Nichts ist weniger Metal als eine Erkältung und keine Frucht ist mehr Metal und hilft mehr dagegen, als eine Blutorange. Also hatte ich eine dabei, als ich das headCRASH besuchte, um dort The Faceless zu sehen.
Aber jetzt mal im Ernst, warum texte ich euch gerade mit Blutorangen voll? Dazu komme ich später. Fangen wir doch erstmal mit der Vorband an. The Voynich Code erinnern mit ihren programmierten Synthie-Intros ein wenig an die jungen Born of Osiris, um mal ein wenig Namedropping zu betreiben. Sind technisch aber keinesfalls so einfallslos. So lieferten sie einen soliden Auftritt ab, der das Publikum sachte zu unterhalten wusste, aber leider nicht so richtig aus der Reserve locken konnte. Schade. Gegönnt hätte ich es dem Trio mit den verschrobenen Gitarren-Designs allemal!
Als dann nach kurzer Pause das Licht erlosch und The Faceless die Bühne betraten, wirkten die ca. 40 Metalheads vor der Bühne des kleinen Metal-Schuppens auf dem Hamburger Berg schon etwas empfänglicher. Und man kann es nicht anders sagen, auch The Faceless lieferten ab. Dennoch wollte das Publikum nicht in Extase moshen oder mitgröhlen. Jedenfalls zunächst nicht. Aber warum war das so?
Nun ja, The Faceless ist eine Band, die sich um Mastermind Michael Keene versammelt hat. Der ist nicht nur Lead-Gitarrist, sondern singt auch die Clean Vocals und ist im Studio für das Programmieren, Sequencing und Keyboard verantwortlich. Ach so, und seit 2016 spielt er auch den Bass selbst ein. Das ganze Ding ist also im Grunde sein Solo-Projekt, was man auch an den 18 Besetzungswechseln seit Bestehen der Band sieht. Aber es ist auch nichts Verwerfliches, wenn man für das brennt, was man tut und seinen eigenen Schuh durchziehen will. Und das tut Keene. Jedes Solo sitzt, jeder Ton seines Gesangs ist auf den Punkt. Alle Akzente, die man auf den Alben hört, hört man auch live. Allerdings braucht die Musik von The Faceless eigentlich überhaupt keinen Gesang. Das ist alles nur Beiwerk.
The Faceless ist experimenteller Metal von Muckern für Mucker. Musik, bei der die Nerds der Musikwelt (positiv gemeint), sich das Maul darüber zerreißen, warum auf der Gitarre nicht Pick-Up XY verbaut ist, weil die dann noch fetter klingen würde usw. Etwas wovon ich keinerlei Ahnung habe, allerdings verstehe, dass die Songstrukturen stellenweise so verkopft sind, dass man sich das Genick brechen würde, wenn man versuchen würde dazu passend zu headbangen, geschweige denn zu pogen.
Nach dem gut eine Stunde langen Auftritt kann ich sagen, dass diese Band technisch ganz weit vorne ist. Was eine Show angeht gibt es allerdings nicht viel zu berichten, außer Fingern, die souverän und sehr schnell über Gitarrensaiten fliegen. Das Konzert war ein wenig wie mein Blutorange. Durch und durch metal, geschmacklich wie erwartet, allerdings bleibt sie am Ende eben eine Blutorange und kein ganzer Obstsalat.