StartKritikenRed Bull Soundclash 2015, Sido gegen Haftbefehl: Die Nachlese

Red Bull Soundclash 2015, Sido gegen Haftbefehl: Die Nachlese

Foto: Dirk Mathesius

Ziemlich gespannt war ich als Freund des ersten Soundclashs ja schon, wie die 2015er Auflage funktionieren würde. 2012 standen sich mit K.I.Z. und Kraftklub zwei veritable Live-Acts gegenüber, was auf Sido und Haftbefehl nur bedingt der Fall ist. Ihre gegenseitige Sympathie ist derweil spätestens seit ihrer Abrechnung mit dem Jahr 2010 dokumentiert, und leicht lässt sich zwischen ihnen auch der Gegensatz herausarbeiten. Sido ist der ehemalige Junge von der Straße, der mittlerweile vollkommen arriviert ist. Seine Rolle als Schreckgespenst, das durch deutsche Elternhäuser geistert, hat mittlerweile Haftbefehl übernommen. Der ist Gangster, Azzlack und obendrein Feuilleton-Liebling, während sich Sido natürlich viel besser verkauft. Fest steht: Beide haben die entsprechende Reichweite, um eine solche Veranstaltung zu einem Spektakel in mehreren Akten zu machen. Und diese gestalteten sich wie folgt:

Warm-Up

Sido legt mit zwei sicheren Hits vor: „Fuffies im Club“ und „Schlechtes Vorbild“. Kennt jeder, mag jeder. Die Band in seinem Rücken ist hörbar gut eingespielt, der Sound stimmt auch. Haftbefehl ist in seinem Setting derweil weit mehr Hip Hop; lediglich einen DJ gönnt er sich, um seine Songs „Lass die Affen aus dem Zoo“ und „Ihr Hurensöhne“ entsprechend Nachdruck zu verleihen. Auch das funktioniert, ist ja aber natürlich nur eine Fingerübung für beide.

Runde 1: The Cover

Hier wird es spannender. Der Song, den beide Kontrahenten sich vorknöpfen sollen, ist klarer Konsens: Cros Hit „Easy“. Haftbefehl startet mit einer etwas ziellosen Vermengung mit dem Track „Locker, Easy“, die lediglich durch die Unterstützung der unzerstörbaren Charmebolzen Celo & Abdi gerettet wird. Sidos Version trifff da tatsächlich eher ins Schwarze: Statt „Easy“ heißt es bei ihm „Hafti“. Kein vernichtender Angriff, aber ein nettes Scharmützel.

Runde 2: The Takeover

Im Anschluss geht es darum, einen Song des anderen logisch zu Ende zu führen. Sido liefert mit seinem vor Schmalz triefenden Hit „Einer dieser Steine“ eine perfekte Zielscheibe, die Haftbefehl zunächst in ironischem Kauderwelsch bearbeitet. Das ist kurz lustig, droht aber schnell, peinlich zu werden. Zum Glück hat er noch ein Ass im Ärmel, das ganz klar zum Höhepunkt des Abends führt: Olli Schulz entert die Bühne und beerdigt Sido mit einem sehr soliden Part. Kommt deutlich überraschender daher als Sidos Fortführung von Haftbefehls „Engel im Herz, Teufel im Kopf“, die sich in einem bloßen Cover erschöpft.

Runde 3: The Clash

Die eigenen Stücke in fremdes Terrain zu überführen, damit hat Sido Erfahrungen. Seine Crossover-Version von „Mama ist stolz“ ist noch gut im kollektiven Gedächtnis verankert und als Höhepunkt in seiner Karriere verbucht. In eine ähnliche Richtung drückt er hier „Carmen“, das vielleicht etwas zu breit ausgewalzt wird, aber insgesamt angenehm energisch rüberkommt. Zuvor haben er und Haftbefehl schon ihre Songs „Astronaut“ und „Ich nehm dir alles weg“ in Richtung Reggea interpretiert und damit im leicht verdaubaren Bereich geblieben. Mit gesteigertem Energielevel wartet derweil auch Haftbefehls Rave-Dubstep-Remix von „Saudi Arabi Money Rich“ auf. Knallt, bollert, funktioniert.

Runde 4: The Wildcard

Die Tatsache, dass ich Olli Schulz Auftritt bereits zum besten Moment des Abends gekürt habe, verrät bereits einiges darüber, wie die Wildcards verteilt wurden: mäßig spannend nämlich. Beim Duell Kraftklub gegen K.I.Z. hatte es mit Sido und Casper hervorragende sowie mit den beiden Ochsenknecht Buben überraschende Gäste gegeben. Ähnliches lässt sich diesem Soundclash nicht attestieren. Als Haftbefehl „CopKKKilla“ startete, keimt kurz Hoffnung auf, Jan Böhmermann könnte als Gast eingeplant sein. Stattdessen erklimmt Xatar für einen ordentlichen Part die Bühne. Sidos Wahl von Laas Unltd. scheint da schon ungleich vielversprechender: Der mächtige Battlerapper zeigte tatsächlich, welches Potential das Format bieten würde, ginge es nicht um die große Show und kleinere Sticheleien.

Der Haken an der Sache: Die Stimmung in der Halle ist zu dem Zeitpunkt bereits voll in Richtung Haftbefehl gekippt, so dass Laas fast durchgängig von Pfiffen übertönt wird. Die Idee war gut, wirkt hier jedoch leider deplatziert. Der Battlepart geht ebenso unter wie meine Hoffnung, als Haftbefehl ins Publikum steigt, um „Ich rolle mit meim Besten“ zu rappen. Jetzt muss Marteria doch einfach auf die Bühne kommen! Nein, sein Part wird einfach per Videoantwort eingespielt. Sido wählt als zweiten Song „Löwenzahn“, zu dem aber nicht wie im Original Olexesh, sondern Chefket einen Part beisteuert. Der geht auch in Ordnung, ist aber eben weder bahnbrechend noch besonders überraschend.

Runde 5: The Finale

Künstlich aufgebauscht kommt dann auch die letzte Runde her: Haftbefehl geht quer durch die Halle und bestritt Sidos Bühne. Bodyguards bauen sich auf, Haftbefehl pöbelt und bevor man irgendwelche Erwartungen an inszenierte Schlägereien oder Ähnliches aufbauen kann, ist die Spannung auch schon wieder weg. Beide performen einfach noch gemeinsam ein paar Songs, „Russisch Roulette“ und „Mein Block“, „Chabos wissen wer der Babo ist“ als Finale und den „Arschficksong“ als versöhnliche Zugabe. Keine Stimmungsmache mehr, stattdessen ein runder Abschluss für einen unterhaltsamen Abend.

Genau diese Unterhaltsamkeit kann man trotz aller Nörgeleien an Details auch als Fazit unter dem Spektakel stehen lassen. Wer hier ein vernünftiges Battle erwartete, der hat das Format nicht verstanden. Natürlich ist das hier nur eine Show, bei der man hofft, dass ein bisschen was Ungewöhnliches passiert. Paar gute Gäste, paar alternative Versionen, ein bisschen Gestichel. Daran krampfhaft irgendwas festmachen zu wollen (etwa den Stand im deutschen Hip Hop, wie die Kollegen bei Spiegel Online), ist ein bisschen viel gewollt. Dann doch lieber das Haftbefehl-Mixtape „Unzensiert“ gönnen, das der Gute spontan am Ende der Show ankündigte und in der Nacht noch veröffentlichte. Highlight-Video genießen:

Highlight-Video

Den Soundclash in voller Länge gibt’s hier als Replay.

Beitragsbild: Jens Oellermann