Harmonischer hätte man sich die Ausgangssituation zum zehnjährigen Bestehen des Record Store Day kaum ausmalen können: Die kritischen Stimmen sind weitestgehend verstummt und die VÖ-Liste strotzt nur so vor allseits beliebten Künstlern, von Lemmy über Bowie bis Prince. Leider geht mit diesem Fokus auf teils doch eher mittelspannende Re-Issues mehr oder weniger jüngst verstorbener Musiker auch einiges an Aufmerksamkeit für die kleinen, exklusiv angefertigen Releases, die ja gerade den Charme der Veranstaltung ausmachen, verloren.
Doch wir wollen nicht meckern, sondern stattdessen zu Tage fördern, was es auch in diesem Jahr wieder zu entdecken gibt neben manch verzichtbarem Beitrag. Ohnehin zählt am Ende vor allem wie immer, guter Musik eine Plattform zu bieten und diese in Gestalt von Plattenläden zu unterstützen.
Alice In Chains – B-Sides
Eingefleischte Fans und Grunge-Verehrer aufgepasst! Alice in Chains bannen mit dieser Doppel-Single die Songs „What the Hell Have I“, „A Little Bitter“, „Get Born Again“ und „Died“ in ihrer neu-abgemischten Version erstmals auf Vinyl. Sicherlich eine willkommene Auffrischung der Plattensammlung. (JK)
Animal Collective – Meeting Of The Waters
Als Animal Collective vor einigen Monaten eine Expedition in den Regenwald wagten, nahmen sie glücklicherweise nicht nur ein Kamerateam mit, sondern auch ein paar Songs auf. Vier Stücke erscheinen nun als EP gebündelt unter dem Titel „Meeting Of The Waters“ in Form einer 12″. Großer Hippie-Quatsch, bei dem wir gerne mitmachen. (SB)
Blowfly – Forever Fly
Passend zu Blowflys bizarrer Rap-Persona ist auch diese Single ein einziges Durcheinander: Auf der A-Seite laufen die Rillen zweier Songs parallel zueinander, so dass beim Aufsetzen der Nadel nie ganz klar ist, welcher Song nun abgespielt wird. Das stiftet nicht nur Verwirrung, sondern schafft auf der B-Seite auch Platz für ein schickes Etching. Limitiert übrigens auf 1.000 Exemplare weltweit, also schnappt euch eins, wenn sich die Gelegenheit bietet. (SB)
C. Brötzmann & T. Raumschmiere – C. Brötzmann & T. Raumschmiere
Diese Kollaboration verspricht spannend zu werden: Noise-Extremist Caspar Brötzmann und Electropunk-Pate T.Raumschmiere verbrachten 2014 ein paar Tage gemeinsam im Studio und erarbeiteten unter Rotweineinfluss drei Tracks, die nun in 300er Auflage als 10″ erscheinen. Egal, wer bei „Schere“, „Stein“, „Papier“ gewinnt, für den Hörer wird es angenehm schmerzhaft ausgehen. (SB)
Ben Folds – Live In Perth (with West Australian Symphony Orchestra)
(Das Cover der LP-Version lag uns leider nicht vor)
Ben Folds ist live sicherlich eine großartige Erfahrung. Wenn er dann noch Unterstützung vom West Australian Symphony Orchestra bekommt, umso mehr. Er ist keiner der ganz großen Sänger. Keiner der mühelos sein Programm runter fährt, sondern sich in jeden Song reinhängt, weil er es muss, aber auch will. Wenn diese Attitüde mit einem Symphonie-Orchester zusammen kommt, muss das groß werden. (JK)
Klaus Dinger & preJapandorf – 2000!
Wessen Bedarf in Sachen La Düsseldorf, von denen in diesem Jahr eine Single-Compilation anlässlich des RSD erscheint, gesättigt ist, der muss nicht unbedingt auf Klaus Dinger verzichten: „2000!“ versammelt eine großartige Sammlung von Aufnahmen, die der Düsseldorfer gemeinsam mit Musikern des zu dieser Zeit gerade entstehenden Projekts Japandorf in One-Take-Sessions erstellte. Diese Zeugnisse einer Soundfindung sind roh, aber eben darin liegt ihr Reiz. (SB)
Hudson Mohawke – DedSec – Watch Dogs 2 (OST)
„Watch Dogs“ ist ein sogenanntes Open-World-Adventure, ein Spiel, das dem Gamer das Gefühl von unendlicher Reichhaltigkeit vermittelt. Thematisch geht es um einen Informationskrieg und man übernimmt die Rolle eines Hackers namens Aiden Pearce. Ziemlich spannend also. Noch besser wird das Ganze durch den Soundtrack, den Hudson Mohawke zum zweiten Teil des Spiels beisteuert. Düster veworrene Melodien paaren sich hierin mit eher traditionellen Gaming-Rhythmen und beschwören die Motive des komplexen Adventures. (JK)
Moondog – Moondog
Moondog – der Wikinger der 6th Avenue könnte mit dieser Pressung ein kleines Revival feiern. Denn das selbstbetitelte Album von 1969 feiert seit mehr als einem Jahrzehnt eine Neupressung. Und zwar auf weißem Vinyl in einer Auflage von 3000. Heiß erwartet unter den Fans, dürfte dieses Release auch Neuhörer des blinden Komponisten locken. Kriegen wir das Teil vor die Flinte, gehört es jedenfalls uns. (JK)
Kevin Morby – Beautiful Strangers/No Place To Fall
Zwei großartige Tracks steuert Kevin Morby bei. Zu „Beautiful Strangers“ (von Pitchfork letztens zum „Best New Track“ gewählt) gibt es zusätzlich noch „No Place To Fall“, das man von seinen Live Shows kennt. Super Mischung. Super für die Plattensammlung. Super mit Schwarztee. (JK)
Vangelis – Blade Runner O.S.T.
Zum Schluss dann doch noch eine Re-Issue-Empfehlung von mir: Aber was für eine! Der rückblickend betrachtet sehr retrofuturistische Soundtrack, den Vangelis „Blade Runner“ einst auf den Leib schneiderte, erscheint nun als schnieke Picture Disc. Neue Musik bringt das natürlich nicht auf den Teller, dafür aber bunte Bilder und man weiß halt schon, dass die Sache taugt. So viel Sicherheit sei in derart unsicheren Zeiten erlaubt. (SB)