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Rivers Cuomo von Weezer im Interview: „Ich möchte kein lebendes Beispiel dafür sein, wie die Dinge einmal waren“

Rivers Cuomo. Obwohl ich nie ein besonders großer Weezer Fan war und ihre Hochphase rein zeitlich verpasst habe, ist mir der Name ein Begriff, mitsamt etlicher Assoziationen: Kein ganz einfacher Charakter, in den 90ern große Songs geschrieben und im Anschluss einige unglückliche Entscheidungen getroffen. Eigentlich ist all das für das Interview aber sowieso unerheblich, denn vorab wird kommuniziert, Cuomo wolle sich voll und ganz auf die aktuelle Platte konzentrieren und daher nur Fragen zur Gegenwart beantworten.

Ironischerweise verweist „Weezer“ (besser bekannt als das „Weiße Album“) als viertes selbstbetiteltes Album unweigerlich auf die Bandgeschichte, alleine weil seine Vorgänger den Ruf genießen, zu den Besseren der Diskographie zu gehören. Dementsprechend kommen wir im Laufe des Gesprächs zwangsläufig auf die Vergangenheit zu sprechen, obschon Cuomo zu Beginn als recht einsilbiger und schwer einschätzbarer Gesprächspartner auftritt. Doch im Laufe der kurzfristig von 30 auf 20 Minuten reduzierten Gesprächszeit taut der Sänger Stück für Stück auf und spricht mit uns über Kalifornien, Ängste und die Pläne für Weezers nächstes Album.

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Ihr habt erneut ein selbstbetiteltes Album veröffentlicht, das überall bereits als das „Weiße Album“ bekannt ist. Was repräsentiert diese Farbe für dich?

Rivers Cuomo: (Schweigen) Weiß ist der Sonnenschein, der Strand, gute Zeiten, Abhängen mit Freunden.

Zu diesen Themen gibt es auf dem neuen Album viele Songs. Es ging also klar darum, all das einzufangen?

Ja, wir arbeiten sogar bereits an der nächsten Platte, die unser „Schwarzes Album“ wird.

Wirklich? Wovon wird das Album handeln? Wird es das Gegenteil des „Weißen Albums“ sein?

Genau. Beim „Weißen Album“ geht es um den Strand in Santa Monica, in Venice. Für das „Schwarze Album“ verbringe ich viel Zeit auf der anderen Seite von L.A., um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es ist, mitten in der Stadt bei Nacht zu sein.

Interessant. Beim Hören des „Weißen Album“ hatte ich den Eindruck, dass die Texte sich vordergründig meist um ein schönes Leben drehen. Es gibt jedoch auch hier bereits Tracks, die eine Form von Dunkelheit vermitteln, etwa „Do You Wanna Get High?“.

Ja, da stimme ich zu. Das Erste, was uns beim Schreiben des Albums einfiel, war, dass es ein Strand-Album sein sollte. Dieser Gedanke führte uns durch den Schreib-Prozess hindurch, auch wenn wir nicht zu 100% dabei bleiben konnten. Wir haben es versucht, aber es gibt defitinitiv auch andere Themen, etwa bei „Do You Wanna Get High?“. „Thank God For Girls“ hat auch eine sehr dunkle Seite; es zeigt den Strand bei Nacht.

Ich habe gelesen, dass „Thank God For Girls“ auch durch Tinder inspiriert wurde. Interessierst du dich für digitale Kultur?

Mich interessieren vor allem soziale Beziehungen, und heutzutage vollziehen diese sich oft im Digitalen. Darüber hinaus interessiere ich mich aber durchaus auch für Technologie. Ich versuche stets, das neuste Gerät zu besitzen. Ich habe gerade ein Tesla Model X (hochpreisiger SUV, Anm. d. Red.) mit Flügeltüren gekauft, das sich unter anderem aufheizen kann, bevor du einsteigst. Das macht wirklich Spaß. (lacht)

Ich musste auch an digitale Kultur denken, weil ich euer Video zu „California Kids“ mit den Jungs auf dem „Damn Daniel“ Meme gesehen habe. Wie bist du auf sie aufmerksam geworden? Und wie lief die Zusammenarbeit?

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich weiß, dass sie Weezer Fans sind. Und als wir sie trafen, schien es so, als wären sie ziemlich vertraut mit der Rockmusik der 90er. Sie spielen selbst Gitarre und haben unsere Songs bereits gecovert. Es fühlte sich in gewisser Weise nach einer guten, natürlichen Verbindung an.

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Verstehst du, warum manche Menschen von der Zusammenarbeit enttäuscht waren?

Ich glaube für jeden, der älter als 15 ist, repräsentieren diese Kinder etwas, das in der heutigen Popkultur falsch läuft. Du kannst .. naja, vielleicht nicht richtig berühmt, aber immerhin der größte Star des Moments werden, mit etwas, das kein Talent oder harte Arbeit vorraussetzt; auf eine Art also, die es in früheren Generationen nicht gab.

Wir haben in den letzten Wochen einige berühmte Rock-Musiker verloren, wie Lemmy oder David Bowie. Es gibt anscheinend gerade eine Art Generationswechsel; sind 90er-Alternative-Rockstars wie du die neuen Elder Statesmen?

(Schweigen) Ich weiß nicht. Ich interessiere mich eher für Experimente, dafür, neue Sachen zu versuchen, als ein lebendes Beispiel dafür zu sein, wie die Dinge einmal waren. Aber ich glaube, David Bowie ging es da ähnlich.

Okay, zurück zu eurer aktuellen Platte. Du hast mal erwähnt, dass sie von den Beach Boys inspiriert wurde. Ist das eine Band, die auch deine Faszination für Kalifornien geprägt hat?

Weezer wurden in Santa Monica gegründet, ich habe hier den größten Teil der letzten 25 Jahre gelebt. Ich glaube, ich zog ungefähr zur gleichen Zeit hier her und fing an, die Beach Boys zu hören, besonders „Pet Sounds“. Ich fühlte eine echte Verbindung zu ihrem Gespür für Melodien und Akkordfolgen, sowie der Unschuld in ihren Texten. Ich glaube, das hatte Einfluss auf all unsere Platten, aber erst bei dem „Weißen Album“ haben wir uns bewusst vorgenommen, diesen Stil anzustreben.

Was ist deiner Meinung nach so faszinierend am Strand und an Kalifornien? Was macht Kalifornien zu einem derart mythischen Ort?

Es ist ein toller Ort zum Leben, besonders wenn man in einem anderen Teil des Landes oder der Welt ist, an dem es kalt ist. Es ist toll, von einem Ort zu träumen, an dem es schön und warm ist, an dem immer die Sonne scheint. Es gibt so viele Leute dort, sie tragen nicht viel Kleidung, man sieht sie also gerne an – oder zumindest einige von ihnen. Die Menschen sind entspannt, haben Spaß, machen sich keine Sorgen um die Arbeit. Und zusätzlich hast du in L.A. so viele Berühmtheiten, so viele Bands, die Unterhaltungsindustrie ist hier angesiedelt. Es gibt einfach so viele Möglichkeiten.

Apropos Berühmtheiten: Zu Beginn des Songs „King Of The Wolrd“ gibt es eine Spitze in diese Richtung, oder?

Nein, nicht wirklich. Der Song handelt konkret von einer Angststörung, an der meine Frau leidet, vor diesen tabloid magazines (vergleichbar mit Klatschblättern, Anm. d. Red.). Die veröffentlichen nicht nur Nachrichten über die Probeme von Berümtheiten, sondern auch über Naturkatastrophen, Krieg, Terrorismus und all diese Dinge. Schlechte Nachrichten. Meine Frau hatte wirklich schlimme Angst davor.

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Es fühlt sich bei diesem Song so an, als würde sich durch den ganzen Optimismus eine Art Dunkelheit den Weg bahnen, als eine Art Gegensatz zum eigentlichen Thema des Albums. Es scheint zugleich so, als böte Kalifornien eine Lösung für diese Probleme, oder zumindest eine Fluchtmöglichkeit. Gingen deine Gedanken beim Schreiben in eine ähnliche Richtung?

Ja, das hier ist nicht dein klassisches Strand-Album, es ist ein Weezer-Strand-Album. Der Arbeitstitel der Platte war sogar bummer summer. Wir wussten, dass es diesen Kontrast zwischen dem fröhlichen Sonnenschein und einer düsteren Traurigkeit geben würde.

In „California Kids“ gibt es eine Art Verbindung zwischen all den schlechten Dingen im Leben und den california kids, die alles in Ordnung bringen werden. Ist das eine Art Parabel auf ein Amerika, das die Lösungen für die Probleme der Welt hat?

Beim Schreiben kam mir das nicht in den Sinn. Ich verbringe nicht genügend Zeit in anderen Ländern, um zu wissen, wie Amerika dort wahrgenommen wird oder inwiefern amerikanische Ideen helfen oder schaden. Aber da ich meine Zeit in Amerika verbringe weiß ich, dass es hier viele Möglichkeiten gibt. Wenn du einen Traum hast und du hart arbeitest, du clever bist und es immer weiter versuchst, dann gibt es die Chance, dass dein Traum wahr wird. Ich weiß nicht, ob das eine spezifisch-amerikanische Idee ist. Es kann solche Bedingungen in jedem Land geben, wenn es denn möchte.

Kann Pop-Musik auch Teil einer Lösung sein?

Ja, es scheint auf jeden Fall so. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen – vielleicht sollte ein Soziologe das untersuchen – aber es scheint, dass gerade in unserer heutigen Zeit mit dem Internet Musik für die Menschen überall auf der Welt sehr attraktiv ist. Alle haben Zugang zu ihr und sie kann sich sehr schnell verbreiten. Du kannst deine Ansichten durch die Musik mit Menschen überall auf der Welt teilen, sie inspirieren und ihnen Vertrauen geben.

Ist das der Grund dafür, dass ihr Album für Album weiter macht, seit über 20 Jahren?

Vielleicht klingt das jetzt arrogant, aber es motiviert mich, dass ich meine Sicht auf das Leben mit vielen Menschen teilen kann. Sowas möchte ich tun. Es fühlt sich so an, als hätte ich eine einzigartige Sicht auf die Dinge.

(Der Promoter, der mit in der Leitung hängt, weist darauf hin, dass uns noch zwei Minuten bleiben)

Würdest du sagen, dass ihr euch gerade in einer produktiven Phase eurer Karriere befindet?

Es scheint so, als wären unsere Leben gerade sehr stabil. Und wir haben eine Menge Ideen. Unsere Fanbase unterstützt uns sehr, wir sind also in der Lage, viele Alben zu produzieren und eine Menge Shows zu spielen.

Wann können wir denn mit dem „Schwarzen Album“ rechnen?

Oh, lass mich noch hinzufügen, dass wir eine Menge Zeit in anderen Ländern zu verbringen werden, wir versuchen auch nach Europa zu kommen. Ich denke, das „Schwarze Album“ kommt dann im April 2017 raus.

Werdet ihr dann auch bald nach Deutschland zurückkehren?

Ja, ich glaube, das werden wir.

Gibt es schon konkrete Pläne?

Ich weiß, dass wir auf jeden Fall spätestens im nächsten Jahr da sein werden, vielleicht aber auch schon in diesem.

„Weezer“ (auch bekannt als das „Weiße Album“) erscheint am 01.04. via Atlantic.