Maeckes (links im Bild, Credit Nico Wöhrle), das ewige Phantom der deutschen Rapszene, mehrmals gesichtet irgendwo zwischen Rap-Up-Comedy, Formatradio und bizarren Klangexperimenten, ausgestattet mit einer seltenen Mischung aus Pennälerhumor und Zynismus, doch nie präzise festgenagelt; unter anderem weil er lieber darüber spricht, nicht Maeckes zu sein, als zu verraten, wer er denn ist. Wir nahmen die Veröffentlichung seiner aktuellen Solo-Platte „Tilt“ zum Anlass, auf Spurensuche zu gehen und sprachen mit Markus Winter über Identitäten, Youtube und Elitarismus.
Hattest du Angst, bevor die Arbeit an „Tilt“ begann?
Nee, eigentlich nicht. Ich wusste, ich will mal wieder ein Album zu machen, das zu Ende gedacht ist, bei dem alles eingespielt wird und man ganz lange dran feilt, und davor hatte ich ein bisschen Schiss. Mal wieder so einen Moment zu haben, wo ich mich meinem Tun stellen muss, es auf ein Podest stelle und sage: „Guck mal hier, so klingt Solomusik von Maeckes“. Vor dem Machen selber hatte ich überraschend wenig Angst. Das hab ich einfach gemacht.
Was hat sich denn bei dir in den letzten sechs Jahren seit „Kids“ rausgekommen ist verändert?
Unglaublich viel, auch wenn ich gemerkt hab, dass sich zum Teil gar nix verändert hat. Die Ursprünge der Ideen sind noch immer nah dran am „besseren Mateja Kezmann Ton“, aber oft ist es auch krass weit weg davon. Ich hab viel experimentiert, vor allem mit der „Null“, „Eins“, „Zwei“ Reihe. Das waren für mich keine fertigen Alben, das waren Einblicke in Skizzen. Und die Gitarrenkonzerte waren auch noch mal ganz anders. Als ich dann aber am Album saß, hab ich gemerkt, dass ich gar nicht so viel Sing-Sang produzieren, sondern lieber rappen will. Ich wollte, dass es organisch klingt, aber es sollen auch viele Beats da sein, und so kann ein „Gettin Jiggy With It“ auch nah am „besseren Mateja Kezmann Ton“ sein.
Gutes Stichwort: Vor ein paar Jahren hattest du im Interview mit laut.de angegeben, die Gitarrensongs den Gitarrenkonzerten lassen zu wollen. Wieso hat sich das geändert?
Es ist so: Die Lieder, die auf der Gitarre passieren, so wie sie in Gitarrenform sind, da gibts keinen Tonträger zu, nichts, das gibt es nur auf den Konzerten. Aber manchmal merkt man, dass ein Song in der falschen Haut steckt. „Getting Jiggy With It“ hab ich als Gitarrenlied geschrieben, und dann gemerkt, dass es eigentlich voll der Rapsong ist. Ich hab es auf einem Beat ausprobiert, und da war es mehr zu Hause als auf der Gitarre, also: Tschüss Gitarre, hallo Beat. Oftmals ist es umgekehrt, da schreib ich Dinge auf einem Beat, aber die Gitarre gibt mir eben mehr Freiheit mit einem Thema umzugehen, das zwischen lustig, schrecklich und traurig liegt.
Wie werden sich die Konzerte der kommenden Tour zu den Gitarrenkonzerten verhalten?
Sie werden nicht bestuhlt sein. Und sonst eigentlich genau das gleiche. (giggelt) Nee, also mit Band. Es wird natürlich lauter und man darf auch mal abgehen. Manche Leute waren bei den Gitarrenkonzerten auch immer zu gehemmt um abzugehen, wenn dann mal was abging, weil man ja sonst die ganze Zeit sitzt und nur zuschaut und ganz klar so einen Beobachterstatus hat.
Die Gitarrenkonzerte waren aber halt auch ziemlich inszeniert, es ist immer irgendein Kram passiert. Wird es das auf dieser Tour auch geben?
Naja, nicht so. Ich glaube, es wird schon eher so’n Konzert sein, also ein richtiges Konzert. Ich hab kurz überlegt, ob es irgendwie zusammenwächst, aber die Gitarrenkonzerte sind das was sie sind. Es wird sich bestimmt nicht vermeiden lassen, dass die ein oder andere Idee, die so im Kosmos der Gitarrenkonzerte passieren könnte, auf der Tilt-Tour auch mit dabei ist, aber eigentlich ist es halt ein Konzert. Wir spielen Lieder. Mit einer Band.
Hattest du schon ein Sounddesign vor Augen, als es ins Studio ging?
Es hat sich sehr viel entwickelt, obwohl die Ausgangsposition sehr gut war. Ich hab schon ganz am Anfang mit Tristan zusammengearbeitet, und ich war Überfan von allem was er mir geschickt hat an musikalischen Ideen und alles was ich ihm geschickt hab so an kleinen Skizzen fand er auch gut. Man ist gleich von Anfang an einen Weg so gemeinsam gegangen, auch wenn es ein unfassbar langer Weg war, gerade weil wir ja an so einer Schnittstelle sind zwischen Band, Samples und elektronischem Kram. Es gab ne ganze Bandbreite an Sounds. Ich mag das sehr gerne, wo wir jetzt gelandet sind, weil es die radikale Dummheit hat, die manchem meiner Beats innewohnt, aber auch die musikalische Finesse, die durch Tristan mitbringt.
Wie würde die Platte denn ohne deine beiden Mitstreiter Tristan und Äh, Dings klingen?
Es wäre ein A-Capella-Album.
Du bist doch immerhin auch Platin-Produzent. Wäre es nicht auch ein bisschen Hip-Hop-lastiger geworden?
Es wäre bestimmt nicht ganz so musikalisch, weil man für so was einfach ein anderes musikalisches Verständnis braucht. Man braucht da jemanden der sagt: „Hier bietet sich B-Moll an, weil das die und die Gefühle transportiert“. So Zeug mach ich alleine nicht, und wenn, dann nur durch ein Gefühl oder einen Zufall oder weil ich über nen anderen Weg da hin komm. Es wär also auf ne andere Art musikalisch, vielleicht sehr viel experimenteller.
Bei Videos, Promotion etc. hast du ja auch immer deine Finger mit drin. Wie entstand denn die Idee zum Video von „Gettin Jiggy With It“? Stand da erst der Weltuntergangsteil oder die Internetästhetik?
Das war ein sehr langer Prozess, weil der Gedanke in dem Song gar nicht so leicht ist. Es klingt zwar einfach, „das Beste auf der Welt sind wir Menschen und das Schlechteste auch“, aber das zu visualisieren, ohne die Zeilen eins zu eins abzufilmen, war ein weiter Weg. Ausgangsposition war aber auf jeden Fall nicht die Katastrophe, sondern so ein „People Are Awesome“ Compilation Video, die das vermeintlich Beste am Menschen darstellen, in einer bekannten Ästhetik, in der Leute dann coole Sachen machen und der Mensch an sich cool ist mit seinen individuellen, tollen Leistungen. Schon da haben wir aber schnell Moral fraglich erscheinen lassen, wie bei der Frau, die sich durch Schläge schminken lässt. Irgendwann kam dann die Frage auf, was das Schlechteste im Menschen ist, was da dann auch noch passieren muss, und da hat sich Krieg angeboten.
Das Video ist ja eingebettet in eine Promophase von epischen Ausmaßen.
Oh, danke dir!
Promophase ist ja eigentlich so ein Unwort und eine Sache, die total viele Rapper machen, aber du gehst die Sache ja durchaus anders an, mit viel Liebe zum Detail. Interessieren dich Promophasen denn generell? Unterhält dich sowas oder nervt es dich eher?
Es nervt mich bei anderen sehr, weil das alles unfassbar dumpf ist. Das ist sehr durchschaubar. Ich bin sehr selten überrascht, aber wenn ich überrascht bin, dann find ich Promophasen gut. Kraftklub hatte mal diese falsche Band erfunden, das fand ich super. Wenn jetzt aber der 600.000ste Disstrack mit der 600.000sten gleichen Beleidigung über den 600.000sten gleichen Standardbeat passiert, find ich das nicht so krass. Ich guck mir eigentlich gar nicht so viele Promophasen an, und hatte auch nicht vor, DIE epische Promophase zu machen. Es ist viel eher so, dass ich da ein Spielfeld hab, wo ich all die Sachen, die ich sonst so um Musik drumherum mache, unter dem Deckmantel Promo machen kann. Das sind Sachen, die mich auch so interessieren würden, selbst wenn ich kein Produkt hätte, das es zu bewerben gilt. Sowas wie die „Fuck You Meditation“ würde ich auch gerne einfach so als Youtubevideo machen. Oder so ein viel zu schnell geschnittenes, halb echtes und halb erfundenes Faktenvideo über mich selber, das find ich auch so witzig. Das macht mir alles Spaß, wenn ich es aber einfach so machen würde, wäre es glaub ich befremdlich und so kann ich es als Promophase tarnen und ich gelte als weniger verrückt, sondern als wirtschaftlich sehr engagierter Typ, der sein Album bewerben möchte.
Die Videos beziehen sich ja auch direkt auf diese Youtube-Welt. Wie stehst du denn dazu?
Zu Youtube?
Ja, also vor allem zu dem, was da in Youtubedeutschland passiert. Dazu würden deine Videos ja auch zählen, wenn sie nicht in eine Promophase eingebettet wären.
Das ist ähnlich wie mit dem Aufhänger von „Jiggy“: Es ist das Schlechteste und Beste der Welt. Die Möglichkeit, dass jeder Idiot all seine Ideen in ein Video packen und dann Fernsehen spielen kann find ich gut, die Umsetzung find ich aber halt ganz schrecklich. Was ich witzig find ist das, was kleinteilig, mühsam inszeniert wurde, wo Ideen drin stecken. Was ich schrecklich finde, ist eins zu eins einen vermeintlichen Lifestyle abzufilmen und den Leuten zugänglich zu machen. Und dahin geht es ja immer mehr. Wo man am Anfang von Youtube noch Formate schaffen musste, ist es in Snapchat-Zeiten ja einfach nur wichtig, dass man möglichst nah dran ist, dass möglichst viel Austausch möglichst uninszeniert stattfindet. Zwar ist das immer noch inszeniert, aber so, dass es sich echt anfühlt. Und das find ich schrecklich und würds mir nie angucken.
Auf „Tilt“ geht’s viel um Identität und Inszenierung, gerade bei einem Song wie „Inneres/Äußeres“. Ist das gerade für dich ein wichtiges Thema?
Ja, weil sich die Kommunikation einfach ändert. „Tilt“ kommt an manchen Katastrophen vorbei, gipfelt ja aber in der Hymne auf das Losersein, und ich find da muss es wieder ankommen. Die Welt sagt einem gerade: „Alle sind geil, alle machen krasse Sachen, was geht bei dir?“ Diese Frage kann man noch mal überdenken, weil man über all diese Plattformen quasi die Möglichkeit hat, die Fehler an einem zu verstecken und so ein Idealbild von sich nach außen zu bringen. Da vergisst man, dass so Fehler wuchern können, wenn sie nur in einem dunklen Raum vor sich hin vegetieren. Und irgendwann sind alle nach außen hin geile Typen, die aber völlig porös in sich zusammenbrechen, sobald sie allein zu Hause sind, und das find ich sehr traurig. Deshalb bin ich dafür, dass man mehr Fehler rauslässt und damit beschäftigt sich das Album. Was ist echt, wie viel kriegt man von Maeckes und wie viel nicht, und ich glaub, dass man auf diesem Album doch sehr viel bekommt, was einem in der Promophase vielleicht verwehrt bleibt. Da wo es wirklich sein muss, in der Musik, da ist es und da, wo es in vermeintlichen Einblicken ist, ist es nicht. Aber vielleicht ist es auch genau andersrum.
Dieses „Tilt“ Gefühl, dass nix mehr geht, findet man auf dem Album oft, bei Menschen und in Situationen, die du beschreibst. Ist ein Verzweifeln an den Zuständen zentrale Motivation für dich, um Musik zu machen?
Nee, eigentlich nicht. Ich kann auch viel simplere Motiviationen fürs Musikmachen finden. Wir haben so ein Exclusive gemacht („Wow“, Anmerkung der Red.), und das hat mich auch motiviert, ohne dass ich da ein krasses Seeleninnenleben zeigen musste. Aber während der Produktion dieses Albums hab ich gemerkt, dass ich gerne ein paar Sachen, die vielleicht schon weiter in der Vergangenheit liegen, einen Zoo bauen will, wo ich sie mir angucken kann, die dort dann aber auch ihr Zuhause haben. Für mich ist das so bei diesem Album auch zum letzten Mal passiert. Die Sachen haben jetzt so ein Mahnmal und dann ist auch gut, jetzt kann ich auch einfach wieder was über … was ist denn grad ein cooles Thema … Geld machen.
Du weißt also auch noch nicht so recht, wo es als nächstes hingehen wird?
Ja, ich hab eher zu viel Ahnung, und das ist das Problem.
So ein Maeckes-Lied will einem ja aber auch oft wehtun, entweder musikalisch oder textlich. Ist das deine Absicht?
Nee, naja, nee, wie gesagt, das passiert einfach oft von alleine, ich hab gar keine so krasse Agenda. Aber die Songs, die sich auch von selber schreiben lassen, die wollen was mit dem Hörer machen, die wollen irgendwas auslösen, die wollen mal überraschen, die wollen ihn irgendwohin zerren, wo er sonst vielleicht nicht ist. So Songs die freundlich gucken und in ihrem Bereich bleiben, die gibt es ja schon genug, obwohl ich die auch am liebsten machen würde. Aber die Lieder wollen dann selber immer irgendwas machen. Ich hab da aber leider gar keine Kontrolle, das machen die Lieder selber.
Verstören dich denn deine eigenen Lieder auch?
Voll. Wobei, das Ding ist, wenn man so viel Zeit damit verbracht hat, die Songs zu schreiben, dann kann man die nie wieder wie ein normales Lied hören. Das bleibt mir verwehrt. Wie bei einem Regisseur, der den eigenen Film nie gucken kann. Deswegen hab ich Glück gehabt und die verstören mich nicht.
Ist es dann nicht trotzdem eine Qual, sich immer wieder auf die Bühne mit den Liedern zu stellen?
Nee, ich find, dass man sich den Gefühlen, die da drin sind, die dem Mensch auch irgendwie eigen sind, stellen muss, egal ob jetzt im wirklichen Leben oder im Mikrokosmos von so einem Album. Deswegen hab ich auch kein Problem damit, mich all diesen Gefühlsdingen an einem Abend zu stellen, das gehört ja alles dazu. Das ist gerade so. Vielleicht will ich danach einfach mein PNL-Coveralbum machen und nur noch das eine Gefühl haben, nämlich wie ich ein geiler Typ bin auf der Bühne. Dann wird so vielleicht die nächste Tour sein und dann bin ich ein geiler Typ. Aber im Moment find ich gut, dass es mehr umfassen darf. Dann hab ich gar kein Problem damit, sondern freu mich darüber, das zu zelebrieren mit ein paar Menschen, denen es ähnlich geht.
Glaubst du, dass die Leute bei Orsons Konzerten immer verstanden haben, wer da vor ihnen steht, in allen Dimensionen? Ich hatte persönlich nicht das Gefühl, dass eure Message bei allen Leuten angekommen ist.
Nee, wird’s auch glaub ich nie. Das ist irgendwie so ein Trugschluss. Für manche Leute ist Musik immer das, was sie projizieren. Und wenn man projiziert: „Die Orsons sind vier witzige Typen die ein bisschen Schwung in die Kiste bringen“, dann ist für eine Person das die Projektion. Dann stimmt das für die eine Person, und selbst wenn ich einen Lichtbildvortrag über Kindersoldaten halten würde, aber im Hintergrund leise der Schwung in die Kiste Beat kommt, dann würden die sagen: „Ah, das ist der Typ, den ich von Schwung in die Kiste kenn“. Es bedarf viel, so eine Projektion zu zerstören.
Du fühlst dich aber nicht angegriffen, wenn sich jemand nicht für alle Facetten interessiert.
Es ist Blödsinn, wenn man denkt, dass man sich von jedem einzelnen verstanden fühlen muss. Ich freu mich über das eine Prozent, das es tut. Wenn das die Quote ist, dann ist es okay für mich. Früher dachte ich immer, ich will alle anderen abschütteln und nur mit dem einen Prozent rumhängen. Die anderen sollen sich verpissen, die muss ich aussortieren und dann in einem kleinen feinen Kreis mit diesem einen Prozent kleine, geheime Treffen abhalten und mich verstanden fühlen. Ich kann das immer noch haben mit dem einen Prozent, selbst wenn andere drumherum stehen und es denen was anderes gibt.
Was glaubst du, wie hoch die Erwartungshaltung für „Tilt“ bei dem einen Prozent sind?
Ich kann immer so schwer in die Köpfe anderer Leute schauen. Vielleicht, dass ich was ganz großartiges mach. (giggelt) Ich kann das nicht so genau sagen, weil das nicht meine Art zu arbeiten ist. Ich glaub, dass Leute, die immer alles so merkwürdig wie möglich und klein wie möglich haben wollen, sich auch darin finden können. Vielleicht ist es nicht ganz so experimentell wie auf „Null“, „Eins“, „Zwei“, nicht ganz so inszeniert-bösartig wie bei den Gitarrenkonzerten, aber ich glaub, dass mein Kern in all dem drin steckt, auch wenn ein Beat mal eingängiger ist.
Hast du schon eine Idee, wie „Drei“ aussehen wird?
Ja. Meine erste Idee war, dass ich die Songs von „Zwei“ aufteile und drei Leuten geb, die daraus drei EPs machen. Die schnapp ich mir dann wiederum für „Vier“. Das ist aber nur eine Idee, es gibt mehrere. Und wenn ihr wollt, könnt ihr jetzt voten, wer die drei Leute sind!
„Tilt“ erscheint am 21.10.2016 via Vertigo/Chimperator via Platte, CD und digital.