen Album Underneath müssen Code Orange wohl aufpassen nicht den Slipknot zu machen. Das Ding ist so gut, dass mit dem berechtigten Erfolg auch das Stadion ruft. Lange waren Metal und Industrial nicht mehr so harmonisch und zerstörerisch zugleich. Coverart konnte die Truppe noch nie – bei Musik zählt ja aber zum Glück, was unter der Haube steckt! (Tim)
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Denzel Curry – Unlocked
Wenn man Denzel Curry und Kenny Beats ein Mixtape zusammenbasteln lässt, kommt dabei Unlocked heraus. Im Grunde gewohnte Qualität an beiden Fronten, die sich zwar nicht ganz summiert aber keinesfalls aufhebt. Energie steckt da auf jeden Fall drin – Post-Gucci und so. (Tim)
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Doubtboy – Skit
20 Tracks, 18 Minuten – Liebe geht raus an die Erotik Toy Bande. Doubtboy hat mit Skit ein interessantes Konzept, dem Namen entsprechend 20 Skit-Tracks, am Start. Natürlich ist nicht jeder Track dabei gold, aber manchmal reicht halt auch Bronze. Grundsätzlich ein rundes Ding, wenn man sich drauf einlässt. (Tim)
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Four Tet – Sixteen Oceans
Böswillig könnte man sagen, dass Kieran Hebdan seinen abgespannten After-Hour-Eso-Film weiterfährt, ohne der Sache noch Entscheidendes hinzuzufügen zu haben, und damit hätte man ja auch recht, zielte der Kommentar nicht irgendwie an der Sache vorbei – das trippige Wegfließen ist ja längst Pointe an dem Sound geworden, der hier über eine Stunde mal wieder virtuos ausbuchstabiert wird. (Sebastian)
https://open.spotify.com/album/5gIa8hTQGPwVeNYjDwrraZ
Haru Nemuri – Lovetheism
Die Japanerin ist in vieler Hinsicht die Ausnahme (von dem, was ich aus der Richtung so kenne). Mit Lovetheism legt sie nach ihrem Debüt harutosyura nochmal nach. Vom ersten Track, der einen mit „Fanfaren der Liebe und Wut“ abholt, bis zum poppig-theatralisch Finale, wird vor nichts Halt gemacht, das der Frau hilft sich künstlerisch zu verwirklichen – um den Regisseur des Films mal ganz grob zu zitieren, der dieses Jahr unter anderem den Oscar für den besten Film gewann: Scheiss auf Sprachbarriere. (Tim)
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Knowsum – Sechs
Wenn LoFi-Beats hier in Deutschland einen Vornamen haben, dann ist es Knowsum. Rausch-Ästhetik in jedweder Hinsicht der Assoziation wird hier Futter geboten. Groovy, funky, sexy. Der perfekte Soundtrack für den heißen Freitagabend, verkaterten Samstagmorgen und entspannten Sonntag. (Tim)
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Loathe – I Let It In And It Took Everything
Das Debüt war solide, zeigte brav, dass Loathe ihre Hausaufgaben gemacht hatten und nun wussten, dass djentiger Metalcore allein nicht reicht – das kann man loben, aber irgendwie direkt auch wieder vergessen. I Let It In And It Took Everything irritiert dann erst mit glatten Nackenbrüchen und verschwurbeltem Shoegaze, erinnernt an ein Deftones-Surrogat, das einen dann aber nicht mehr loslassen will. Gerade weil man den Finger nicht drauf legen kann, woran die Sucht liegt, macht das zweite Album seinem grandiosen Titel alle Ehre. (Sebastian)
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Mac Miller – Circles
Posthume Alben, Mac Millers Hype mit anschließendem Verschwinden in der Versenkung – über all das ließe sich hier sprechen, es verblasst aber vor der Souveränität, mit der sich hier aalglatter Rap in jazzige Windungen zwirbelt und dabei eine unaufdringliche Mainstream-Kompatibilität entfaltet. Eine Platte wie morgens nochmal rumdrehen und dann nochmal und dann nochmal. (Sebastian)
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Messer – No Future Days
Alben, die Leute wie wir bei Testspiel als Meisterwerk brandmarken, sind für die entsprechenden Bands manchmal eher ein Klotz am Bein, weil: Irgendwie muss das ja dann in der allgegenwärtigen Überbietungslogik überboten werden. Messer wuseln sich gottseidank auf ihrem vierten Album mit schattigem Dub, cocktailigem Post Punk und spukendem Krautrock aus der Affäre, unauffällig und so raffiniert, dass hier niemand Meisterwek schreit (obwohl’s halt gerade deswegen eins ist). (Sebastian)
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Nyx Nótt – Aux Pieds De La Nuit
Ein Rauschen, ein Treiben, ein behutsamer Beat, ein zwielichtiger Twang: Aidan Moffat legt jenseits von TripHop Jazz und Blues als Sample-Musik neu auf, schlörrt uns Ahnungslose durch trockene Nächte und entfacht ein unaufdringliches Referenzgewitter, in dessen seidige Textur man sich kleiden möchte. (Sebastian)
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Princess Nokia – Everything Sucks
Vorbei sind die Zeiten von Tomboy. Mit dem Doppel-Projekt Everything is Beautiful / Everything Sucks zeigt Destiny Frasqueri, dass sie sich weiterentwickelt hat. Facettenreicher war die Musik der Guten noch nie. Everything Sucks zieht einem Beat-technisch aber nochmal mal die Falten aus der Visage. Wenn auch auf der anderen Scheibe trotzdem mal in Sugar Honey Iced Tea (S.H.I.T.) reinhören. (Tim)
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Die Sterne – Die Sterne
Flucht in die Flucht war ein tolles Puzzle, aber am Ende wohl auch ein verlegenes Dribbeln im Kreis. Wie wollen Die Sterne ihre Pi-mal-Daumen vierte Dekade als Band denn nun aufschlagen? Frank Spilker hat die restlichen Mitglieder als Antwort kurzerhand rausgeschmissen, die Gruppe in ein offenes Kollektiv umgewandelt und ein Album aufgenommen, das ebenso heterogen ist wie der Vorgänger. Aber halt auch ebenso toll (mindestens). (Sebastian)
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Tame Impala – The Slow Rush
Ihr viertes Album beendete eine Durststrecke und entdeckt für sich neue Wege. Es rauscht weniger psychedelischen Rock, als mehr Pop und French House. Das kommt nuanciert daher und lässt eine feinsinnige Ausarbeitung erkennen. Ein langsamer Rausch, dem man sich gerne hingibt. Spannend wird auch das Ergebnis der angekündigten Kollaboration mit The Streets. (Helen)
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tricot – 真っ黒 (Schwarz)
Die japanischen Math-Rock-Truppe ist zurück. Das Quartett lässt seit vier Alben keine Wünsche übrig, die der erfahrende Genre-Liebhaber wohl haben könnte. Druck ohne Ende, dabei immer so verspielt und minutiös, wie es sich im Math eben so hört. Alleinstellungsmerkmal ist die schon fast zuckersüße Note durch die Stimme von Sängerin und Gitarristin Ikkyu. (Tim)
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Violent Soho – Everything is A-Ok
Die Australier finden mit der neuen Platte zu alter Stärke zurück. Stellenweise hymnisch, dabei aber keinesfalls Stadion. Dann wieder mit genug Druck, um jede Punk-Crowd abzuholen und dann immer diese leichte Eustress in den Lyrics – guess I pick it up again. (Tim)
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