Ich gebe ehrlich zu, dass ich an diesem Abend des Eels-Konzerts eher mit betagterem Publikum gerechnet habe: Ü40 oder sogar Ü50, Festanstellung, Familie und eine sanierte Altbauwohnung im Prenzlauer Berg.
Vor dem Tempodrom versammeln sich aber auch erstaunlich viele jüngere Menschen, die teilweise noch verzweifelt auf der Suche nach Tickets sind, denn: Diese Show war mal wieder innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Das ist bei Eels nichts Neues, denn hier ist kein Auftritt wie der andere.
Schon der Support namens „That 1 Guy“ ist für die meisten Zuschauer eine Überraschung, zumindest für die, die noch nie von ihm gehört haben. Oder wir sagen es einfach, wie es ist: Man kann das „wtf?!“ in ihren Gesichtern deutlich herauslesen. Dieser That 1 Guy baut sich seine Instrumente nämlich aus diversen Einzelteilen, Metallrohren und Gaffer-Tape selbst. Das kann dann schon mal ein bisschen außerirdisch rüberkommen.
Zu Eels passen tut das aber allemal, denn der gute Mark Oliver Everett ist ja ein berühmter Verfechter der waghalsigen Musikexperimente. Ich bin also schon darauf vorbereitet, dass ich manche Songs wahrscheinlich auf die erste Minute gar nicht erkennen werde. Die große Frage bei Eels ist ja: Was erwartet uns heute? „Flyswatter“ mit dem Alphorn? „Souljacker“ auf der Zither oder vielleicht sogar „Hey Man (Now You’re Really Living)“ als Operettenversion?
Zu Beginn gibt es nach der berühmten und pompösen Rocky-Fanfare aber erstmal zwei Covers. Nach „Out in the Street“ von The Who folgt eine beeindruckende Version von Princes „Raspberry Beret“. Und es geht ab. Anders kann man das nicht nennen, denn dieses Publikum tanzt, gröhlt und singt, dass es eine wahre Freude ist.
Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Mark Oliver Everett ergriffen in die Menge fragt, wie das alles sein kann – ob er selbst so alt ist oder sein Publikum so jung? Und wir erfahren sehr, sehr schnell sein deutsches Lieblingswort: Schatzi. Schatzi, Schatzi, Schatzi! Nach 28 Schatzis höre ich auf mitzuzählen, die Stimmung scheint aber jedes Mal zu steigen. Die lauten Liebesbekundungen aus dem Publikum, ob von Mann oder Frau, nehmen proportional zu jedem „Schatzi“ zu. Die ersten Shirts müssen dran glauben, so dass vor allem in den ersten Reihen einige nackte männliche Oberkörper und Frauen im BH zu bewundern sind.
Mitten in dieser Highlight-Stimmung erklärt sich Mr E dann auch bereit, seine Band vorzustellen: „Hey, I’d like to introduce you to Eels and: I’m gonna start with myself.“ Diese ehrliche Egozentrik ist natürlich entwaffnend. Mark Oliver Everrett ist nämlich nicht nur ein begnadeter Musiker, sondern auch ein phantastischer Alleinunterhalter. Am Ende seiner Vorstellungsrunde wissen wir, dass sein Gitarrist keine Jungfrau mehr ist, sein Drummer mal mormonischer Missionar in Japan war und er der kleinste in der gesamten Band ist.
Dann aber endlich gibt es die ersten Überraschungsversionen. „I like birds“ zB, dieser nette kleine Song, den man auch seinem Kind zum Einschlafen vorsingen würde, wird in eine Punkversion umgewandelt. „Novocaine for the soul“ bekommt einen dröhnenden Hardrock-Anstrich.
Bei der Zugabe „Mr E’s Beautiful Blues“, einem der bekanntesten Songs von Eels (erinnert Ihr Euch noch an den Film „Road Trip“?), tönt zum Showende ein Chor von ca. 4000 Konzertbesuchern durchs Tempodrom. Ein würdiger Abschied für Mr E und seine Kumpanen und für viele andere ein Start in eine lange anschließende Partynacht