In den meisten Fällen habe ich mit meinen Interviews Glück und Musiker sitzen vor mir, die sich gerne mit mir unterhalten und mit denen ein Gespräch entsteht. Bei den Allah-las war es so: Ich durfte zum Sziget Festival in Budapest gehen und habe das Management der Band sofort angefragt. Schon zwei Wochen vorher alles eingetütet, komme ich an ihrem Hotel an und erreiche nur die Mailbox des Managers. Rein ins Hotel, vergeblich nachgefragt. Draußen kurz mit Marteria geschnackt, der am nächsten Tag spielt. Nach etlichen weiteren vergeblichen Anrufen und Umschauen läuft mir zufällig Sänger und Gitarrist Miles über den Weg, der gerade ein paar Fotos von Budapest schießen will. Sie wissen gar nicht, dass ein Interview stattfinden soll. In der Hotelbar angekommen, sitzen Spencer (Bass/Gesang) und Pedrum (Lead-Gitarre/Gesang) gemütlich bei einem Bier zusammen. „Hey guys, this is Erik, he wants to interview us“, sagt Miles. Die Freude steht den beiden ins Gesicht geschrieben. Nicht. Selbst Miles, der anfangs noch etwas motiviert schien, setzt sich einfach abseits an den Tresen und hält sich fortan komplett raus. Schon nach der zweiten Frage kommt mir die Lustlosigkeit unübersehbar entgegen, ein Gespräch mit rotem Faden entwickelt sich erst gar nicht. Da ich schon den weiten Weg auf mich genommen habe, zog ich einfach alle Fragen durch. Das kam dabei heraus.
Drei von Euch haben im Amoebe Music Store in Los Angeles gearbeitet, als Ihr die Band gegründet habt. Wie kann man sich es dort vorstellen? Ein bisschen wie Nick Hornby’s High Fidelity?
Pedrum: Sehr nerdig und groß. Wie ein Warenhaus. Wahrscheinlich einer der größten Plattenläden auf der Welt.
Spencer: Stell Dir diese Hotellobby mal vier vor. Ziemlich groß.
Pedrum: 200 Mitarbeiter. Leute, die manche Kunden gar nicht sehen. Goblins und Kreaturen arbeiten dort, durchsuchen den Müll, kleben Etiketten auf Sachen, schauen niemanden an.
War also nicht so cool, dort zu arbeiten?
Pedrum. Nein, es war superwitzig. Der witzigste Job, den ich je hatte. [Anm: d. R.: Die Ironie springt mir förmlich ins Gesicht.] Sieben Dollar die Stunde. Wenn Du Bücher liebst, kannst Du in einem Buchladen arbeiten. Wenn Du als Musikliebhaber in einem Plattenladen arbeitest, triffst Du Menschen mit der gleichen Obsession. Sonst hätte ich Miles, Spencer und Matthew nicht kennengelernt. Also ist es ein echt wichtiger Ort für uns.
Geht Ihr noch manchmal hin, wenn Ihr in L.A. seid?
Pedrum: Selten. Wenn ich hingehe, bleibe ich gerne mal drei Stunden dort. Also gehe ich lieber nicht hin (lacht)
Seid Ihr auf Tour auch auf der Suche nach Plattenläden?
Pedrum: Ja, falls die Zeit bleibt auf jeden Fall.
Auf Social Media postet Ihr oft Kunst wie Gemälde oder Fotografien von anderen Künstlern. Was motiviert Euch dazu?
Pedrum: Unser Schlagzeuger Matthew kümmert sich meistens darum. Viele Fotos haben den Zweck, um auf Shows an diesem Tag aufmerksam zu machen. Wenn Du die Fans auf etwas hinweisen willst, dann postest Du etwas [überlegt kurz, hört auf zu reden und nötigt Spencer mit Blicken dazu, weiterzumachen]
Spencer: Menschen müssen sich durch so viele Scheiße scrollen, wenn sie bei Facebook unterwegs sind. Da wollen wir eine schöne Abwechslung schaffen. Viele Bilder stehen in Relation zu den Städten oder Ländern, in denen wir spielen.
Ihr betreibt auch das Reverberation Radio. Wie entstand die Idee?
Pedrum: Es begann mit einer Radioshow in Los Angeles. Miles konnte uns einen Sendeplatz beschaffen. Er war zwar richtig beschissen, von zwei bis sechs Uhr nachts, aber immerhin hatten wir einen. Sie wurde mit der Zeit beliebter, wir bekamen einen besseren Slot, aber die Menschen vom Sender wollten ein anderes Konzept, das uns nicht gepasst hat. Unser Manager hat dann einfach einen Podcast eingerichtet. Seit fünf Jahren kommt jeden Mittwoch eine 30-minütige Sendung.
Das ist cool, weil Podcasts in Deutschland noch lange nicht so beliebt sind wie in Amerika.
Pedrum: Die meisten unserer Zuhörer kommen aber aus Europa.
Spencer: Podcasts werden überall beliebter. Aber die meisten beschäftigen sich nicht mit Musik. Aber ich finde unseren schon besonders irgendwie.
Pedrum: Auf jeden Fall. Reverberation ist der beste Musikpodcast überhaupt. Und das sage ich nicht nur als Mitbetreiber, sondern ich höre es oft von Leuten. Wenn Du auf der Suche nach merkwürdiger Musik bist, dann bist Du da richtig. Alle 2 ½ Monate bin ich dran, ein cooles Mixtape zu machen.
Ich habe in einem Interview gelesen, dass Euch oft Freunde auf Tour begleiten und mit auf der Bühne stehen. Ist heute auch jemand mit an Bord?
Spencer: Die Übersetzung des Interviews war wohl etwas zu entfernt vom Original, aber momentan unterstützt uns tatsächlich ein Freund am Klavier für die Konzerte in Ungarn. Nächste Woche kommt auch einer und macht Percussion. Tim am Klavier ist beim Touren ein festes Mitglied.
Pedrum: Mit Deinen Bandkollegen befreundet zu sein, ist sehr wichtig. Dann stimmt der gemeinsame Vibe. Das hilft der Band ungemein.
Ihr tourt gerade wieder durch Europa. Welche kulturellen Unterschiede fallen Euch so auf?
Pedrum: Ihr habt hier drüben nicht so viele Nazileute und Fackelträger, die durch die Straßen marschieren (lacht) und sich gegenseitig schlagen.
Ja, aber wir haben genug andere Probleme.
Pedrum: Ihr habt Probleme mit Terroristen. In Amerika gibt es weniger Terrorismus, dafür schlagen sich Leute gegenseitig die Köpfe ein.
In Amerika herrscht zu viel Schwarz-Weiß-Denken. Es gibt nur zwei große Parteien, zwei Extreme. Aber dafür ist Amerika viel zu bunt, ein kultureller Schmelztiegel.
Pedrum: Das ist zumindest in Europa auch so mit dem Schmelztiegel.
Klar, weil die Länder und Regionen so eine lange Geschichte haben. Wir haben terroristische Probleme, aber oft kamen die Attentäter wie in Paris oder Belgien gar nicht aus dem Mittleren Osten, sie sind in Europa geboren.
Pedrum: In Amerika hast Du viele Menschen, die gegen Immigranten sind. So krass, dass sie Andersdenkende am liebsten umbringen würden. Es ist kein Islam-Christentum-Ding, sondern ein Amerikaner-Amerikaner-Ding.
Wenn ich als Deutscher auf Euer Parteiensystem schaue, ist da nur Schwarz und Weiß, Demokraten und Republikaner. Nichts dazwischen.
Pedrum: Es gibt mehr Parteien, aber nur die beiden haben überhaupt eine Chance.
Spencer: Wenn es in Amerika etwa so wie in den Niederlanden mit vielen Parteien wäre, sind die Leute doch überfordert, weil sie so viele Optionen haben. (flüstert) Bernie.
Der wäre besser gewesen. Eure Musik wird durch Eure Umgebung beeinflusst, das sonnige entspannte Strand- und Abenteuerleben in Los Angeles hört man der Musik deutlich an. Inwiefern beeinflusst Euch das Touren und die ganzen Länder, vielleicht schon beim aktuellen Album „Calexico Review“?
Pedrum: Ich schreibe eigentlich nie etwas auf Tour. Vielleicht mal ein paar Zeilen, mehr nicht.
Spencer: Natürlich wird man von ein paar Sachen auf Tour inspiriert, aber ich würde nie sagen, dieser Song ist ein belgischer Song. (lacht)
Obwohl das auch ziemlich cool wäre.
Spencer: Das Sir Douglas Quintet hat das mal gemacht.
Oder die Band Beirut, die ihre Songs auf dem ersten Album nach Städten oder Regionen benannt haben.
Pedrum: Ich überlege gerade, wie unsere Musik übers Touren klingen würde. Gig gespielt, in ner Bar ohnmächtig geworden, ohne Klamotten wieder aufgewacht und wie Scheiße gefühlt (lachen)
In einem kürzlich erschienenen Interview habt Ihr von einem Filmsoundtrack und einer neuen EP gesprochen. Wie ist der Stand?
Pedrum: Wir arbeiten an einer EP mit Coversongs, die im Herbst rauskommen soll. Wir haben bei einem Film von James Franco Musik beigesteuert. Keine Ahnung, wann der rauskommt.
Wie kam das zustande? Hat er Euch einfach angerufen?
Pedrum: Ja, wir hatten eine Telefonkonferenz mit ihm und er mochte unsere Musik. Er hatte vorher schon unsere Musik als Platzhalter eingesetzt und hoffte, wir arbeiten am Rest des Soundtracks mit. Er ist sehr politisch und beschäftigt, das ist nur eines seiner vielen Projekte. Wir haben schon einen Rohschnitt gesehen, aber keine Ahnung was draus wird.
Habt Ihr Gefallen an Filmsoundtracks gefunden?
Spencer: Ja! Scorsese, Wes Anderson, habt Ihr Bock auf uns? (lachen)
Das wars. Keine 20 Minuten, die sie sich abmühen mussten. Etwas frustriert verließ ich das Hotel und fuhr wieder zum Sziget Festival. Das Konzert ein paar Stunden später war super, vielleicht sogar mein musikalisches Highlight des Festivals. Aber ich konnte es irgendwie nicht so genießen wie erhofft.
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